XVII.

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,,Weißt du eigentlich, wie viel ich meiner Mutter und meiner Schwester vorlügen musste, damit ich wieder hier wohnen kann?!" fragte Simon aufgebracht.  ,,Ach, ich bitte dich!" erwiderte Raphael nur.  ,,Das hätte sowieso nicht funktioniert. Früher oder später hätte eine der Beiden bemerkt, dass du weder Nahrung zu dir nimmst, geschweige denn bei Tageslicht einen Fuß vor die Tür setzt. Und wie du siehst, vertragen sie die Wahrheit nicht. Also hör schon auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen und bring deine Sachen ins Hotel." Simon sah den Vampir einen Moment entsetzt an, ehe er erwiderte:  ,,Ins Hotel? Du hast meine Mutter erst bedroht und dann ihr Gedächtnis gelöscht und jetzt soll ich mit dir unter einem Dach wohnen?!" Raphael erwiderte nichts, woraufhin Simon einfach nur ungläubig den Kopf schüttelte und anfing, seine Sachen zusammenzuräumen. Er bemerkte erst nicht, dass er weinte, bis ein roter Tropfen auf seiner Hand landete. ,,Woah!" machte er. ,,Was zum Teufel?!" Er wischte sich übers Gesicht und sah sich anschließend seine Hände an. ,,Was ist . . . Warum sind . . .?!" stotterte er. ,,Beruhig dich, Frischling." erwiderte Raphael. ,,Vampire weinen Blut. Das ist ganz normal."  ,,Normal?!" rief Simon aufgebracht aus. ,,Gar nichts hier ist normal! Meine Schwester hat Blut in meinem Zimmer gefunden, meiner Mutter wurde das Gedächtnis gelöscht, ich bin tot, genauso wie-" Er unterbrach sich selbst, als er wieder an das Telefonat mit Clary denken musste. Sie hatte bitterlich geweint, als sie ihm erzählt hatte, dass ihre Mutter gestorben war. Simon war bisher noch nicht dazu gekommen, um sie zu weinen. Er musste stark sein, für seine beste Freundin. ,,Wer?" fragte Raphael vorsichtig. ,,Wer ist tot?" Simon rieb sich durch die Augen. ,,Jocelyn." sagte er leise. Da spürte er Raphaels Hand auf seiner Schulter und machte zwei Schritte zurück. ,,Nein, bitte." murmelte Simon. ,,Ich kann nicht . . . Ich muss..." Er atmete zittrig ein. ,,Falls du mich suchst, ich bin im Bootshaus." sagte er, nahm seine Tasche und drehte sich zu Raphael um.  ,,Aber bitte such nicht nach mir." Damit ging er an dem Älteren vorbei, ohne sich nochmal nach ihm umzudrehen. 

Simon wusste, dass Raphael nur versuchte seine Leute zu beschützen; so viel hatte er inzwischen verstanden. Doch er konnte sein altes Leben, seine Familie, doch nicht einfach aufgeben und vergessen! Seine Mutter und seine Schwester brauchten ihn. Jedoch musste er Raphael in einer Sache recht geben: Es wäre sowieso nicht gut gegangen.

 Frustriert ging er zum Jade Wolf und legte seine Tasche im Bootshaus ab. Erst da bemerkte er, wie ausgelaugt er eigentlich war. Gerade als er sich dazu entschied, Clary im Institut zu besuchen, fielen ihm Aldertrees neue Regeln wieder ein. Doch er brauchte gerade seine beste Freundin, also rief er sie einfach an. Träge erzählte er ihr, eine vage Geschichte, vonwegen er hätte etwas Schlimmes gemacht und lebte jetzt wieder im Bootshaus. Anfangs klang sie bestürzt über Simons Situation, dann war sie wütend auf den Rat und dann erzählte sie Simon, dass Luke verschwunden war. Er versicherte ihr, dass er mit den Werwölfen reden würde, doch Alaric weigerte sich, nach seinem Rudelführer zu suchen. Anstatt Simon zu helfen warf er Simon sogar aus dem Bootshaus. Frustriert ging er zurück und fing an, erneut seine Sachen zu packen. Als er die Tür hörte seufzte er. ,,Ich hab's verstanden, Alaric!" rief er von seinem Kanu aus. ,,Ich verschwinde, bin fast fertig." ,,Sieht aus, als wärst du grade erst eingezogen." erwiderte eine weibliche Stimme. Verwirrt hielt Simon einen kurzen Moment inne, warf schließlich aber seine Tasche hinunter und sprang hinterher. Vor ihm stand eine hübsche dunkelhäutige Werwölfin mit braunen Locken und einem frechen Grinsen. ,,Du schläfst in 'nem Kanu?" fragte sie. ,,Ja... Ja. Orthopedisch nicht grade optimal," stotterte Simon. ,,aber bequemer als ein Sarg. Allerdings hab ich nie in einem geschlafen, also würd ich . . . Zuhause hab ich Memoryschaum, den ich echt vermisse. Den hat . . die NASA entwickelt; kann ich wärmstens empfehlen. Aber du... Du bist bestimmt nicht auf der Suche nach einem Bett also . . . Vergiss es." ,,Redest du immer so viel?" war alles, was das Mädchen erwiderte. ,,Wenn ich nervös bin." ,,Warum bist du denn nervös?" Ein leichtes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus und Simon war froh, dass Vampire nicht rot werden konnten. ,,Das ist wohl einfach mein Naturell." meinte er. Die beiden stellten sich vor und Simon packte seine Sachen weiter. ,,Ich hab dein Gespräch mit Alaric mitgekriegt." erklärte das Mädchen, Maia, wie Simon nun wusste. ,,Woher kennst du Luke?"  ,,Wir kennen uns schon ewig." erzählte Simon. ,,Er ist wie ein Vater für meine Freundin Clary. Und er coachte mein Little League Team."  ,,Auch wenn das Rudel jetzt aufhört nach Luke zu suchen, ich nicht." Maia klang selbstsicher und überzeugt, was Simon ein bisschen Mut gab. Erst weigerte das Mädchen sich, mit Simon zusammen zu suchen, einigte sich jedoch am Schluss darauf, mit ihm zu kommen unter der Bedingung, dass sie nur das Nötigste miteinander sprachen. Im Auto kamen sie jedoch ins Gespräch und Simon erwähnte, dass er Mist gebaut hatte. Sofort fragte Maia interessiert: ,,Was ist passiert?" Peinlich berührt antwortete Simon nicht. ,,Oh, jetzt bist du still?" Maia gluckste amüsiert. ,,Hör zu, ich hab selbst so einige schlimme Dinge durchgemacht also, ich versteh dich."  ,,Was denn?" fragte Simon leise. Maia zögerte einen Moment, lachte schließlich jedoch nervös und meinte: ,,Okay, ich hab das noch nie jemandem erzählt, aber. . . Kennst du diesen Albtraum, dass man nackt in der Schule auftaucht?" Simon machte ein zustimmendes Geräusch und musste leise lachen. ,,Nun ja, nach einer ungeplanten Verwandlung kam ich dann splitterfasernackt zu spät zur Mathestunde." ,,Nein!" machte Simon halb geschockt, halb amüsiert. ,,Das war der Horror!" lachte Maia. Nun war Simons Interesse geweckt und er fragte: ,,Was hast du gemacht?"  ,,Ich hab mich in 'nem leeren Klassenraum versteckt und glücklicherweise fand ich 'ne peinliche Uniform zum Anziehen." erzählte die Wölfin. ,,Aber im Nachhinein wäre es wahrscheinlich weniger peinlich gewesen, einfach splitternackt zu sein." Die Beiden lachten. Schließlich erzählte Simon ihr die Geschichte und Maia war nicht angewidert, im Gegenteil: Sie lachte. Es dauerte eine Weile, bis sie Luke gefunden hatten, doch schließlich stand Simon vor ihm und versuchte ihn mit Geschichten aus seiner Kindheit zu beruhigen. Er erzählte von ihm, Clary und Jocelyn. Es funktionierte und Luke bekam allmählich wieder die Kontrolle über seinen Körper. Simon und Maia überredeten den Rudelführer wieder dazu nachhause zu kommen und Simon rief Clary an. Während die drei auf Clary warteten unterhielt Simon sich mit Maia.  ,,Unglaublich fast wäre ich auf Lukes Teller gelandet!"  ,,Bei einem Wolf seiner Größe nur als Hors-d'œuvre." erwiderte Maia. Simon seufzte. ,,Mann, ich vermisse Hors-d'œuvre." Maia stöhnte frustriert auf und sagte: ,,Ich vermisse Schokolade! Aber seit meiner Verwandlung muss ich davon kotzen."  ,,Das ist furchtbar." lachte Simon und sein Gegenüber stimmte ihm zu. Dann wurde das Mädchen jedoch etwas ernster. ,,Simon, was du da mit Luke gemacht hast," meinte sie. ,,das hat mich wirklich begeistert. Das war echt 'ne Nummer!" ,,Wirklich?" fragte Simon. ,,Ich glaub ich hab noch nie jemanden begeistert."  ,,Na klar hast du das schon!"  ,,Nein, nein." lachte Simon. ,,Fast kam's mal dazu, aber ich hab's vergeigt."  ,,Komm schon." lachte Maia. ,,Das kann doch nicht sein!" Die Beiden witzelten noch ein wenig herum, da hörte Simon Clarys Stimme. Er sah auf und beobachtete, wie Luke und Clary sich umarmten.

Simon mochte Maia. Sie war cool, gelassen und sie kam mit seinem Gequatsche aus. Also wollte er sich nächste Nacht mit ihr in einer Bar treffen. Er war gerade dabei sich fertig zu machen, da klopfte es an seiner Tür. Nur in einer Hose gekleidet ging er hin und öffnete. ,,Lily..." sagte er verwundert. ,,Was machst du hier?"  ,,Ich wünsche dir auch einen schönen Abend, Frischling." erwiderte die Vampirin. Sie hatte ihre schwarzen Haare geglättet und trug ein schwarzes Kleid, dass ihr bis zu den Knien reichte. ,,Darf ich reinkommen?" Simon machte einen Schritt zur Seite und schloss die Tür hinter Lily. ,,Um deine Frage zu beantworten," sagte sie während sie sich umsah. ,,Raphael hat mich gebeten, nach dir zu sehen. Eigentlich hat er mich auch gebeten dir nicht zu sagen, dass er mich geschickt hat, aber ich finde, das solltest du wissen."  ,,Warum kommt er nicht einfach selbst?" Lily blieb stehen und drehte sich um. ,,Du hattest ihn doch gebeten, dich nicht aufzusuchen."  ,,Ach, ja..." murmelte Simon und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Lily machte weiter mit ihrer Erkundungstour und sagte: ,,Raphael meinte, du hast geweint, allerdings wollte er mir nicht sagen wieso. Er meinte, es ginge uns nichts an und dass ich dich fragen solle." Simon räusperte sich. ,,Jocelyn ist . . ." Er brach ab, jedoch schien die Frau ihn verstanden zu haben, denn sie nickte. ,,Mein aufrichtiges Beileid. Ist den Umständen entsprechend sonst alles in Ordnung? Mal von der Tatsache abgesehen, dass du in einem Boot schläfst."  ,,Kanu." erwiderte Simon fast schon automatisch. Die Vampirin zog nur eine Augenbraue hoch. ,,Es-.. Es ist ein Kanu . . . Vergiss es." Einen Moment war es still, ehe Simon sich zusammenriss und sich traute zu fragen: ,,Warum hat Raphael dich geschickt?"  ,,Willst du wissen, was er gesagt hat oder was ich denke?" erwiderte Lily mit einem leicht spöttischen Unterton, woraufhin Simon verwirrt die Augenbrauen zusammenzog.  ,,Er meinte, da du immer noch zu unserem Clan gehörst will er sicher sein, dass du noch nicht von einem Werwolf aufgefressen wurdest." seufzte Lily. ,,Obwohl ich eher glaube, dass er sich ernsthaft Sorgen um dich macht. Oder er vermisst dich."

Der Abend mit Maia verlief eher weniger gut, nachdem Jace ihm ein paar Tipps gegeben hatte, am Ende jedoch entschuldigte er sich und Maia akzeptierte seine Entschuldigung. Doch selbst jetzt als er hier mit ihr am Tisch saß konnte er nur daran denken, was Lily gesagt hatte. Machte Raphael sich wirklich Sorgen um ihn? Da saß ein unglaubliches Mädchen vor ihm, verdammt nochmal! Und selbst bei seiner Entschuldigung ließ er sich ablenken.  ,,... Und das ist scheiße, denn du bist intelligent und witzig und du verstehst, was es heißt ein Unterweltler zu sein. Dabei wollte ich mir heute doch nur selbst irgendwie beweisen, dass-..." ,,Du nicht in deine Beste Freundin verliebt bist?" Verdattert sah Simon auf.

Eigentlich hatte er gerade nicht an Clary gedacht. Er war nicht blöd, ihm war aufgefallen, dass er in letzter Zeit viel an Raphael gedacht hatte. Auch waren ihm seine Reaktionen aufgefallen, wenn der Vampir ihn berührte oder ihm zu nahe kam. Er wurde auf eine seltsame Weise nervös und er konnte sich nur denken, was das bedeuten konnte. Doch er wollte es einfach nicht glauben. Er war schon sein ganzes Leben in Clary verliebt gewesen und jetzt kommt irgend so ein Typ vorbei und soll seine gesamte Gefühlswelt über den Haufen werfen? Nein. Das konnte nicht sein. Alles hatte sich verändert, aber seine Gefühle für Clary waren schon immer die gleichen. Und so würde das auch bleiben.

,,Das hab ich mir anders vorgestellt." murmelte Simon jedoch nur.

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt