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»Hey! Die Karte hat dir nichts getan! Wie gesagt, ich kann es erklären«, versuchte Tyler mich zu beruhigen. Damit brauchte er mir gar nicht zu kommen. Er wusste genau, was mir dieser Tag bedeutete. Freya hinter Tyler, hatte sich glücklicher Weise wieder angezogen. Gut, im Nachhinein hätte ich hier nicht einfach so hereinplatzen sollen. Aber es ist heller Tag, wer hätte denn ahnen können... Naja, egal.

»Es geht doch gar nicht darum, oder? Du bist einfach gera-de nur auf die ganze Welt sauer, weil es mit der Musik nicht so klappt, wie es eigentlich sollte«, vermutete Freya. Wenn sie nur wüsste... Nicht nur, dass es nicht so richtig klappen wollte. Sie hatten uns gefeuert! Aber das musste sie ja erstmal nicht wissen.

Ich brummte zur Antwort schlicht weg: »Was könnte wichtiger sein...?«

»Wenn wir es dir verraten, versprichst du es für dich zu behalten?«, fragte Tyler. Ein Geheimnis? Oh, jetzt wurde ich aber neugierig.

»Natürlich. Ihr wisst doch, wie gut ich dicht halten kann.«

Tyler griff nach Freyas Hand und grinste mich breit an. »Wir haben uns spontan dazu entschieden zu heiraten. Und... naja... wir wollten gerne ein besonderes Datum wählen, also...« Weiter konnte er nicht sprechen, denn im nächsten Augenblick hatte ich meine Arme fest um die beiden geschlungen.

»Ich freue mich ja so für euch beide, wisst ihr das?« Dass mir jetzt die Tränen kamen, konnte ich einfach nicht ver-hindern. Sie hatten ihr für immer bekommen. Und das sollte man nicht für selbstverständlich ansehen, denn nicht jeder hatte dieses Glück auf der Welt.

»Dann sind wir also entschuldigt?«, fragte Freya grinsend, woraufhin ich nickte. Schnell hob ich die Karte auf, die ich vorhin so unsanft durch die Gegend geschleudert hatte. Dass ich jetzt gerade eine Karte anstatt einer Uhr in den Händen hielt, war alleine meine Schuld. Das war mir bewusst. Aber so war es jetzt nun mal. Ich hatte mich für diese Zukunft entschieden, weil ich nun mal nur ein Mensch war. Wir wollten keinen Schmerz fühlen. Es ist ganz natürlich, versuchte ich mir einzureden.

»Ich sollte dann wohl wieder gehen. Dann viel Spaß noch«, sagte ich grinsend. Sie hatten so viel Glück, da könnte man glatt neidisch werden. Die nächste Straßenbahn brachte mich dann nach Hause. Heute sollte ein wundervoller Tag werden. Wie sollte ich die Kündigung dann nur am besten auf den Tisch bringen? Ich wollte diesen perfekten Tag nicht verderben.

Da stand ich also vor der Haustür, den Schlüssel bereits in der Hand. Nein, jetzt noch nicht. Ein paar Stunden ließ ich ihm noch. Ich sollte jetzt Caroline besuchen. Sie wohnte ja nur zwei Straßen weiter. Da brauchte ich nicht mal die Bahn nehmen. Schnell wählte ich ihre Nummer. »Hey Caro!«, begrüßte ich sie munter.

»Caro? Du nennst mich nie Caro. Was ist denn los? Ich komme ja nächste Woche zu der Feier, keine Sorge.«

»Bist du Zuhause? Ich würde gerne vorbei kommen.«

Eine Weile war es still am anderen Ende der Leitung. Dann meinte sie: »Klar, kannst du. Ashley ist aber da.«

»Okay«, murmelte ich und dann legte ich einfach auf. Ver-dammt. Ashley David. Egal wohin mich die Zeit brachte, ich würde sie wohl immer hassen. Ich atmete einmal tief durch. Was jetzt? Sollte ich meiner Schwester dennoch einen Besuch abstatten?

Ich ging alles noch mal genau durch. Und damit meine ich nicht nur dieses Leben, ich meine alle Leben. Dass all das eine Katastrophe darstellte, konnte ich wohl nicht mehr leugnen. Doch dafür trug Ashley keine Schuld, sondern ich, ich allein. Ehe ich weiter darüber hätte nachdenken können, trugen mich meine Füße Richtung Highstreet. Dann drückte ich die Klingel.

»Jamie? Du bist tatsächlich gekommen?« Caroline schaute mich unglaubwürdig an.

»Sieht so aus. Könnte ich wohl mal mit Ashley unter vier Augen sprechen?« Diese Bitte verwirrte Caroline anschei-nend noch mehr. Trotzdem nickte sie und bat mich hinein. »Sie ist oben. Ich warte solange hier.«

Nervös stieg ich die kleine Holztreppe zu Carolines Zim-mer hoch. »Caro, wer war-« Als sie mich an der Türschwelle erblickte, verstummte sie.

»Ich würde mich gerne kurz mit dir unterhalten, Ashley.« Ihre Augen verengten sich, unsicher, was sie davon halten sollte. Verständlich. Ich wusste es ja selber nicht.

Ich setzte mich zu ihr auf das Bett. »Weißt du, Ashley. Ich habe eine blühende Fantasie. Die habe ich wirklich. Und in dieser Fantasie stelle ich mich dich als eine Persönlichkeit vor, die naja... nicht besonders nett ist. Das mache ich andauernd, um mein Verhalten zu rechtfertigen. Aber niemand, außer ich selbst, kann etwas für dieses Verhalten.«

Die Wahrheit konnte ich ihr natürlich nicht erzählen. Den-noch glaubte ich inzwischen, dass das hier die Realität ist und die anderen Zeitdimensionen Teile der Realität waren. Die anderen Alternativen meines Lebens wären realistischer für meine Vorstellungskraft gewesen... ohne Zweifel.

Das dachte ich zumindest bis zu dem Augenblick, als sie uns gefeuert hatten. Da wurde wieder alles so verdammt realistisch. Realistisch und doof. Apropos realistisch und doof... Ashley David starrte mich gerade an, als wäre ich ein Geist oder sonst was. »Sollte das gerade etwa ein Kompliment sein?«

»Also nicht, dass du das jetzt falsch verstehst. Ich mag dich immer noch nicht«, meinte ich grinsend. »Nur... vielleicht könnte ich anfangen wenigstens versuchen, dich zu tolerieren.«

»Jamie und etwas Akzeptieren? Tut mir Leid, aber diese beiden Wörter passen für mich nicht ganz zusammen. Caroline hat mir gesagt, ihr wurdet gefeuert? Das macht dich doch bestimmt wütend, oder? Möchtest du etwas werfen?« In ihrer Hand baumelte plötzlich eine Uhr, die mir nur allzu bekannt vorkam.

»Woher hast du die? Die gehört doch Tyler!«

»Da du sie ja nicht wolltest, hat er mir sie gegeben. Schätze, dass du sie aber doch ganz gut gebrauchen könntest, oder?«

Das erste Mal, dass ich Ashley David tatsächlich Recht geben könnte. Es gab noch so viel, was man verändern könnte und zum Besseren wenden könnte. Grinsend reich-te mir Ashley die Uhr.

Ich betrachtete sie eine Weile. »Selbst wenn ich dich akzeptieren könnte, Ashley, Marlons Musik ist gut! Ende aus, Punkt! Wie kommt man auf die Idee uns einfach zu feuern? Dieses verlogene Miststück!« Wütend schmiss ich Ashley das Ding um die Ohren.

Und dann klingelte das Telefon. »Mrs. Silver? Wir würden gerne einen Termin mit ihnen vereinbaren.« Klar, warum nicht? Hätte sie uns nicht einfach am Telefon kündigen können? »Na fein«, fauchte ich ins Telefon. Hätte ja schlecht was anderes sagen können, immerhin stand es nicht mal fest, ob wir überhaupt gefeuert wurden. Es könnte sich immer noch alles ändern.

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