XXXVII.

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Eine angespannte Stille hing in der Luft. Die vier Shadowhunter, Raphael, Simon, Lily und Magnus saßen zusammen am schwarzen Tisch im dritten Wohnraum.  ,,Ich dachte wirklich, dieser ganze Mist wäre vorbei." sagte Simon leise und schaute in sein Glas.  ,,Das dachten wir alle." entgegnete Lily. Raphael konnte deutlich sehen, wie Simon die Zähne zusammen biss. Sanft legte Raphael seinem Freund die Hand auf die Schulter, doch dieser sah ihn nicht mal an. ,,Wir brauchen einen Plan." entschied der Tageslichtler schließlich. ,,Die Schlacht haben wir vielleicht gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht vorbei. Also müssen wir weiter kämpfen."  ,,Simon hat recht." sagte Isabelle. ,,Jetzt da es einen Angriff auf das Institut gegeben hat, haben wir einen Grund, die anderen Shadowhunter mit ins Boot zu holen, ohne ihnen von dem himmlischen Feuer erzählen zu müssen. Wir wären viel mehr Soldaten und hätten bessere Ausrüstung." Raphael sah in die Runde. Die Shadowhunter nickten, Magnus sah etwas skeptisch drein und Lily blinzelte ihn müde an. Schließlich stand Alec auf und verkündete: ,,Alles klar. Jace, Isabelle, Clary und ich gehen zum Institut und machen die Shadowhunter kampfbereit." ,,Gut." nickte Simon. ,,Dann übernimmt Magnus wieder das Orten?" Magnus nickte. ,,Und wir drei trommeln die Vampire und die Hybriden zusammen." Simon sah zu Raphael und Lily hinüber. Lily nickte, woraufhin die Anderen sich erhoben und sich auf den Weg Richtung Ausgang machten. Gerade als Lily ebenfalls aufstehen wollte, hielt Raphael sie am Arm fest und meinte: ,,Du gehst erstmal ins Bett."  ,,Es geht mir gut." erwiderte sie, Raphael sah ihr jedoch deutlich an, dass das nicht stimmte.  ,,Nein, tut es nicht. Geh schlafen. Simon und ich trommeln die Hybriden zusammen. Die Vampire können später zu uns stoßen." Es dauerte ein wenig, bis Raphael sie überredet hatte, doch schließlich gab Lily nach und ging zu Bett. In der Küche hatte sich die Lage währenddessen wieder beruhigt.  ,,Okay, Folgendes:" rief Raphael über die plappernde Menge hinweg. Augenblicklich wurde es still.  ,,Wir werden die restlichen Überlebenden jagen und ihnen ihre gerechte Strafe zuteil werden lassen. Die Jagd beginnt bei Anbruch der Dunkelheit; so haben wir genug Zeit uns vorzubereiten. Solltet ihr nicht nochmal gegen eure Entführer kämpfen wollen; was keinesfalls verwerflich wäre; so könnt ihr auch hier bleiben und das Hotel bewachen. Jeder der sich an der Jagd beteiligen möchte, folgt mir nun in den ersten Wohnraum." Der Latino wollte gerade loslaufen, als Simon ihn am Arm festhielt und sagte:  ,,Ich ruf Maia an, vielleicht bekommen wir ja Unterstützung von den Werwölfen." Raphael nickte.  ,,Gut." 

 Der Großteil der Hybriden erklärte sich mit Freuden dazu bereit, bei der Jagd zu helfen, sodass abends sechs große Gruppen, gemischt aus Hybriden, Werwölfen, Shadowhuntern und Vampiren durch New York zogen.  ,,Und du bist dir sicher, dass sie hier in New York sind?" fragte Simon, woraufhin Isabelle etwas zusammenzuckte.  ,,Ja." antwortete sie leise.  ,,Diese Frau war zwar irre, aber auch ziemlich dumm. Hat mich breit angegrinst und gesagt, wie dämlich wir doch wären, dass wir nicht mal bemerkt hätten, wie sie direkt unter unserer Nase lebten."  ,,Unter unserer Nase?" fragte Raphael und hielt inne.  ,,Ja, wieso?" fragte Isabelle, die nun ebenfalls stehen geblieben war. Simon schien den selben Gedankengang gehabt zu haben, wie er, denn er sagte:  ,,Die Kanalisation!" Alle hielten einen Moment inne, ehe Isabelle schließlich los rannte und rief:  ,,Folgt mir." Sie liefen ein paar Straßen weiter, bogen schließlich in eine Seitengasse ein und Isabelle öffnete eine Falltür im Boden.  ,,Bingo." sagte sie und hielt etwas schwarzes nach oben.  ,,Stoff?" Raphael zog die Augenbrauen zusammen, doch Isabelle klärte ihn schnell auf, während sie ihr Handy aus der Jackentasche fischte:  ,,Ein besonderes Leder, das nur für die Herstellung von Schattenjäger-Monturen verwendet wird." Schnell tippte sie auf ihrem Handy herum, ehe sie es wieder einsteckte.  ,,Die Anderen wissen bescheid, wo sie suchen müssen."  ,,Na, dann los!" sagte Jack und sprang ohne Weiteres die Falltür hinab. Isabelle folgte ihm, den Rest der Truppe dicht auf den Fersen.  ,,Okay, die Kanalisation ist um einiges komplizierter als die Straßen," erklärte Isabelle schließlich, als alle unten waren. ,,aber keine Sorgen, ich kenn mich hier unten aus. Allerdings werden wir viel mehr Truppen brauchen. Deshalb trennen wir uns. Die Hälfte geht gerade aus und die andere Hälfte folgt mir." Isabelle bog mit einer Hälfte der Gruppe nach Links ab, während der Rest der Gruppe Raphael geradeaus folgte. Sie liefen eine Weile umher, als plötzlich ein Shadowhunter vor ihnen auftauchte und mit einer Seraphklinge auf die Gruppe losging. Nicht lange und das ganze war in einen Kampf gegen mehrere von ihnen ausgeartet. Raphael kämpfte mit Klinge, Füßen und Klauen, als er plötzlich den Boden unter sich verlor. Mit einer enormen Geschwindigkeit wurde er durch die Luft gewirbelt, ehe er schließlich auf kaltem hartem Boden landete. Doch lange blieb er nicht dort liegen. Kurz darauf packten ihn zwei Männer und rissen ihn auf die Füße, ehe einer von ihnen ihm ein Messer an den Hals hielt. ,,Du kommst jetzt schön mit, verstanden?" Die beiden Shadowhunter brachten ihn in eine Art unterirdisches Gefängnis, wo sie ihn in eine Zelle warfen. Raphael nahm sich einen kurzen Moment, um sich zu orientieren. Er war in einer Zelle aus hartem Metall, um ihn herum waren weitere Zellen mit Menschen darin. Nein, keine Menschen... Hybriden! Einige davon glaubte Raphael sogar wiederzuerkennen. Bei genauerem Betrachten erkannte er eigentlich alle wieder. Eine unglaubliche Wut kochte in ihm hoch und seine Fangzähne brachen schmerzhaft durch sein Zahnfleisch. Doch er versuchte sie zurück zu drängen, schließlich wollte er den Anderen keine Angst einjagen. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

du kannst sie nicht kontrollieren

Wenn dich intensive Emotionen überkommen

Reflex

Magnus glaubt, dass du deine Vampir-Fähigkeiten nicht steuern beziehungsweise bewusst einsetzen kannst. Dein Dämonenblut und das himmlische Feuer würden gegeneinander arbeiten und dein Körper würde das nicht verkraften können. Deshalb wurdest du wahrscheinlich auch ohnmächtig, als du es versucht hast.

Sein Dämonenblut und das himmlische Feuer reagieren beide, wenn er versucht, sie zu kontrollieren, wobei sie versuchen, sich gegenseitig zu vernichten. Doch wenn er versuchen würde, sie nicht zu kontrollieren . . .
Wenn er, anders als vorher, seinen Körper alleine arbeiten lassen würde . . .

Raphael schloss die Augen und konzentrierte sich auf seine Wut.

Sie haben deine Leute.

Sie haben Simon.

Sie haben deine Familie!

Er spürte kaum, mit welcher Brutalität seine Fänge und Klauen hervorsprangen.

Diese dreckigen Shadowhunter haben deine Familie!

Er schloss seine Hände um die Gitterstäbe.

DEINE FAMILIE!

Mit einem Ruck riss Raphael beide Gitterstäbe aus Decke und Boden, ehe er hinaustrat; Fänge und Klauen präsent, Augen strahlend gold und sein Körper zum Töten bereit. Es fiel ihm schwer, sich auf etwas anderes als den Geruch von Engelsblut zu fokussieren, doch irgendwie schaffte er es, zur nächsten Zelle zu torkeln und auch deren Tür aus den Angeln zu brechen. Ohne Weiteres ging er in Richtung Tür, die er ebenfalls komplett herausriss und hinter sich warf. Er achtete auf Nichts mehr. Er hatte nur ein Ziel: Shadowhunter töten, Familie retten. Knurrend ging er schnellen Schrittes den dunklen kalten Flur entlang. In dem Moment als er den ersten Shadowhunter vor sich hatte, ließ ihn seine Kontrolle komplett im Stich. Es war, als würde er nur zusehen, wie er selbst die Waffe des Mannes an der Klinge packte, sie ihm aus der Hand riss und ihm mit der anderen Hand den Hals umdrehte. Die folgenden Shadowhunter ereilte ein ähnliches Schicksal. Doch bei einer Person schrien ihn plötzlich alle seine Sinne an, inne zu halten. Als Raphael erkannte, wer da vor ihm stand, verließen ihn vor Schock alle Kräfte. Seine Klauen schrumpften, seine Fangzähne fuhren zurück und seine Augen färbten sich wieder braun. Noch immer schockiert sah er seinen Gegenüber an. ,,Camille?!"  Die Vampirin sah voller Abscheu auf ihn hinab. ,,Raphael."  ,,Was zur Hölle machst du hier?" knurrte der Latino. Als Camille nicht antwortete, überkam Raphael wieder die Wut. Seine Augen fingen an, golden zu leuchten und er drückte die Ältere instinktiv an die Wand. ,,Was machst du hier?!" fragte er erneut. ,,Ich suche einen Weg aus dieser Hölle, du Idiot!" schrie die Schwarzhaarige und schubste Raphael von sich weg. ,,Wurdest du auch verwandelt?"  ,,Nein, wurde ich nicht, du dummes Kind!" zischte Camille. ,,Ich bin noch immer ein Vampir!"  ,,Du hörst dich frustriert an." entgegnete Raphael spöttisch. ,,Ich dachte du magst dieses Leben."  ,,Welches Leben?! Das Leben, in dem ich immer älter werde und zusehen darf, wie alles um mich herum verfällt?! In dem ich von meinem Clan in einen Sarg und dem Mann, dem ich einst das Leben rettete, in einen Käfig gesperrt werde?! In dem ich alles verlor, was mir jemals wichtig war?! Nennst du das etwa ein Leben? Dachtest du, nur weil ich alles getan habe, um mein eigenes Überleben sicherzustellen, sei ich ein gefühlsloses Stück Eis?" erwiderte die Vampirin kalt. ,,Wenn du das wirklich glaubtest, dann bist du noch naiver als ich dachte!" Einen kurzen Moment war es unerträglich still. ,,Du hast das alles hier auf die Beine gestellt." erkannte Raphael dann.  ,,Das himmlische Feuer, die Hybriden . . . Das ist dein Werk! Und wofür das alles? Macht?!" ,,Macht?!" Camille lachte freudlos auf. ,,Hier geht es um nichts dergleichen. Ich wollte wieder ein Mensch sein, Raphael! Ich wollte wenigstens ein Stück meines alten Lebens zurück. Aber die Versuche sind gescheitert. Alles, was ich habe sind wertlose Halbwesen!" Doch Raphael schüttelte den Kopf. ,,Das ergibt keinen Sinn. Die Aldertrees-"  ,,Die Aldertrees haben eine Vereinbarung mit mir geschlossen: Sie machen mich zum Menschen und ich verrate ihnen, wie sie die Unterwelt ein für alle Mal auslöschen können. Natürlich hatte ich weder damals noch heute irgendeine Ahnung, wie das gehen sollte. Aber sobald ich ein Mensch wäre, dürfte mir sowieso kein Shadowhunter etwas zuleide tun. 'Töte die Dämonen, schütze die Menschen.' ; Das war ihr Eid." Raphael schaute die Vampirin ungläubig an. Da durchbrach plötzlich ein lauter Knall die Stille und Raphael zuckte zusammen. Im nächsten Moment war Camille verschwunden.

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt