Joeys Sicht
Dass Jamie singen konnte, hatte er immer schon geahnt. Doch mit solch einer guten Stimme hatte er dann doch nicht gerechnet. Er persönlich fand sogar, dass sie besser als mancher Profi klang. Während er zum Song mitwippte, wanderten seine Augen ständig durch die Menge, auf der Suche nach einer bestimmten Person.
Am linken Rand der Bühne entdeckte er schließlich dieses unverwechselbare Gesicht, das er überall wiedererkannt hätte. Obwohl auch ihr Blick auf Joey ruhte, erkannt hatte sie ihn eindeutig, winkte sie ihn nicht zu sich. Das verwunderte Joey, da sie es sonst normalerweise gemacht hätte.
Warum sie das wohl tat? Jamie glaubte ja, dass sie tatsächlich eifersüchtig auf deren Fakebeziehung sein könnte. Für ihn hörte sich das eher nach Wunschdenken an. Caroline stand nicht auf Typen wie ihn. Mit Muskeln konnte er nicht punkten, eher mit dem offenen Ohr eines besten Freundes.
Nervös schlitterte er zu ihr rüber. Ob sie ihn überhaupt bei sich haben wollte? Immerhin hatte sie ihm nicht zugewinkt. Nachdem er einmal tief ein und aus geatmet hatte, setzte er die letzten Schritte auf sie zu, um schlussendlich direkt vor ihr zu stehen.
»Hi«, brachte er in einem viel zu leisen Ton hervor. Sie hatte ihn vermutlich nicht mal verstanden.
»Hallo Joey«, sagte sie trotzdem zur Begrüßung.
»Deine Schwester singt ziemlich unglaublich.« Auch wenn sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln ausbreitete, bemerkte Joey trotzdem wie sich ihre Hände verkrampften.
»Ich weiß. Ich finde es echt schade, dass sie nur für sich singt. Zumindest hat sie für meinen Geburtstag zugesagt. Das ist echt das beste Geschenk überhaupt.« Die ganze Zeit über hatte sie ihn kein einziges Mal angeguckt. Ihr Blick war nur zu Jamie auf der Bühne gerichtet.
Klar, sie wollte den Auftritt sehen. Aber was hätte ein kurzer Blickkontakt geschadet? »Warum hast du mir die Einladungskarte nicht persönlich gegeben?«, fragte er sie direkt heraus.
Ah, jetzt suchte Caroline doch Blickkontakt. »Wie bitte?« Mit diesem Tonfall hätte er wohl rechnen sollen, immerhin hatte er die Frage selbst etwas aufgebracht gestellt. Eigentlich wollte er das gar nicht. Mit ruhigerer Stimme meinte er nun: »Also... ich hätte es schön gefunden. Du bist meine beste Freundin und es ist schließlich dein Geburtstag.«
Sie nickte und wand sich wieder Jamie zu. »Schon gut. Gebe es ruhig zu. Es ist ganz gut so, dass ich es so gemacht habe, oder?«
»Wie bitte?« Jetzt war Joey verwirrt.
»Es ist ziemlich offensichtlich, Joey. Du brauchst es vor mir nicht zu verheimlichen. Du hast dich in Jamie verliebt.« Klang ihre Stimme eifersüchtig? Joey konnte es nicht genau deuten.
»Habe ich nicht«, antwortete er wahrheitsgemäß.
»Warum streitest du es ab? Hast du etwa Angst was ich davon halten könnte? Es macht mir nichts aus, Joey! Wir sind beste Freunde. Nichts kann das ändern.«
»Es macht dir nicht mal ein kleines bisschen aus?«, hakte Joey nach, wobei er die Traurigkeit in sich unterdrücken versuchte.
»Warum sollte es mir etwas ausmachen? Weil ich Angst haben könnte, dass du dann unsere Freundschaft vernachlässigst?« Nein, das nun nicht.
»Zum Beispiel«, entgegnete er trotzdem.
