IX.

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Raphael ging gerade die Treppe nach oben, als ihn jemand an der Schulter antippte. Er drehte sich um und sah in Lilys lächelndes Gesicht.  ,,Hallo, Raphael."  ,,Hallo." seufzte er nur, drehte sich um und ging weiter nach oben. Die schwarzhaarige Vampirin folgte ihm.  ,,Also, ich muss zugeben," sagte sie.  ,,ich verstehe, was du an Simon so magst. Er ist schüchtern, man hat den Drang ihm zu helfen, ihn zu beschützen. Er ist süß." Raphael antwortete nicht, bis zu diesem einen Satz:  ,,Und er hat großes musikalisches Talent."  ,,Woher weißt du das?" fragte Raphael direkt. Lily sah ihn nur verwirrt an und antwortete:  ,,Als ich heute Morgen von dem Meeting zurückgekommen bin, war er noch wach und hat die Küche gesucht. Ich hab sie ihm gezeigt, wir haben geredet und da hat er mir etwas auf seinem Mobiltelefon gezeigt." Doch das meiste davon schien Raphael nicht zu interessieren. Er fragte nur:  ,,Ihr habt geredet? Worüber?" Lily seufzte.  ,,Politik, seine Musik, dich, seine Entführ-"  ,,Mich?" fiel Raphael ihr ins Wort.  ,,Was habt ihr denn so über mich gesagt?" fragte er, während er die Tür zu seiner Suite öffnete. Die beiden Vampire traten ein und nahmen auf dem großen roten Sofa platz.  ,,Ach, nicht viel." meinte die Frau, doch das reichte Raphael natürlich nicht, also fuhr sie fort:  ,,Ich hab nur gesagt, dass du ihn nicht entführt hättest, vor allem jetzt, wo du doch einen Zusammenstoß mit den Nephilim besonders vermeiden willst." Den letzten Teil des Satzes betonte sie besonders, woraufhin Raphael schnaubte. Er wusste genau, was sie ursprünglich hatte sagen wollen. Lily lachte nur und legte ihrem Freund eine Hand auf die Schulter.  ,,Ganz ruhig, Santiago! Ich hab Nichts gesagt."  ,,Pero casi..." murrte er nur, doch die Vampirin beachtete ihn gar nicht. Stattdessen fragte sie einfach:  ,,Weißt du inzwischen eigentlich, wie du für ihn empfindest?" Raphael blieb einige Momente still, ehe er schließlich leise den Kopf schüttelte und meinte:  ,,Ich bin mir nicht ganz sicher." Eine Weile unterhielten die beiden sich noch, bis Raphael die Tür unten ins Schloss fallen hörte. Die beiden gingen nach unten, um nachzuschauen, wer angekommen war. Und so, wie Raphael es schon vermutet hatte, erkannte er auf halbem Weg Simons Geruch.  ,,Es ist der Frischling." sagte er und bog ins Wohnzimmer ab, wo Simon bereits auf der Couch saß.  ,,Das war aber ein langer Spaziergang." merkte der Vampir an, woraufhin Simon zusammenzuckte und sich umdrehte.  ,,Oh, ja . . . ich-äh- ich war nur-" Da bemerkte Raphael etwas an dem Shirt und fiel Simon abrupt ins Wort:  ,,Steh auf." Kaum dass Simon sich von der goldenen Couch erhoben hatte, stand Raphael auch schon vor ihm.  ,,Was ist das?" fragte er, als er sich die Löcher in Simons Shirt anschaute. Da traf ihn die Erkenntnis, wie ein heftiger Schlag ins Gesicht.  ,,Sind das Einschusslöcher?!" fragte er, woraufhin Simon nach unten sah und murmelte:  ,,Oh, das...Ja, ich hab Luke bei etwas geholfen, da-"  ,,Der Werwolf  hat auf dich geschossen?!" Zorn färbte seinen Tonfall, wie Blut, das ins Wasser tropft.  ,,Er heißt Luke." erwiderte Simon kühl.  ,,Und er hat mich nicht umgebracht. Also, nicht, dass ich noch leben würde, aber . . . " Lily kicherte leise, doch Raphael verzog keine Miene, als er an ihm vorbeiging und ihn aufforderte, mit ihm zu kommen. In Raphaels Zimmer blieb Simon schließlich unschlüssig stehen, während der Ältere in seinem Schrank herumwühlte.  ,,Du-äh-musst mir nichts zum Anziehen geben, weißt du..." sagte der Frischling, doch Raphael meinte nur:  ,,Du gehörst zu meinem Clan. Ich trage Verantwortung für dich. Und so lasse ich dich ganz sicher nicht herumlaufen." Er nahm ein weinrotes Oberteil und warf es Simon zu, welcher sich leise bedankte und schnell das Hemd wechselte. Raphael konnte sich ein paar kleine Blicke nicht verkneifen, was von Lily, die inzwischen im Türrahmen stand, natürlich nicht unbemerkt blieb. Wissend grinste sie ihn an, woraufhin Raphael ihr einen warnenden Blick zuwarf und seine Schranktür zuknallte.  ,,Und was soll ich jetzt damit?" fragte Simon und hielt das durchlöcherte Shirt hoch. Raphael zuckte nur mit den Schultern und meinte:  ,,Keine Ahnung. Wirf es weg, behalte es, verbrenn' es, mir egal."  Damit warf er den Jüngeren aus seiner Suite, woraufhin dieser sich wieder auf den Weg zum Jade Wolf machte. Doch es dauerte nicht allzu lange, bis er wieder da war. Doch nicht nur er.  ,,Er ist nicht allein." murmelte Lily auf dem Weg nach unten.  ,,Es riecht verdächtig nach-"  ,,Engelsblut, ja ich weiß." unterbrach Raphael sie. Da blieb die Schwarzhaarige plötzlich mitten auf der Treppe stehen.  ,,¿Qué?"  ,,Hör doch." flüsterte sie nur, also hörte Raphael hin. 

,,Wieso nehmen wir nicht, was wir brauchen und verschwinden?" fragte Clary.  ,,Bei Ziegenblut wär' das alles kein Problem," erwiderte Simon.  ,,aber bei Menschenblut...Das ist gegen das Abkommen!" 

Raphael, wies Lily an, auf der Treppe zu warten, flitzte in Vampirgeschwindigkeit hinunter und blieb lautlos hinter Simon stehen.  ,,Ich bin überrascht, dass du so viel weißt." sagte er, woraufhin der Frischling sich erschrocken umdrehte und in das grinsende Gesicht des Älteren blickte.  ,,Wieso machst du das dauernd mit mir?!"  ,,Wenn du trainieren würdest, deine geschärften Sinne zu kontrollieren," meinte Raphael, immer noch grinsend.  ,,wärst du nicht überrascht." Dann wandte er sich an Simons rothaarige Shadowhunter Freundin.  ,,Und hör auf, hier reinzuplatzen, Clary."  ,,Sorry, Raphael." sagte sie, jedoch klang es nicht besonders aufrichtig.  ,,Wir brauchen Blut."  ,,Das hab ich gehört." Der Vampir grinste.  ,,Menschenblut. Schon witzig: Wenn ihr unsere Hilfe braucht, sind diese Unterweltler-Regeln nicht mehr wichtig. ¡Qué lástima! Nein, das geht nicht." sagte er, während er sich auf einem der goldenen Sessel niederließ. Sofort kam Simon zu ihm, tippte ihm auffordernd an die Schultern und sagte:  ,,Komm mit. Ich muss mit dir reden." Die beiden Vampire stellten sich etwas abseits.  ,,Gestern hab ich Benice getroffen." Raphael nickte und machte ein zustimmendes Geräusch.  ,,Sie hat mitgehört, wie ein paar Vampire über Camille gelästert haben."  ,,Du hast hoffentlich gesagt, dass sie beurlaubt wurde!"  ,,Ja. Ja, das war ihnen egal!" erwiderte Simon.  ,,Sie sagten Camille habe sich Menschen gehalten. Sie hat sich wohl bei ihnen bedient, aber nie bis zum Schluss. Äh-Wie heißen die gleich? Äh- Do....Domini-"  ,,Nicht so laut!" zischte Raphael und zog Simon noch ein Stück weiter nach hinten.  ,,Sie heißen Domestiken." erklärte der Ältere.  ,,Widerwärtige Dinger! Sogar Camille wurden sie zu viel."  ,,Okay, sie . . . sind weg." stellte Simon daraufhin fest.  ,,Aber das wir uns Menschen halten, um manchmal Cocktails zu trinken, verstößt gegen das Abkommen! Camille war selbst das zu wenig, hab ich selbst erfahren. Sie hat bestimmt was auf Eis."  ,,Tut mir leid." sagte Raphael nur.  ,,Wenn du dem Rat stecken willst, dass Camille Menschen aussaugt: In Ordnung. Ich hab jetzt aber das Sagen!"  ,,Ja, damit könntest du dich vielleicht rausreden, aber du warst nicht grade ein . . . naja, Beobachter in meinem Fall."  ,,Darüber wurde schon alles gesagt!" giftete Raphael, doch Simon verschränkte bloß die Arme und zog fragend die Augenbrauen zusammen.  ,,Wirklich? Komisch; ich kann mich an gar kein Gespräch erinnern!" entgegnete er sarkastisch, ehe er sich an Clary wandte:  ,,Hey, hast du dem Rat von mir und Camille erzählt-"  ,,Das geht nicht!" unterbrach der Ältere ihn.  ,,Ich wäre der Beihilfe schuldig."  ,,Dann hilf uns!" warf die Rothaarige ein. Einen Moment war es still zwischen den dreien, ehe Clary einen Schritt nach vorne trat und eindringlich wiederholte:  ,,Raphael, Jace wird sterben, wenn er kein Blut kriegt!" Der Vampir sah zwischen den Beiden hin und her. ,,Dass ihr mir sowas antut, unfassbar!" sagte er mit einem etwas melodramatischen Unterton.  ,,Erpressung!"  ,,Spar dir das." meinte Simon nur.  ,,Leichter wirst du nicht davonkommen." Im Vorbeigehen streifte Raphael den Frischling nochmal etwas unsanft an der Schulter, ehe er zu dem Schalter neben einem riesigen Portrait ging. Nach einem letzten Blick über die Schulter tippte er den Zahlencode ein und das Portrait fuhr nach oben. Dahinter befand sich ein riesiger Vorrat an Blutbeuteln.  ,,Welche Blutgruppe?" fragte der Vampir und verschränkte die Arme vor der Brust.  ,,Gruppe Null." antwortete Simon direkt und fügte etwas leiser hinzu:  ,,Die kann jeder kriegen." Raphael schloss das Versteck wieder und drückte Clary zwei Beutel in die Hand. Sie bedankte sich und nickte Richtung Ausgang.  ,,Los geht's, Simon."  ,,Ja, nicht so voreilig!" hielt Raphael die beiden Freunde auf.  ,,Gefällt mir gut, wie du hier gerade verhandelt hast." sagte er zu Simon.  ,,Du solltest bleiben."  ,,Ich bin Botschafter bei den Werwölfen." erwiderte der Frischling daraufhin.  ,,Das nimmt viel Zeit in Anspruch."  ,,Diese Last nehm' ich gern von deinen Schultern." Raphael grinste.  ,,Denn hiermit wirst du abgezogen. Du berätst jetzt den Interimsvorsitzenden dieses Chapters." Simon seufzte, woraufhin der Ältere nur meinte:  ,,Beschwer dich nicht." Dann wandte er sich an Clary:  ,,Mein neuer Berater muss hier bleiben."  ,,Schon okay." meinte Simon zu ihr.  ,,Geh ruhig." Clary bedankte sich noch ein letztes Mal und verschwand dann endlich. Kaum war sie aus der Tür drehte Simon sich genervt zu dem Älteren um und fragte:  ,,Bei was genau soll ich dich denn beraten?"  Raphael zuckte mit den Schultern.  ,,Nichts. Du sollst nur endlich aufhören mit diesen Shadowhuntern rumzuhängen."  ,,Ich dachte, du wolltest mit ihnen zusammenarbeiten?"  ,,Ich will sie nicht provozieren." verbesserte Raphael ihn.  ,,Da ist ein deutlicher Unterschied."  Simon verdrehte die Augen und murrte:  ,,Also, häng ich für nichts hier rum!"  ,,Na, ja..." machte Raphael und ließ sich auf die Couch fallen.  ,,Du könntest dich ja mit Lily unterhalten. Ich hab gehört, ihr habt euch angefreundet?" Wie aufs Stichwort kam besagte Vampirin die Treppe hinunter und betrat den Raum.  ,,Ja, oder wir könnten uns alle drei unterhalten." sagte sie und ließ sich neben dem Vampir auf der Couch nieder. Sie warf Raphael einen Blick zu, als er nicht antwortete. Seufzend nickte er schließlich und bat Simon den freien Platz neben sich an.  

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt