26 ◄ Mein Regenschirm

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Kennt ihr das, wenn ihr das Gefühl habt, euer Kopf würde explodieren, wenn die Person neben euch auch nur einen Ticken lauter sprechen würde? Nun, ich nicht. Jedenfalls hatte ich es früher nicht in diesem Ausmaß gekannt, wie ich es jetzt miterleben durfte.

Vermutlich wäre das jetzt der Punkt, an dem ich mein Verhalten von gestern Nacht bereuen sollte und mir schwor nie wieder Alkohol zu trinken. Doch es wäre eine Lüge. Egal wie sehr mir mein Kopf jetzt schmerzt, es ist nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die ich verspürte, wenn ich über Marlons Tod nachdachte. Verurteilt mich, aber dank des Alkohols gestern, konnte ich dieses miese Gefühl zumindest für einen geringen Zeitraum ausschalten.

Jetzt allerdings, wurde ich mit der eiskalten Realität überflutet, die sich meine liebreizende Schwester nannte. Caroline zog die Vorhänge beiseite, sodass die Sonnenstrahlen meine Haut berührten. Leider suchten sie sich ebenso den Weg in meine Augen, weswegen ich auch wie nichts Gutes blinzeln musste.

»Wer feiern kann, der kann auch aufstehen, Herzelein.« Nicht mal ein Guten Morgen ihrerseits. Gut möglich, dass sie sauer auf mich war, weil ich zu tief ins Glas geschaut hatte. Man kann wohl sagen, dass ich offiziell fertig mit der Welt bin. Verzweifelt nahm ich mir mein Kissen, um meinen Kopf darunter zu verstecken.

So blieb ich noch eine gefühlte Stunde liegen, reglos und keinerseits fähig mich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Bis Caroline dann erneut auf der Matte stand. »Du bist ja immer noch nicht aufgestanden! Weißt du eigentlich wie spät es ist? Marlon ist gerade gekommen und möchte dich sehen. Aber wenn das so ist, dann muss ich ihn wohl wieder wegschicken.«

Marlon! Egal wie depressiv ich die ganze Welt gerade betrachtete, eine Sache gab es dann doch, die mich aus diesen Bett holen würde. Ich musste jede letzten Momente mit ihm auskosten, denn wer wusste schon wie lange uns noch blieb.

Als ich dann kerzengerade im Bett saß, staunte Caroline nicht schlecht. Ja, ich konnte mich tatsächlich noch bewegen. »Okay, dann beeile dich aber. Ich sag ihm, dass du gleich runter kommst.« Mit diesen Worten verließ sie mein Zimmer und ich mein Bett.

Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich dringend etwas mit meinem Äußeren anstellen musste. Notdürftig öffnete ich erstmal meine Schminkschublade, um mir etwas Concealer unter die Augen zu schmieren. Meine XXL-Augenringe verrieten mir, dass sie es nötig hatten. In die Steckdose stöpselte ich meinen GHD, um meine wilde Mähne wenigstens ein kleines bisschen zu bändigen. Während das Glätteisen warm wurde, stürmte ich rüber zu meinen Kleiderschrank.

Ich entschied mich für meinen gemütlichen 'pourqoui pas.' - Pullover, dazu eine einfache schwarze Röhrenjeans. Anschließend trug ich noch etwas von dem korall farbenden Lippenstift auf, den mir Caroline letztes Jahr Weihnachten geschenkt hatte. Startklar schnappte ich mir meine Handtasche, die ich auf den Stuhl gelegt hatte und sprintete nach unten.

Da stand er nun am Geländer gelehnt, ziemlich gutaussehend dafür, dass er bald sterben würde. »Da bist du ja endlich. Lust an die frische Luft zu gehen?« Nichts lieber als das. Vielleicht machte das ja einen klaren Kopf. Wem machte ich da was vor? Klarer Kopf und Jamie Morgan passten einfach nicht mehr zusammen.

Stillschweigend nickte ich ihm einfach zu und folgte Marlon aus der Haustür. Draußen war es kälter als ich erwartet hatte. Klar, nicht eiskalt. Das kann man vom Herbst auch nicht erwarten. Der Winter kam erst in einem guten Monat. Da sich die Wolken jedoch vor die Sonne geschoben hatten, war es nicht mehr ganz so warm wie gestern.

»Ich würde dir gerne einen Ort zeigen, den ich vor ein paar Wochen entdeckt habe. Ist gar nicht weit von hier, wenn du also Lust hast...«, setzte er an.
»Warum nicht?«, antwortete ich, kam jedoch nicht Drumherum mich zu fragen, ob er womöglich jetzt vorhatte mich darüber einzuweihen wie es um ihn stand.

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