»Keine Sorge. Ich weiß, dass wir immer die besten Freunde bleiben werden. Dass du dich mal verliebst ist doch normal. Mach ich doch auch. Eigentlich ist das sogar ziemlich cool, dass es gerade meine Schwester ist. Wenn dich jemand verdient, dann sie. Und ... wenn ihr dann irgendwann heiraten solltet, macht uns das nicht quasi zu Geschwistern?« Er musste sich beinahe übergeben. Konnte dieses Gespräch noch schlimmer werden?
»Äh, ja. Also... das würde ich nicht sagen. Dann bist du meine Schwägerin.«
»Ach... ist das nicht ein und das selbe?«, meinte sie abwendend. »Es würde unsere Freundschaft jedenfalls noch stärker machen. Also keinen Grund zur Sorge.«
Freunde. Mehr würden Caroline und er in diesem Leben nicht sein. Und in diesem Augenblick spielte sich sein zukünftiges Leben vor seinen Augen ab. Caroline und Joey, Freunde bis zum bitteren Ende. Ein Kaffeeklatsch, vermutlich mit Carolines zukünftigen Mann und ihren Kindern.
Und da wurde es ihm klar. Auch wenn er Caroline niemals verlieren wollte, so konnte seine Zukunft einfach nicht aussehen. Jeder Besuch bei Carolines Familie würde ihn nur noch mehr in die Tiefe ziehen. So konnte er nicht glücklich werden. Da hatte Jamie schon ganz Recht gehabt.
Er schluckte noch einmal kurz, damit sich keine Tränen in seinen Augen ansammeln konnten. Dann würde er nur noch mehr wie ein Weichei dastehen. Und dann brachte er die Worte über die Lippen, die er nie geglaubt hätte sagen zu würden: »Das möchte ich aber nicht. Wir sollten diese Freundschaft wohl beenden.«
Als er sich wegdrehte, um endgültig von hier zu verschwinden, hörte er schon wie Caroline ihm hinterher rief. Dadurch wollte er aber nur noch schneller von hier weg. Zu seinem Bedauern war Caroline schon immer die Schnellere von den beiden gewesen. Deshalb packte sie seinen Arm so, dass Joey nicht mehr weiter konnte.
»Was zur Hölle soll das, Joey? Du kündest mir die Freundschaft, weil...? Was? Weil du in Zukunft nur noch mit meiner Schwester abhängen willst? Kann sein, dass deine Gefühle für sie ziemlich stark sind, aber irgendwann wirst du das noch bereuen und-«
»Verdammt Caroline! Ich kündige dir die Freundschaft, weil ich nicht will, dass wir verfluchte Geschwister werden. Ich will dich nicht darüber reden hören, wie du dich darauf freust, dass ich und Jamie heiraten. Und ganz sicher will ich nicht, dass du deine Schwester für deine Einladungskarten schickst, nur damit ich sie sehen kann. Weil... ich wollte dich sehen. Warum ich mich in den letzten Tagen so an Jamie heran geschmissen habe? Um dich eifersüchtig zu machen. Was ziemlich dumm ist, weil ich weiß, dass die einzige Ewigkeit, die wir miteinander erleben könnten Freundschaft wäre. Aber das halte ich nicht mehr aus... also muss ich-«
Weiter kam er mit seiner Erklärung nicht, da sich Carolines süße Lippen nun auf seinen befanden. Auch eine Möglichkeit eine langweilige Rede zu beenden.
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Teen Fiction„𝒾𝒻 𝒾𝓉 𝓉𝒶𝓀ℯ𝓈 𝓉𝒾𝓂ℯ 𝓉ℴ 𝑔ℯ𝓉 𝓉ℴ 𝓎ℴ𝓊, 𝒾'𝓁𝓁 𝑔ℯ𝓉 𝓉ℴ 𝓎ℴ𝓊" ~ 𝐓𝐡𝐞 𝐍𝐚𝐜𝐢𝐨𝐧𝐚𝐥 𝐏𝐚𝐫𝐤𝐬 ⌫ Sie zählte schon ihr ganzes Leben zu den Menschen, die jeder auf der Straße wiedererkennt, aber kaum jemand ahnt di...