Die Wahrheit

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Heute Abend wollte Ryan noch zu mir kommen. Ich hatte zwar keine Ahnung was los war, doch am Telefon klang er sehr aufgewühlt. Ein wenig Sorgen machte ich mir ja schon.

Als er bei mir ankam, hatte sich mein Verdacht bestätigt. Er kam verheult bei mir an und wirkte sehr verzweifelt. Mit blassem Gesicht trat er in mein Haus hinein ohne mich zu begrüßen.

Wir liefen die Treppe hoch und ich schloss die Tür hinter uns ab.

"Ryan ich mache mir Sorgen. Was ist passiert?", fragte ich verunsichert.

"I- ich war in ei-einem Restaurant."

Er machte eine kurze Pause.

"Und da...da waren zwei Personen. Es war mein Va-ter.", stotterte er.

So langsam dämmerte es mir. "Oh Gott! Etwa mit einer anderen Frau?", schrie ich wohl etwas zu laut.

"J-Ja. Sie haben sich ge-geküsst.", wisperte er voller Verzweiflung.

Ich war leider nicht besonders gut im Trösten und deswegen nahm ich ihn in den Arm.

Doch dann geschah etwa Seltsames. Als ich näher kommen wollte, um ihn in die Arme zu schließen, küsste er mich auf einmal. Da ich ihn nicht noch mehr verletzen wollte ließ ich es geschehen. Ich fühlte nicht wirklich etwas dabei und schon nach etwa 5 Sekunden hörte er -Gott sei Dank- auch wieder auf.

Ich starrte mit rotem Kopf verlegen an die Decke und auch er schien sich zu schämen. Unangenehme Situation. Er war doch sowas wie mein bester Freund.

"Es...Es tut mir leid. Ich bin gerade so aufgewühlt und irgendwie...", plapperte er drauf los.

"Hey. Ist schon in Ordnung. Ich ähm weiß leider nicht was ich tun soll. Du weißt wie scheiße ich trösten kann. Aber es tut mir soo unfassbar leid mit deinen Eltern. Du sollst nur wissen, dass ich immer für dich da bin und du dich immer bei mir ausheulen und mit mir reden kannst. Wirst du es deiner Mom sagen?"

"Ich denke ich hab keine andere Wahl, aber es wird so schwer für mich. Hilfst du mir dabei?"

"Natürlich!", ich lächelte ihn ermutigend an.

Damit redeten wir noch eine ganze Weile, bis wir uns schließlich was zu Essen machen wollten, da wir unbeschreiblichen Hunger bekamen.

"Jersey du weißt was ich davon halte, wenn Jungs hier übernachten. Nämlich gar nichts! Der Junge sollte schleunigst von hier verschwinden.", sagte mein Vater wütend als wir hinaufgehen wollten.

"Dad er ist mein bester Freund und er hat gerade nun ja... Schwierigkeiten bei sich zuhause. Also bitte lass ihn hier schlafen."

"Wenn es sein muss!", brummte mein Vater skeptisch.

Somit machten wir uns mit unseren selbstgemachten Pizzen auf den Weg in mein Zimmer.

"Ich schlaf dann auf dem Sofa oder?", fragte Ryan.

"Nein nein du kannst ruhig mit in meinem Bett pennen. Es ist schließlich groß genug und außerdem sind wir ja nur Freunde."

Dankbar lächelte er mich an, wir kuschelten uns gemütlich aufs Bett und sahen uns noch einen Film auf Netflix an.

Zwei Stunden später schlief ich auch schon ein.

Am nächsten Morgen als der Wecker uns aufweckte, stellte ich fest, dass ich noch nicht nachgesehen hatte was ich diese Woche für Aufgaben habe.

Etwas ängstlich öffnete ich die Email des Unbekannten.

Deine erste Aufgabe für diese Woche:

Mache ein Video, indem du allen die Wahrheit über deine Jungfräulichkeit erzählst.

Deine zweite Aufgabe für diese Woche:

Lade dieses Video auf deinem Instagram Account hoch.

Ich zitterte am ganzen Leib. Danach würden mich alle mit anderen Augen sehen. Wieso zur Hölle wusste diese Scheiß Person so viel?

Sie kannte alle meine Geheimnisse und Schwächen! Wieso tat sie mir das an?

Anscheinend liefen mir wieder die Tränen an den Wangen herunter, denn Ryan sah mich besorgt an und nahm mich dann in den Arm.

