ℕ𝕠𝕔𝕙 𝟛𝟞𝟛 𝕋𝕒𝕘𝕖

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Oh, it's such a shame for us to part
Nobody said it was easy
No one ever said it would be so hard
I'm going back to the start

~ Coldply, The Scientist

~ Coldply, The Scientist

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10. Kapitel

Am ersten Nachmittag habe ich nach Würfeln für Satzglieder gesucht, anstatt meine Hausaufgaben zu machen. Ich habe sie ausgeschnitten, angemalt und zusammengeklebt, bis ich festgestellt habe, wie viel Zeit das gerade verschwendet hat. All die Arbeit, die im Mülleimer landet, lässt mich realisieren, dass ich ein weitreichendes Problem habe.

Zwei Tage später versuche ich, die Last auf meinen Schultern hinter mir zu lassen. Der Flyer im Briefkasten scheint eine Art Nachricht des Schicksals gewesen zu sein, die Liebe zur Poesie in mir wieder zu entfachen. An meine neue Rolle muss ich mich erst noch gewöhnen. Vielleicht helfen mir Gedichte dabei.

Beim Betreten des Klassenraums der 7c bewahrheiten sich meine Befürchtungen. Kaum jemand verbringt seine Freizeit in einer AG, wo Gedichte geschrieben werden. Damals habe ich das Angebot selbst nicht wahrgenommen, aus Angst als noch uncooler abgestempelt zu werden.

Kurz überlege ich, den Raum zu verlassen, nicht weil Schreiben uncool ist, sondern weil die Privatsphäre bei nur fünf Teilnehmern nahezu nicht vorhanden ist. Frau Nickel wird in jeder Stunde von jedem Einzelnen von uns verlangen, unser Geschreibsel zu präsentieren. Das, was ich zu verarbeiten habe, sollte besser niemand hören.

Immer wieder huscht mein Blick zur Uhr rüber. Drei Minuten vor Beginn der AG sitzen weiterhin nur fünf mir unbekannte Schüler im Raum. Statt sich miteinander zu unterhalten, kritzeln sie auf ihren Blättern herum. Obwohl sie jeden Mittwochnachmittag zusammen verbringen, kennen sie sich wohl kaum – und das trotz all der Gemeinsamkeiten, die sie teilen.

Das ist der Moment, wo ich mich frage, warum ich nicht stumm und leise in meinem Zimmer mit dem Schreiben beginne. Bevor die Leiterin den Raum betritt und mir jede Chance auf einen Ausweg verwehrt, greife ich zum Griff meines Rucksacks. So hastig, wie ich mich erhebe, stolpere ich beinahe über die Träger der Tasche. Ich strauchele, fange mich aber rechtzeitig.

Zur vollen Größe aufgerichtet, sehe ich, dass sich der Raum um ein weiteres Mitglied gefüllt hat. Die Person, auf die ich hinabblicke, erwidert meinen Blick mit entgeisterter Miene. Oh Gott.

»Was machst du denn hier?«, herrscht sie mich an. Vor ein paar Tagen hat sie auf dem Stuhl meines Klassenzimmers gesessen, mit einer völlig anderen Haltung, weshalb ich anzweifele, dass das hier wirklich ein und dieselbe Maren ist. Ihre aufblondierten Haare sind so glatt, ich erkenne keine einzige Kräuselung. Statt dem Piercing in der Nase trägt sie eine fette Schicht Make-up im Gesicht.

Hat sie sich im Raum geirrt? Ich kann nicht glauben, dass jemand, der die Schuld bei anderen Kindern sucht, statt die eigene Erziehung in Frage zu stellen, zu tiefgründigen Worten greift. Warum meine Anwesenheit sie so aufregt, liegt auf der Hand. Sie verheimlicht dem Rest der Klasse, dass sie in ihrer Freizeit Gedichte schreibt, und befürchtet nun, ich könne plaudern. Diese Angst möchte ich ihr nehmen, leider finde ich die Worte nicht. Zu grotesk ist der Gedanke, Maren mache hier ernsthaft mit.

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