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Rette mich, Thilo,

nein, mein erster Unterrichtsbesuch war keine Totalkatastrophe. Die Kritik hatte Hand und Fuß – auf einer ziemlich sachlichen Ebene. Luan ist der Bitte nachgegangen, im Gruppenraum zu verweilen. Das Argument, dass es hinten sonst zu voll wird, fruchtete. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, zu sagen, dass Ryan sich schon benehmen wird. Dann ist mir jedoch eingefallen, von wem wir hier sprechen. Er benimmt sich nie. Außer in der Besuchsstunde. Da hat er sich zur Abwechslung mal von seiner besten Seite gezeigt.

Mittwoch in der letzten Stunde hat mich Luan abgefangen. »Wie ist es gelaufen?«, fragt er, als hätte er nicht heimlich durch das Fenster Mäuschen gespielt.

Ich habe genickt. »Gut, aber das Stundenziel muss ich nochmal überdenken.« Es fiel mir erstaunlich leicht, meine Fehler vor Luan zuzugeben. Ob es anders wäre, wenn ich für das Auftreten vor der Klasse Kritik abbekommen hätte?

»Das wird sicher«, versicherte er mir. »War ja erst der erste Besuch.«

Wie eine Verrückte suchte ich eine verborgene Message hinter seinen Worten. Dass er nur auf den negativen Teil eingeht und den positiven gänzlich ignoriert, könnte ein Zeichen sein.

Du fragst dich sicher, wie ich mich in seiner Gegenwart verhalte. Ob meine Hände ganz schwitzig werden und ich panisch stottere. Nein, das nicht. Aber ich rede weniger. Ich habe ihm nichts zu sagen, wenn er mich anspricht. Nach all den Jahren hat sich zumindest das nicht geändert.

Über was unterhalte ich mich? Gute Frage, die er sich sicher auch stellt. Mit meiner Mentorin rede ich über die abgehaltenen Stunden – was lief gut und was schlecht? Mit dem jungen Lehrer aus der 1c tausche ich mich über Unterrichtsentwürfe aus, denn seine sind Bombe und erst vor wenigen Jahren angefertigt worden.

Über was kann ich mich mit Luan unterhalten?

Mir fallen nur Dinge ein, über die ich nicht sprechen will. Warum ich frage?

Nun, er hat, kurz bevor ich zur Tür raus bin, gefragt, ob wir demnächst einen Kaffee trinken gehen. »Nicht, dass ich wüsste«, wollte ich sagen, bis mir einfiel, dass das eine Einladung war.

Und wieder fehlten mir die Worte. Wie ein Eisklotz stand ich zwischen Tür und Angel, tat nichts. Erneut. Das ist in seiner Gegenwart scheinbar vorprogrammiert, vollkommen egal, dass ich in den letzten Jahren selbstbewusster geworden bin.

»Hör zu, mir tut das, was damals passiert ist, unglaublich leid. Vielleicht hilft der Kaffee ja, dass du mir irgendwann verzeihst?«

Thilo, wir beide machen uns nichts vor. Natürlich wird Kaffee nicht helfen. Deshalb frage mich bitte nicht, warum ich »Okay« gesagt habe.

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