»Ich wusste doch, dass du es begreifen würdest. Schätze mal, dass du meine Nachhilfe nicht weiter nötig hast.« Zufrieden klappte Marlon das Buch zu. Fast so, als wäre er davon überzeugt, dass er einfach nur ein spitze Nachhilfelehrer war. Ich ließ ihn in dem Glauben und offenbarte nicht, dass er vielleicht einfach nur eine gute Schülerin unterrichtet hatte.
Nachdem ich mich einmal ausgestreckt hatte, erhob ich mich von dem Sofa. »Denkst du, dass wir trotzdem noch Kontakt zueinander haben werden, obwohl ich dir keine Nachhilfe mehr gebe?«, wollte Marlon noch wissen, kurz bevor ich eigentlich plante das Zimmer zu verlassen.
Ich zuckte mit den Schultern. In meinem anderen Leben hatte ich so gut wie gar nichts mit ihm zu tun gehabt. Jetzt wo es aber diese nervige Geistversion von ihm gab, hatte sich das zwangsläufig geändert. Dieser Marlon war an sich aber ganz nett. Wieso also nicht weiterhin in Kontakt bleiben?»Klar, wieso nicht? Wir können ja auch so noch mal was zusammen machen.«
Er schien über meine Antwort erleichtert zu sein. »Das dachte ich mir auch. Ich hätte da sogar schon eine Idee.«
Verwirrt drehte ich mich wieder von der Türschwelle weg. »Was meinst du damit?«
»Also ich hätte da so eine Idee. Nur ein Vorschlag. Du musst nicht-«
Doch ich unterbrach ihn: »Jetzt sag einfach.«
»In meiner Freizeit spiele ich gerne Instrumente und versuche sie anschließend zu Liedern zusammen zu mixen, die sich einigermaßen nach etwas anhören. Allerdings fehlt mir bislang immer noch der Gesang. Da du-«
Dass ich ihm immer ins Wort fiel, musste irgendwann sicher gewaltig nerven, aber ich konnte nicht anders. »Hast du etwa ein Tonstudio?«
»Naja... also ein kleines. Zu Weihnachten und an Geburtstagen konnte ich es dann immer weiter aufpeppen.«
»Das ist echt cool. Und natürlich bin ich dabei. Du erfüllst mir damit sogar einen kleinen Traum von mir.« Eigentlich wollte ich ja Sängerin werden, aber meine Mutter, der Realist, hatte für mich andere Pläne gehabt. Damals habe ich auf sie gehört. Denn seien wir mal ehrlich: Als Sängerin würde ich später ja doch nur unter einer Brücke landen. Aber in diesem Leben wusste ich es besser. Keine Sekretärin! Da der Beruf Sängerin mir aber immer noch keine sichere Zukunft bot, überlegte ich in letzter Zeit immer mehr Musiklehrerin an einer Grundschule zu werden.
Wenn Marlon lachte, dann ging echt die Sonne auf, konnte ich in diesem Moment feststellen. Warum konnte sein Geist nicht auch mal etwas öfter lächeln? War das wirklich zu viel verlangt? »Super. Dann steht das also.«
»Ähm...« Jetzt wurde etwas in mir doch neugierig. Auch wenn sein anderes Ich Zuhause auf mich wartete, um weitere Pläne bezüglich Tyler und Freya zu schmieden, machte ich doch wieder ein paar Schritte auf ihn zu. »Darf ich dein Tonstudio mal sehen?«
»Ja klar«, sagte er und deutete mir ihn durch die Tür zu folgen. Direkt gegenüber befand sich eine weitere Tür, die er jetzt öffnete. Vermutlich befand sich darin das Tonstudio.Meine Vermutung bestätigte sich. Am Ende des Zimmers stand ein großer Schreibtisch mit einem PC. Daneben allerlei technisches Zeugs, Knöpfe, von dem ich natürlich überhaupt keine Ahnung hatte. Das einzige wovon ich etwas verstand befand sich links von mir: ein großes silbernes Mikrophon. Die andere Seite, rechts von mir, war mit Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug ausgefüllt.
Also ganz so klein wirkte das gar nicht auf mich. Klar, es gab sicher größere, aber er musste schon früh angefangen haben zu sparen. Irgendwie schämte ich mich im Nachhinein für meine Gedanken. Als ich nämlich Geist-Marlon das erste Mal getroffen hatte, hätte ich eher vermutet, dass er sein Geld für Alkohol und solch einen Kram ausgab. Tja, immer diese Vorurteile...
»Und? Wie findest du es?«, fragte er.
»Unglaublich! Warum hast du mir das hier nicht schon viel früher gezeigt?«
»Naja, damals wusste ich noch nicht, dass du dich für Musik interessierst.«
»Und du kannst echt alle Instrumente spielen?«, fragte ich woraufhin er schüchtern nickte.
»Ich spiele leider nur Klavier, zu mehr reichte die Zeit irgendwie nie. Obwohl ich eigentlich schon immer mal Gitarre können wollte«, erklärte ich ihm.
Während Marlon den Rechner hoch fuhr, meinte er grinsend: »Jetzt wo du Schultechnisch unschlagbar bist, kann ich dir ja auch noch zeigen wie man mit einer Gitarre umgeht.« Er machte wohl gerne einen auf Lehrer. Vielleicht sollte ich doch keine werden. Nicht, dass ich dann auch zu so einem Klugscheißer mutierte.
Allerdings würde ich schon unglaublich gerne Gitarre spielen können. »Wir werden sehen«, antwortete ich deshalb einfach erstmal. »Wie sieht's denn aus? Spielst du mir jetzt mal was von deinen Songs vor?«
»Kann ich. Aber nicht zu viel erwarten. Sie sind noch nicht wirklich so wie ich sie gerne haben würde.«
Ich verdrehte meine Augen. Etwas mehr Selbstbewusstsein würde Marlon echt gut stehen. »Nun mach schon an!«, schrie ich ihn fast an.
Er drückte irgendeinen Knopf an der unheimlich kompliziert aussehenden Technik. Daraufhin ertönten ein paar ruhige Töne wie am Anfang einer Popballade. Doch die Klänge wurden immer lauter bis schließlich auch das Schlagzeug einsetzte. Das hörte sich echt ziemlich cool an. »Marlon! Das hört sich ja richtig professionell an. Besser als manche Songs aus meiner Musiksammlung.«
Seine Anspannung wich von ihm und er grinste schwach. »Dankeschön. Also, du singst ja auch gut. Auch besser als manche Sänger aus meiner Musiksammlung.«
Dieser Satz brachte mich zum Lachen. Es war fast so als hätte er Bedenken, dass er mich für meine Stimme nicht genug lobbte. Dabei hatte er sie jetzt schon so oft erwähnt. »Dankeschön... ebenfalls.«
»Mal sehen, ob du jetzt auch so gut Gitarre spielen kannst«, erinnerte er mich. Genau, er wollte ja wieder Nachhilfelehrer spielen. Grinsend hielt er mir seine schwarze Yamaha-Gitarre entgegen.
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Teen Fiction„𝒾𝒻 𝒾𝓉 𝓉𝒶𝓀ℯ𝓈 𝓉𝒾𝓂ℯ 𝓉ℴ 𝑔ℯ𝓉 𝓉ℴ 𝓎ℴ𝓊, 𝒾'𝓁𝓁 𝑔ℯ𝓉 𝓉ℴ 𝓎ℴ𝓊" ~ 𝐓𝐡𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐢𝐨𝐧𝐚𝐥 𝐏𝐚𝐫𝐤𝐬 ⌫ Sie zählte schon ihr ganzes Leben zu den Menschen, die jeder auf der Straße wiedererkennt, aber kaum jemand ahnt di...
