Schuld

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Ich hatte Angst. Angst vor dieser Pflicht. Wieso musste ich diese Bombe genau an diesem Ort in die Luft gehen lassen? Was, wenn jemand in der Nähe war? Ich radelte durch die Straßen, mit Feuerzeug im Gepäck. Es war fast schon unheimlich kalt, es startete bereits heute Mittag zu schneien und ich bibberte am ganzen Körper. Bei jedem Tritt in die Pedalen klapperten meine Zähne aufeinander, meine Beine wurden schwerer. Mein Atem stieg jede Sekunde erneut wie eine Rauchwolke aus meinem Mund.

Der Wald, der mein Ziel war schien eine Ewigkeit entfernt zu sein.
Die Bäume, die Häuser und das leise Zischen des Meeres irgendwo im Osten rauschten an mir vorbei. Ich spürte meine Ohren und meine Nase nicht mehr. Von meinen Händen, sowie meinen Füßen wollten wir gar nicht erst anfangen.

Als ich nach etwa 20 Minuten endlich beim Wald ankam, konnte ich mich kaum mehr bewegen. Qualvoll stieg ich ab und ließ mein Fahrrad auf den Boden fallen. Da ich noch ganz genau wusste, zu welcher Stelle im Wald ich gerannt war, als Bradley mir nachgelaufen kam, hatte ich keine Schwierigkeiten den Ort zu finden.

Ich rieb die Hände aneinander und begann zu laufen. Meine Füße kribbelten beim Auftreten auf den nassen, mit einer dünnen Schneeschicht bedeckten Boden des Waldes. Es roch ein wenig holzig, doch so genau konnte das meine festgefrorene Nase nicht einschätzen. Es war stockfinster und nur die Taschenlampe meines Handys erleuchtete den düsteren Wald. Ich hörte mein knatschendes Auftreten auf dem Schnee und irgendwo weit entfernt von mir eine Eule, die ihre typisches Heulen abgab.

Plötzlich spürte ich ein Kribbeln in meinem ganzen Gesicht. Meine taube Hand reagierte nicht so schnell wie erwünscht, doch als ich in mein Gesicht fasste, merkte ich, dass es ein Spinnennetz war. In der Hoffnung, dass keine Spinne darin war, wischte ich es mir aus dem Gesicht. Noch ein Grund mehr, nachts nicht in den Wald zu gehen.
Ich gruselte mich sowieso schon und wenn dann auch noch kleine, krabbelnde Tiere dachten, ich wäre ein bequemes Zuhause für sie, dann machte es das Ganze nicht unbedingt besser.

Mittlerweile war ich in der Tiefe des Waldes und die Stelle war nicht mehr allzu weit weg. Ringsum von mir umhüllte mich noch mehr Dunkelheit und ein Blick in den Himmel verriet mir, dass es wohl zeitnahe nicht aufhören würde zu schneien.
Als ich wieder auf den Boden sah, erschrak ich für einen kurzen Augenblick. Auf dem Boden befanden sich Schuhabdrücke, die definitiv nicht von mir stammten. Sie waren breiter und länger. Männerschuhe...Sofort dachte ich an den Psychopaten.

Ich bewegte mich noch schneller, denn ich wollte mich so kurz wie möglich in diesem verfluchten Wald aufhalten.
Nun war es soweit, ich hatte den Ort im Wald erreicht. Um mich herum befanden sich einige, große Bäume und Büsche. Es war inzwischen totenstill. Ich konnte weit und breit nichts und niemanden sehen, außer - eine kleine schwarze Kugel auf dem Boden.

Vorsichtig wagte ich mich näher an sie heran. Etwa die Hälfte der Kugel war im Schnee versunken, die andere ragte heraus, an der oberen Seite eine kleine, orangene Schnur, welche scheinbar zum Anzünden gedacht war. Die Bombe war nicht sonderlich groß, etwa so groß wie ein Tennisball.

Näher als zwei Meter an die Bombe heran traute ich mich nicht. Zu allererst musste ich mich vergewissern, dass wirklich niemand hier war.
Ich nahm all meine Stimmkraft zusammen und rief in die Tiefe des Waldes: „Hallo? Ist hier irgendjemand?"
Meine Stimme hallte durch den Wald wie ein Echo, doch es kam keine Reaktion. Einzig und allein ein leises Knistern ertönte, vermutlich von einem Tier. Ich hatte große Zweifel, denn was brachte es eine Bombe zu zünden, wenn nichts oder niemand in der Nähe war, das man zerstören wollte? Irgendetwas musste hier sein...

Behutsam wagte ich mich ein wenig näher an die Bombe ran. Mein Herz raste und meine Hände zitterten gewaltig, als sie das kleine rote Feuerzeug aus meiner Jackentasche zogen. Würde nicht der Wald anfangen zu brennen, wenn ich die Bombe zündete? Ich kannte mich kein Stück mit dem Kram aus. Wie lange dauerte es, bis sie entfachte? Wie viel Zeit hatte ich, wegzurennen? Was war in so einem Ding drin? Kam da Feuer raus? Oder Rauch? Vielleicht wollte der Psycho mich ja töten!

𝚃𝚛𝚞𝚝𝚑 𝚘𝚛 𝗗𝗮𝗿𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt