𝟝𝟙𝟙𝟛 𝕋𝕒𝕘𝕖 𝕕𝕒𝕟𝕒𝕔𝕙

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Some nights, I kid myself I treated you right
Lying to myself, I didn't know
If I'm honest, I could've done it better
You said we had it pretty much perfect

~ Conrad Sewell, Start Again

~ Conrad Sewell, Start Again

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3. Kapitel

Klirrend lasse ich die Schlüssel neben mir auf das Sofa fallen. In mir sind tausende Fäden an Gedanken. Jeder Einzelne zerrt an mir, will Beachtung und Anerkennung, doch meine zwei Hände bekommen nur eine Handvoll zu packen. Ich schlage das Heft auf und wähle gleichzeitig Kerstins Nummer.

Manche Leute beherrschen Multitasking, doch ich vertippe mich zwei Mal, bevor ich bei der richtigen Nummer anrufe. Die Schilderung des Elterngesprächs führt ins Leere. Zwar höre ich Kerstins Erwiderungen und Ratschläge, doch deren Inhalt rinnt durch mich hindurch. Klassenkonferenz – mehr nehme ich aus der Unterhaltung nicht mit.

Ich kreise meine Schultern, um dem stechenden Schmerz entlang der Wirbelsäule entgegenzuwirken. Mit einem großen Fragezeichen schreibe ich mir Kerstins Ratschlag in den Terminkalender. Ein wenig drastisch erscheint er mir schon. Im Grunde ist sie doch ein liebes Mädchen, das es sicher nicht aufgrund zerrütteter Familienverhältnisse verdient hat, dass man sie vom Unterricht ausschließt – im schlimmsten Fall.

Träge schleppe ich mich zum Schreibtisch, wo die Hefte warten. Ich hagere mit mir, mich heute Abend doch lieber meiner Instagramseite zu widmen. Der letzte Post ist bestimmt einen Monat her und das Gefühl, meine Follower zu enttäuschen, nagt an mir. Es sind nicht sonderlich viele, knapp zweihundert, aber jeder Einzelne von ihnen ist mir wichtig.

Sie motivieren mich jeden Tag, das beste aus meinem Unterricht herauszuholen. Die positiven Rückmeldungen zum selbstgemachten Kamishibai entlocken mir auch heute noch ein Grinsen. Doch seitdem habe ich nichts Gescheites mehr produziert. Mein Leben besteht nur aus Elterngesprächen, dem Rauskramen von bereits verwendetem Material und dem Anschreien von Schülern.

Ich kreise mit den Fingern über meine Schläfe und schieße nur schnell ein Foto von dem Berg an Heften für die Story. Hashtag: Work for the evening.

Die Geschichten der Schüler bringen mich zum Schmunzeln. Einhörner scheinen momentan im Trend zu sein. Sie entlocken mir das Verlangen, endlich selber mal wieder zu schreiben. Das ist in letzter Zeit definitiv zu kurz gekommen.

Bei dem fünften Heft, mit der Schrift einer Sauklaue, spüre ich die Trockenheit in meiner Kehle immer stärker. Spätestens das Ziehen im hinteren Teil des Schädels erinnert mich daran, wie wenig Wasser ich den Tag über getrunken habe. Seufzend erhebe ich mich, gehe zur Spüle und genehmige mir ein gekühltes Glas.

Die Zeit rinnt weiter, während ich auf die Buchstaben starre und meinen grünen und roten Stift abwechselnd über die Seiten fahren lasse. So vertieft, wie ich das Papier beäuge, hätte ich fast nicht die rauen Hände wahrgenommen, die sich von hinten über meine Schulterblätter legen.

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