22 ◄ Wie hört man auf zu lieben? Part 2

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Weitere Wochen zogen ins Land und Geist-Marlon schien immer verzweifelter zu werden. Er steckte immer noch hier fest, aber ich hatte aufgegeben Freya und Tyler auseinander zu bringen. Im Gegenteil... Seit dem Ereignis letzte Woche hatte sich viel verändert:

»Zum hundertsten Mal, Jamie! Zwischen mir und Tyler läuft nichts«, wollte Freya mir weismachen. Neben ihr auf unserer Couch Tyler, der mich immer nur wieder ungläubig anstarrte als würde ich den Verstand verlieren.

»Warum machst du das? Ich liebe dich, Jamie. Nur dich. Du bist gerade ziemlich paranoid.« Tylers Worte kannte ich inzwischen schon. Das Thema Freya war in letzter Zeit bei uns nicht gerade selten.

»Ihr streitet es ab, weil ihr denkt, dass ihr mir das nicht an tun könnt. Freya, wenn du mit Tyler zusammen kommen würdest, dann würde das unsere Freundschaft nicht ruinieren. Wenn du nicht mit ihm zusammen kommst, würde es das. Ich sehe doch genau wie ihr euch ansieht. Was ihr beiden habt ist etwas Besonderes, da könnte ich nie mithalten.«

»Jamie, du spinnst doch«, sagte Tyler kopfschüttelnd. Darauf war ich aber vorbereitet gewesen. Schließlich sagten sie das immer. »Ich weiß, dass ihr das im Moment nicht einsehen könnt. Aber das werdet ihr schon noch, wenn Tyler und ich erstmal eine Weile auseinander sind.«

Beide schauten mich völlig entgeistert an. »Hast du etwa gerade mit mir Schluss gemacht?«, fragte mich Tyler entsetzt, woraufhin ich vorsichtig nickte.

Wütend erhob er sich vom Sofa. »Sag doch einfach, wenn du keinen Bock mehr auf mich hast. Und noch was: Sag es mir allein! Vor deiner besten Freundin mit all diesen Ausreden, das ist echt armselig.« Kurz darauf hatte er meine Zimmertür lautstark hinter sich zu geknallt.

»Glückwunsch, Amor. Jetzt hast du offiziell alles verbockt.« Wie immer versuchte ich Marlons ätzende Stimme einfach auszublenden. Anders als ihm war mir inzwischen klar geworden, dass mir Tyler diese Uhr nie geschenkt hatte. Ich meine, hallo?, wir hatten immerhin Schluss gemacht.

Er bat mich indirekt ihm zu seiner großen Liebe zu verhelfen. So war Tyler nun mal. Er tat nichts wovon er nicht profitierte. Aber das war wahrscheinlich noch ein Grund mehr, warum er so gut zu Freya passte. Sie konnte damit schon immer gut umgehen. Ihre Liebe verbesserte beide ihrer Persönlichkeiten und ist das nicht der Sinn von Liebe?

»Ist es wirklich so offensichtlich, Jamie? Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, damit du nicht dahinter kommst«, murmelte Freya nach einer kurzen Weile des Schweigens.

»Ich weiß.« Immerhin bin ich in meinem ersten Leben nicht dahinter gekommen. »Aber selbst wenn ich es nicht bemerkt hätte, würden du und Tyler einfach viel besser zusammen passen.«
»Dann macht es dir nichts aus?«, fragte sie weiterhin ungläubig.

»Ihr habt meinen Segen.«
»Danke, Jamie. Du bist echt die beste Freundin, die man sich vorstellen kann. Aber dennoch... Ich mag zwar in Tyler verliebt sein, leider beruht diese Liebe nicht auf Gegenseitigkeit.«
»Das glaube ich nicht. Es ist für Tyler einfach noch zu früh. Aber wenn du dranbleibst, dann wird das schon noch was«, meinte ich zwinkernd.

Seitdem haben Tyler und ich zwar kein Wort mehr miteinander gewechselt, aber es war okay. Klar, irgendwie vermisste ich ihn schon in meinem Leben, aber ich würde einfach warten, bis er sich wieder einkriegte.

Außerdem hatte ich im Moment sowieso nicht viel Zeit. Marlon und ich arbeiteten jeden Tag an unserem Song. Am Ende hatte sich die Mühe gelohnt und wir konnten das Video letzte Woche online stellen. Und es war echt unglaublich wie viele das Video bereits angeklickt hatten! Nicht zu vergessen das ganze positive Feedback.

Doch all das sollte jetzt noch auf ein völlig neues Level geraten, als ich mein Handy klingeln hörte. Es war Marlon. »Was gibt's?«, meldete ich mich einfach. Er wusste schließlich, dass ich abnehmen würde.

»Du musst sofort herkommen, Jamie! Jetzt!« Wow. Was war denn mit dem los?
»Ist ja gut. Ich werde da sein. Aber was ist denn?«, fragte ich erneut.

»Das ist zu wichtig, um es über's Telefon zu erfahren.« Okay, jetzt machte er mich doch neugierig. Bestimmt ging es um unseren Song. Während ich mich fertig machte, checkte ich schnell noch unser Video auf neue Kommentare. Allerdings war da nichts Weltbewegendes dazu gekommen. Vielleicht hatte Marlon ja auch eine Privatnachricht erhalten. Mal sehen...

»Caroline! Ich bin kurz bei Marlon«, informierte ich sie. Unsere Eltern waren im Moment nicht Zuhause, weil sie zu einem Geburtstag eingeladen wurden.

»Dann nehme dir einen Schlüssel mit. Bin nachher nämlich noch mit aller Wahrscheinlichkeit bei Joey.« Ach ja. Irgendwie war es schön zu sehen, dass ich nicht nur meinem verräterischen Exfreund und meiner ex-besten (beziehungsweise wieder besten) Freundin bei ihrem Happy End geholfen hatte, sondern auch meiner Schwester, die selbst in meiner tiefsten Krise nie von meiner Seite gewichen war.

»Alles klar«, rief ich noch nach oben und verließ dann das Haus, nachdem ich den Schlüssel noch aus dem Schloss gezogen hatte.

Draußen tröpfelte der Regen bereits den ganzen Tag, weshalb ich mir auch meine Regenjacke übergezogen hatte. Aber zu Marlon war es ja glücklicherweise nie besonders weit gewesen. Einmal nach links und rechts gucken, über die Hauptstraße rüber und schon hatte ich sein Haus erreicht.

An der Haustür fiel mir Eva stürmisch in die Arme. Ja, in diesem Leben hatte ich nicht nur mit Marlon Freundschaft geschlossen (damit meine ich aber nicht Marlon Nummer 2), sondern auch mit seiner kleinen Schwester. Aber diese Freude mich zu sehen, machte mich doch etwas stutzig. Wir sahen uns doch so gut wie jeden Tag.

»Ich freue mich ja so für euch!«, kreischte sie mir ins Ohr. Als sie meinen verwirrten Blick bemerkte, stammelte sie: »Oh. Marlon hat es dir noch gar nicht gesagt. Mist.« Ich musste lachen, weil ihr das so peinlich war.

»Tja. Dann wird es wohl Zeit, oder?«, grinste ich sie an. Diese nickte daraufhin stürmisch. »Er ist oben.«

Kaum hatte ich seine Zimmertür geöffnet, fragte ich schon - ohne mich mit einer Begrüßung aufzuhalten: »Also. Was ist jetzt so großartiges passiert?«
»Du wirst im Leben nicht raten wer mich kontaktiert hat. Jay Z, Jamie! Jay Z! Und er hat gesagt, dass ihm unser Lied gefällt und er es produzieren möchte.«

»Was?! Und du bist dir sicher, dass das kein Betrüger ist?«
»Nein, Jamie! Ich habe mit ihm geredet und alles! Wir kommen unter Vertrag!«

Vollkommen fassungslos kreischte ich auf. »Oh mein Gott! Ich muss träumen.« Mehr als nur glücklich fiel ich Marlon um den Hals. Davon diesem Augenblick hatte ich mein ganzes Leben lang geträumt... meine beiden Leben lang.

»Ja, denk ich auch noch die ganze Zeit. Dass ich gleich irgendwann in meinem Bett aufwache.«
Ich grinste. »Wir sind einfach ein unglaubliches Superteam.«
»Stimmt. Das sind wir wirklich.«

Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, ohne dass jemand etwas sagte. Und ehe ich mich versah, hatte ich Marlon an mich gezogen und geküsst. Zuerst war ich über mein eigenes Handeln schockiert, doch als er dann anfing den Kuss zu erwidern, hatte ich es gleich wieder vergessen. Marlons Lippen schmeckten auch unglaublich gut.

Ich intensivierte den Kuss und vergrub meine Finger in seine Haare.

»Was glaubst du tust du da?!« Als ich plötzlich Marlons Stimme hinter mir hörte fuhr ich kurz hoch.

Der reale Marlon schien meinen Schock allerdings anders zu deuten. »Es ist noch zu früh, oder? Deine Trennung von Tyler ist gerade mal-«
»Das ist es nicht.«
»Was dann?«

Ja, was dann? Wie sollte ich ihm erklären, dass der einzige Grund für meine Unterbrechung sein motziges Geister-Ich war? »Schon gut«, murmelte ich stattdessen und ignorierte den Blödmann hinter uns völlig. Immerhin war er ein Geist. Geister durfte man ignorieren.

Bevor mir Marlon weitere skeptische Fragen stellen konnte, küsste ich ihn erneut und zog ihn dabei mit auf das Sofa runter, das hinter uns in der Ecke stand. Jetzt hatte ich meine Lösung. Der einzige Weg wie man aufhörte jemanden zu lieben war, jemand besseren zu finden.

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