XXVIII.

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Simon und Raphael saßen eine ganze Weile nebeneinander auf dem Bett und redeten. Inzwischen waren schon ein paar Stunden vergangen und die Stimmung war sehr viel lockerer, als am Anfang. Simon schaffte es sogar einen schlechten Witz zu machen, als Raphael meinte, er müsse sich umziehen. ,,Strip that down for me."  ,,Wie bitte?" Raphael hielt einen Moment perplex inne.  ,,Kennst du den Song nicht?" fragte der Jüngere erstaunt. ,,One Direction? Echt nicht?" Der Latino schüttelte langsam den Kopf, ehe er murmelte: ,,Wie dem auch sei..." und sich einfach das Shirt über den Kopf zog, bevor er es in die Wäschetonne warf. Simons Blick viel sofort auf Raphaels nackte Brust und er bewunderte mal wieder sein tolles Aussehen. Wie konnte ein Mensch nur so schön sein? Als Simon bemerkte, wie er starrte, wurde er augenblicklich knallrot, doch sein Gegenüber schien es nicht einmal zu bemerken. Der Ältere drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und zog sich aus, als wäre es nichts. Simons Blick wanderte über Raphaels Körper. Von seinen schwarzen Haaren, über seinen muskulösen Rücken hinunter zu seinem- ,,Es ist doch okay, wenn ich ohne Shirt schlafe, oder?" riss ihn Raphaels Stimme aus seinen Gedanken. Simons Blick schoss wieder nach oben und er nickte. ,,Äh- Ja. Ich - also,.. Es ist immerhin dein Bett. Ich meine -... Also mir-... Äh - Mir macht es nichts aus-  Ähm-" ,,Bueno." unterbrach Raphael ihn. Der Latino ging zurück zum Bett und legte sich wieder hin. ,,Entschuldige, worüber haben wir gerade gesprochen?" Simon schüttelte langsam den Kopf. ,,I-Ich weiß auch nicht mehr." Raphael nickte kurz. ,,Bist du müde?" Simon schüttelte den Kopf. ,,Okay, und was machen wir jetzt?" fragte Raphael und drehte sich etwas auf die Seite. Simon musste bei seinem Anblick grinsen. ,,Also, als wir das ganze angefangen haben, hab ich nicht damit gerechnet, dass wir eines Tages nebeneinander in einem Bett liegen würden." meinte der Tageslichtler, woraufhin Raphael leise lachte. ,,Ich auch nicht." erwiderte er. ,,Allerdings hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass du für unseren Clan so relevant werden würdest." Simon nickte nur stumm. Er musste an die Nächte denken, als er nur ein Mundi war, der sich mit einem Vampir getroffen hat, um gebissen zu werden. Dass Clary ihn mal in einen Krieg hineinziehen würde, hätte er damals für unmöglich gehalten. Doch das war gleichzeitig das Schlimmste und das Beste, was ihm je passiert war. Er hatte viel verloren, aber auch viel neues gefunden. ,,Woran denkst du?" fragte Raphael den Jüngeren, nach einem kurzen Moment der Stille. ,,Alte Zeiten." murmelte Simon nur, ehe er seinen Kopf drehte und seinen Gegenüber musterte. Sein Blick glitt von den schwarzen Locken, zu seinen dunklen Augen und schließlich zu seinem Hals. ,,Du musst kein Blut mehr trinken, richtig?" Raphael nickte. ,,Das ist richtig."  ,,Könnte ein Vampir noch dein Blut trinken? Oder ist es durch das himmlische Feuer . . . Ich weiß auch nicht . . . irgendwie verändert?" Raphael zuckte mit den Schultern und sagte: ,,Ich hab keine Ahnung." Simon schluckte. ,,Darf-  . . .  Darf ich . . .?" Raphael setzte sich etwas auf. ,,Was wenn es toxisch auf dich wirkt?"  ,,Dann haben wir neue Infos für Magnus." erwiderte Simon. ,,Außerdem hab ich Johnathans Dämonenblut getrunken; da werd ich das wohl auch überleben." Raphael sah ihn skeptisch an, ließ es aber zu, als Simon ein Stück näher rückte. Vorsichtig legte er eine Hand auf die Schulter des Älteren und beugte den Kopf nach unten. Er setzte die Lippen an dessen Kehle an und küsste die Stelle sanft, bevor er seine Fänge in der gebräunten Haut vergrub. Eigentlich hatte er menschliches Blut erwartet, wie bei seiner Schwester. Doch als der erste Tropfen Blut seine Zunge berührte, wusste er, das war es nicht. Es war so viel besser als menschliches Blut. Genaugenommen war es besser als alles, was er bisher probiert hatte. Es war besser als Rebeccas Menschenblut, besser als Isabelles Shadowhunterblut, und sogar besser als Jace' Engelsblut. Simon konnte gar nicht richtig beschreiben, wie es schmeckte, geschweige denn, wie es sich anfühlte. Es war intensiver als alles, was er bisher mit einer Frau erlebt hatte. Es war intimer. Simon hatte das Gefühl, Raphael überall an und in seinem Körper spüren zu können. Er konnte seine Lebensenergie fühlen. Und er konnte gar nicht genug davon kriegen. Er hatte so gut wie keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Instinktiv vergrub er seine Hand in den Haaren des anderen und setzte sich rittlings auf seine Hüften. Nur mit Mühe konnte er sich schließlich wieder von Raphael los reißen. Simon setzte sich aufrecht hin und sah auf den Älteren hinab. Erst jetzt bemerkte er, wie er auf ihm saß, wie Raphaels Hände auf seinen Hüften lagen und wie diese dunklen Augen in anstarrten. Noch immer vom Blut benebelt, beugte der Jüngere sich kurzerhand hinunter und küsste den Anderen. Doch schon im nächsten Moment wurde er von Raphael an den Schultern sanft zurück geschoben. Da traf ihn die Realität wie eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht und er wich hektisch zurück, fast so als hätte er sich verbrannt. ,,Oh mein Gott, Raphael, das- . . . I-ich wollte nicht- . . Es-Es tut mir so leid. Ich weiß, du hast Nein gesagt und ich- . . Entschuldige, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich wollte nie-" ,,Hey, hey, Simon." fiel Raphael ihm ins Wort und legte seine Hände an die Wangen des Jüngeren. ,,Schon gut. Okay? Ist schon gut. Nur- . . ." Der Latino wendete den Blick ab. ,,Es ist . . . kompliziert." Simon sah ihn etwas verwundert an und sagte: ,,Du weißt schon, dass du's mir sagen kannst, wenn du mich nicht-"  ,,Um dich geht's nicht." erwiderte Raphael schnell. ,,Es-. . . Küssen ist nicht- . . . Ich bin einfach nicht interessiert an allem, was . . . was in diese Richtung geht. Ich . . ." Da dämmerte es Simon. Er lächelte und legte sanft einen Finger an Raphaels Kinn, was ihn dazu brachte, den Jüngeren anzusehen. ,,Ich versteh schon."  ,,Wirklich?" fragte Raphael erstaunt. ,,Ja. Du bist asexuell." Simon konnte genau die Emotionen über Raphaels Gesicht huschen sehen, als er seine Worte realisierte; Erst Verwirrung, dann Verwunderung, dann Erkenntnis und schließlich Unsicherheit. ,,Es-. . Es gibt ein Wort dafür?" fragte der Ältere schließlich. ,,Ja, klar." lachte Simon. ,,Die Zeiten haben sich geändert seit neunzehnhundert-wann-auch-immer-du-geboren-wurdest. Die LGBTQ+community ist groß und es gibt für fast alles ein Wort." Raphael schien über die Aussage nachzudenken. Nach einer kurzen Weile, nickte er schließlich und sah wieder zu Simon auf. ,,Und ... Hast du ein Problem damit?" Sofort schüttelte Simon den Kopf und sagte: ,,Nein. Nein, natürlich nicht!" Raphael nickte. ,,Okay." murmelte er. Da klingelte sein Handy. Der Latino nahm das Gerät vom Nachttisch und sah auf das Display. ,,Es ist Lily." sagte er mit zusammen gezogenen Augenbrauen, ehe er abhob. ,,Lily?" Simon nutzte sein verbessertes Gehör, um die Konversation mitanzuhören.  ,,Raphael! Gut, dass ich dich erreiche." Lily klang aufgebracht.  ,,Es gab ein paar Fälle, in denen Unterweltler, die durch das himmlische Feuer in Menschen verwandelt wurden, ein paar ihrer alten Kräfte zurück erlangt haben. Hast du irgendwas davon bemerkt?" Simon war überrascht, dass Raphael Lily nichts erzählt hatte. Normalerweise erzählte er ihr so gut wie alles. ,,Also, um ehrlich zu sein . . ." Raphael erzählte der Vampirin die ganze Geschichte, als sie plötzlich einfach auflegte. ,,Warum hat sie-" setzte Simon an, wurde jedoch unterbrochen, als Raphael ihn sanft neben sich aufs Bett setzte. ,,Warte einfach einen kleinen Moment." erwiderte der Ältere und setzte sich etwas aufrechter hin. Simon wollte gerade verwirrt fragen, was er meinte, als plötzlich die Tür aufging und Lily ins Zimmer stürmte. Die sonst so ordentlich aussehende Vampirin trug nur ein schwarzes Top, eine kurze schwarze Hose und ihre Haare waren zu einem wirren Knoten hochgesteckt. ,,Raphael Ortiz Santiago! Wie konntest du mir so etwas nur verheimlichen?!" ,,Ich hab es dir nicht mit Absicht verheimlicht," erwiderte Raphael. ,,Ich hab dir nur nichts davon erzählt. Du hast genug mit dem Clan zu tun. Da musst du dich nicht auch noch mit mir herumschlagen." Lily seufzte und ließ sich neben ihren alten Freund aufs Bett nieder.  ,,Bitte sprich nicht über dich, als wärst du ein Problem." erwiderte sie und legte einen Arm um Raphaels Schultern. Da schien sie zum ersten Mal Simon wirklich zu registrieren. ,,Oh, entschuldige." sagte sie daraufhin. ,,Störe ich etwa?" Simon schüttelte den Kopf und lächelte freundlich. ,,Nein, nein." sagte er. Da setzte Raphael sich abrupt auf. ,,Am Telefon hast du gesagt, es gab ein paar Fälle, richtig?" Lily nickte. ,,Wie viele?"

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt