4 ◄ Dreh das Rad

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»Ah, der besagte Romeo«, bemerkte Marlon. Anscheinend hatte er beobachtet wie ich Tyler mit meinen Blicken durchbohrte... oder er erinnerte sich einfach an ihn, immerhin gingen wir alle mal auf dieselbe Schule.
»Aber... ach her je! Er beachtet dich ja gar nicht.«

Ich verdrehte die Augen und zischte: »Keine Sorge. Das war vorher auch so. Es braucht noch etwas Zeit bis er auf mich aufmerksam wird.«

Da stand ich nun. Auf dem Schulhof der Schule, die ich einst so gut kannte. Jetzt wirkte sie auf mich eher fremd. Daher dauerte es eine Weile bis ich meinen Stand mit dem Glücksrad gefunden hatte. Carolines Stand war tatsächlich in meiner Nähe. Sie hatte bereits alles aufgebaut und wartete nun auf ihre Kundschaft.

Auch ich transportierte nun das Glücksrad nach draußen, stellte die Preisschilder auf und drapierte die Preise hinter mir. Dann konnte es ja losgehen.

Eine Reihe von Leuten kam an diesem Tag, einige hatten Pech, andere Glück, wie es im Leben nun mal ablief. Ich hatte natürlich Pech, da der ganze Tag mich zu Tode langweilte. Es verlief immer wieder genauso ab:

»Hallo, ich würde gerne einmal drehen.«

»Das macht dann 2 Dollar.«

Das Rad wurde gedreht.

Der Preis wurde überreicht.

Oder auch nicht. Je nachdem.

Frustriert öffnete ich die Hintertür meines Stands und marschierte rüber zu Caroline.
»Ist es normal, dass ich jetzt lieber Unterricht machen würde als noch eine Sekunde länger dieses dumme Rad drehen zu sehen?«
»Irgendwie schon, ja. Vielleicht brauchst du eine Stärkung. Waffel gefällig?«

»Liebend gerne. Doch leider bin ich so schlau gewesen mein Portmonee heute Zuhause zu lassen.«
»Ach, dann geht die eben auf mich. Immerhin bist du meine Lieblingsschwester«, sagte sie lachend. Ich musste grinsen. Ja, weil sie ja auch noch so viele andere Geschwister hatte.
»Danke, Schwesterherz. Du rettest mir gerade den Tag.«

Sie schaufelte den Teig in das Waffeleisen und suchte nach Puderzucker und einer Serviette. Während ich sie so beobachtete wurde mir klar, dass sie eigentlich die Wahrheit verdiente. Von all den Menschen in meinem Leben, die mich enttäuscht haben, konnte ich Caroline immer vertrauen. Allerdings... wenn ich ihr sagen würde, dass ich eigentlich schon erwachsen bin und in meine Vergangenheit zurück geschleust wurde... das würde selbst Caroline nicht glauben.

Wo wir gerade von Personen, die mich in meinem Leben enttäuscht haben redeten...
»Jamie Morgan! Da bist du ja! Ich dachte du wolltest mich an meinem Stand besuchen kommen. Zumindest hast du das gestern noch behauptet. Ich habe gewartet... und gewartet...« Sie zog mich kurz an sich.

»Wie lieb von dir, dass du dafür entschlossen hast mich zu besuchen. Ich habe das irgendwie total vergessen.« Das Lächeln auf meinem Gesicht aufzusetzen fiel mir echt schwer. Wenn ich daran dachte, wie wir zwei auseinander drifteten. Aber... vielleicht konnte ich auch das wieder in Ordnung bringen.

»Ach, keine Ursache. Sonst wäre ich doch nicht deine beste Freundin.« Eigentlich zweifelte ich immer noch nicht daran, dass Freya mir immer eine gute Freundin sein wollte.
Ich war damals total wütend auf sie, weil sie mir vorwarf, dass meine Liebe zu Tyler mich verändern würde.

Damals dachte ich, es wäre Eifersucht. Immerhin hatte sie mal eine kurze Tyler-ist-ja-so-heiß-Phase. Allerdings hatte sie mir geschworen, als wir schließlich ein Paar wurden, dass es nie wirklich ernste Gefühle waren. Sie gab mir ihren Segen, weshalb sie eigentlich kein Recht auf Eifersucht hatte. Aber was, wenn sie Recht hatte? Vielleicht hatte ich mich wirklich im Laufe unserer Beziehung verändert, weshalb sie auch zum Scheitern verurteilt war.

Ich hatte es nie bemerkt. Wie hatte ich mich wohl verändert? Die anderen Schüler haben endlich mal meinen Namen gekannt, wenn sie mir über den Weg liefen. Aber das hatte ja nichts mit meiner Persönlichkeit zu tun.

»Ich sollte mich dann wohl wieder an die Arbeit machen.«
»Tu das. Ich werde mir in der Zwischenzeit eine Waffel bei der guten Caroline gönnen«, sagte Freya und grinste dabei zu meiner Schwester rüber, die während sie meine fertige Waffel auf eine Serviette legte und mir überreichte, schon mal die neue Waffel für Freya anstellte.

Als ich mich wieder hinter meinen Stand stellte, tauchte Marlon wieder vor meinen Augen auf. »Du hast echt keine anderen Freizeitmöglichkeiten, oder?«
»Was? Natürlich.« Als ich sein verwirrtes Gesicht genauer beobachtete, wurde mir klar, dass das gar nicht Geist-Marlon war. Der echte... Mist aber auch!

»Sorry, ich habe dich mit jemand anderen verwechselt. Aber dich kenne ich noch nicht.«
»Nein, ich bin neu hier. Ich bin Marlon und gehe hier auch bald zur Schule.«
»Ah, du musst der neue Nachbar sein von dem meine Mum heute Morgen in aller Frühe erzählt hat. Ich heiße Jamie.«

Er betrachtete das Glücksrad skeptisch. »Was denkst du? Soll ich einen Dreh wagen? Normalerweise ist das Glück nämlich nie auf meiner Seite.«
Plötzlich sah ich zwei Marlons vor dem Glücksrad stehen. Himmel, war das vielleicht verwirrend. »Halte mich bitte davon ab, Jamie! Ich weiß noch, wie das ausgeht. Da kann ich mir von den zwei Dollar lieber eine Waffel kaufen.«

Doch ich beachtete Geist-Marlon gar nicht. »Neue Stadt, neues Glück, oder? Ein Versuch ist es wert.«
»Miststück. Warum will ich dir überhaupt noch helfen? Ach ja. Mein verdammtes Leben gab mir keine andere Wahl. Was ich doch für ein Glück habe...«

Er echte Marlon war auf meinen Vorschlag natürlich nicht so wütend und drehte das Rad mit einem Lächeln im Gesicht. Als das Rad dann stoppte, war sein Lächeln sogar noch breiter. »Yeah! Ein Gewinn! Blau... was bekomme ich dafür?«
»Mal sehen... Oh, das Glück ist wirklich nicht auf deiner Seite. Denn ich denke nicht, dass du mit dieser Halskette etwas anfangen kannst.« Ich hielt ihm die Schmetterlingskette vor die Nase, die eigentlich ziemlich schön ist... für ein Mädchen.

»Nicht schlimm. Das ist mehr als ich erwartet habe. Die ist dann für dich. Ein Willkommen-in-der-Nachbarschaft-Geschenk.«
»Danke«, sagte ich noch, bevor er sich wieder umdrehte, um zum nächsten Stand zu gehen.

»Okay. Das kam jetzt unerwartet. Warum hat sich die Vergangenheit geändert? So war das doch nicht«, überlegte Geist-Marlon.
»Naja. Wir sind doch schließlich hier, um die Vergangenheit ändern zu können. Außerdem ist das ein Glücksrad... basierend auf Zufälle. Das Ergebnis kann mit jeden Dreh anders ausfallen. Hoffen wir mal, ich finde den richtigen Dreh für mein Leben.«

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