"Wegen der Pflicht?"

Ich murmelte ein leises "Ja" in seine Schultern rein und versuchte mich wieder zu beruhigen.

Er wischte mir fürsorglich die Tränen aus dem Gesicht, dabei hatte er selber tiefe Augenringe.

Gemeinsam machten wir uns für die Schule fertig und liefen zu Ryans Auto.

In der Schule angekommen erwartete uns bereits Grace und neben ihr stand mal wieder der Idiot Kyrie. Wütend starrte ich ihn an und er hob abwehrend die Hände und ging fort. Auch Grace sah von den gestrigen Geschehnissen noch verheult aus. Na toll! Es war gerade erst die zweite Woche und schon verletzte uns diese Person!

Ich hatte dieses verdammte Wahrheit oder Pflicht jetzt schon satt.

Als wir das Gebäude betraten sah ich Bradley, der ebenfalls niedergeschlagen aussah, auf dem Flur. Es war doch verflucht! Dieses verdammte Biest!

Sauer ging ich in den Unterrichtsraum und ließ meine Tasche lautstark auf den Boden fallen. Wieso ließen wir uns das Ganze überhaupt gefallen? Ich denke wir sollten uns einmal zu acht treffen, um darüber zu reden.

Bevor der Unterricht losging, teilte ich Grace meinen Vorschlag mit und sie stimmte mir zu.

Nach dem Unterricht entschloss ich mich, die Sache mit dem Video möglichst schnell hinter mich zu bringen. Ich wollte nicht die komplette Woche damit beschäftigt sein und darüber nachdenken.

Ryan fuhr heute wieder zu sich nachhause, denn sein Vater war auf "Geschäftsreise" und seiner Mom versuchte er so gut es ging auszuweichen.

Somit fuhr ich mit dem Bus nachhause und schloss mich in mein Zimmer ein. Ich nahm mir mein Handy und platzierte es an einem geeigneten Ort auf meinem Schreibtisch.

Dann blickte ich noch einmal in den Spiegel, verabschiedete mich so gut es ging von meiner Schüchternheit und setzte mich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch.

Ich drückte auf das Aufnahmesymbol und begann zu reden.

"H-Hey Leute.", stotterte ich.

Oh man diese Aufnahme konnte ich direkt wieder löschen. Noch einmal atmete ich tief durch und fing jetzt wirklich an zu reden.

"Hey Leute. Es gibt da etwas, das ihr nicht über mich wisst und ich würde es gerne loswerden. Wie ihr alle wisst, beziehungsweise eher denkt, bin ich noch Jungfrau. Allerdings stimmt das biologisch gesehen nicht so ganz. Als ich zwölf Jahre alt war, geschah etwas."

Ich musste kurz eine Pause machen, bevor ich allen die Wahrheit erzählen konnte.

"Also ich wurde mit zwölf Jahren von einem etwa Ende 30 jährigen Mann sexuell belästigt, beziehungsweise ver- vergewaltigt. Ähm ja also das war nicht leicht für mich, es gerade wirklich auszusprechen. Ich möchte dennoch als Jungfrau angesehen werden, denn ich persönlich zähle das nicht als mein erstes Mal und möchte auch nicht, dass es andere tun. Ich hoffe ihr habt dafür Verständnis, denn es hat echt lange gebraucht einigermaßen damit abzuschließen und ich habe es bis heute nicht getan. Danke, dass ihr zugehört habt."

Damit beendete ich das Video. Ich zitterte am ganzen Körper und es kamen wieder Erinnerungen hoch. Wie der Kerl meine Handgelenke festhielt, mich nackt auszog und in mich hinein drang. Noch nie in meinem Leben spürte ich solch einen Schmerz und er hörte einfach nicht auf. Es wurde immer doller und ich kreischte, doch niemand konnte mich hören.

Die Tränen stiegen wieder in mir auf und ich musste mich am Tisch festkrallen, um nicht runterzufallen. Die ganze Geschichte hatte ich bisher nur Grace und meinen Eltern erzählt, doch bald würde es die ganze Welt wissen.

Jersey Chaplin fiel einem Vergewaltiger zum Opfer...

Ich schluchzte und konnte mich kaum beherrschen, nicht gleich laut loszuschreien.

Dann drückte ich auf Hochladen. Jeder konnte dieses Video von nun an sehen!

𝚃𝚛𝚞𝚝𝚑 𝚘𝚛 𝗗𝗮𝗿𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt