Die Hölle

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( Jersey )
„Es sieht mir ganz nach Selbstmord aus. Wenn Sie sagen, dass sie schon vorher in Trance war und aufgewühlt wirkte, dann deutet es zusammen mit den Wunden und der Tatsache, dass sie auf einem Baum gelandet ist daraufhin, dass sie sich selber umbringen wollte", nahm ich eine leise weibliche Stimme neben mir wahr. Doch wie konnte das möglich sein? Ich war doch tot. Ich musste gestorben sein. Wieso war ich noch hier? Vielleicht war ich aber auch schon im Himmel oder besser gesagt in der Hölle, schließlich hatte ich zwei Menschen getötet und mein bester Freund saß dafür im Knast.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und ich öffnete rasch meine Augen und hob meinen Kopf an. Das Einzige was ich sah, waren die Augenpaare dreier Menschen und schon im nächsten Moment fiel mein Kopf zurück nach hinten, ich landete in einem weichen Untergrund und meine Augen schlossen sich erschöpft. Diese Bewegung war wohl etwas zu viel verlangt.

„Sie ist wach!", rief eine Stimme, dieses Mal männlich. Kurz darauf hörte ich zügige Schritte auf mich zukommen.
Hoffentlich würden sie mich jetzt einpacken und endlich mitschleppen in den Tod und die Hölle. Abwartend auf diesen Moment lag ich wie festgeschnürt dort und hielt meine Atmung flach.

Jemand fasste meine rechte Hand an und drückte ganz fest zu. Jetzt würde es passieren. Zum Glück.
Doch nach einer gefühlten Ewigkeit war nichts mehr geschehen. Keiner schleppte mich weg, keiner warf mich ins Feuer, kein Satan holte mich ab. Ich lag weiterhin reglos da, wobei ich nicht einmal wusste wo. War ich überhaupt noch auf dieser Erde?

„Jersey?", fragte ein Mann zögerlich. Jersey. Der Name kam mir bekannt vor. Bloß wusste ich nicht woher.
„Bist du wach?", schob die Person hinterher. Nein, nein. Ich wollte nicht wach sein. Der Tod, war das Einzige, was ich wollte.
Verdammte Scheiße! Vielleicht war das ja schon der Tod... Man lag in einem weichen Untergrund, jemand hielt seine Hand und Personen, die einem bekannt vorkamen prasselten mit Fragen auf einen ein. Ich hatte es zwar nie für möglich gehalten, dass der Tod so aussehen würde oder dass man überhaupt etwas von ihm mitbekam, aber mir gefiel die Vorstellung zunehmend besser. Aber vielleicht war das auch nur eine Täuschung, mich in Sicherheit zu wiegen, um mich dann dem qualvollen Tod zu übergeben. Ich wusste nicht, was ich denken sollte und was ich von dem ganzen Kram hier halten sollte. Aber eins stand fest, ich wollte definitiv nicht wieder zurück auf die Erde, nicht mehr leben und anderen Menschen Schmerz zufügen.

„Jay, BIST DU WACH?", drang die selbe Stimme nun laut und eindringlich in meine Ohren. Man, diese Person war vielleicht hartnäckig. Hoffentlich ging das jetzt nicht immer so weiter. Wenn das der Tod sein sollte, dann war das jedenfalls kein ruhiger Tod, so aufdringlich wie die Menschen um mich herum waren.

„Na komm, wir sollten sie in Ruhe lassen", erklang die weibliche Stimme, woraufhin die Hand mich langsam losließ und ich mich irgendwie einsam fühlte. Was war das hier alles? Wo war ich, wer war ich und vor allem, wer waren die Personen?

Jersey. Jersey war mein Name! Ganz plötzlich kamen wieder Bruchteile in mein Gedächtnis. Er...Der Wald...der Strand...Der Anruf...Das Dach und danach die Leere. Nichts mehr. Und nun war ich hier.

Einige Stunden später
Ich riss meine Augen vor Schreck auf. Alles war dunkel. Meine Augen gewöhnten sich nur schwer an die neue Umgebung, doch dann erkannte ich zwei Umrisse, welche aussahen wie Personen. Instinktiv hielt ich meine Hände beschützend vor den Kopf.

„Hey, wir sind's nur", flüsterte jemand beruhigend und ich merkte, wie sie näher zu mir kamen.
Ich wagte zwischen meinen Fingern hindurch zu gucken und erkannte nun ihre Gesichter. Sie kamen mir bekannt vor, doch wieder einmal wusste ich nicht woher. Es waren zwei Jungs, etwa gleich groß, der eine etwas dunklere Haare als der andere.

„W-wer se- seid ihr?", stotterte ich überrascht darüber, dass man im Tod noch reden konnte.
Die Zwei sahen sich fassungslos an und ihre Augen schienen, als würden sie rausspringen.

„Du weißt nicht, wer wir sind?", rief der Rechte mit weit geöffnetem Mund. Was war denn bloß mit ihm los? Er sollte mal nicht so arrogant sein, dass er denkt jeder kannte ihn.

„Nein, zufällig nicht", betonte ich auch etwas lauter und wieder erstaunt, dass ich dazu in der Lage war.
Die Typen brachen plötzlich in Gelächter aus. Was war bei denen falsch?
„Ach ich liebe es, dass du direkt nach deinem Unfall noch solche Witze machen kannst", lachte der Linke und ich war nun noch verwirrter.

Vielleicht war es besser, wenn ich einfach meine Augen schloss. Sie waren sicherlich nur Illusionen und sie würden verschwinden, sobald ich schlief.
„Jersey, bist du noch da?", fragte der eine.
Sofort schlug ich meine Augen wieder auf.

„Wieso kennst du meinen Namen?", zischte ich den Typen an.
Nochmals starrten sich die beiden geschockt an. Boah, so langsam gingen mir die Idioten echt auf die Nerven. Konnten sie sich nicht einmal klar ausdrücken? Wenn sie die Komplizen des Teufels waren, dann sollten sie mich doch einfach mitnehmen und nicht so eine Scheiße veranstalten oder mich gar auslachen.
Natürlich fingen sie auch jetzt wieder an zu lachen.
„Jay, träumst du gerade noch? Du scheinst nicht ganz da zu sein.

„Mein Gott, es reicht jetzt mit blödem Gelaber, Gelächter oder diesen Blicken. Ich hab es satt! Jetzt lass es uns einfach hinter uns bringen, okay?", schrie ich genervt, damit sie endlich mit dem sinnlosen Zeug aufhörten.

„Was meinst du mit hinter uns bringen?", fragte der Rechte mit hochgezogener Augenbraue. Waren sie denn gar nicht dazu im Stande, etwas zu verstehen?

„Na los, schleppt mich doch endlich hier weg. Ich weiß, dass ihr seine Helfer seid",entgegnete ich barsch.

„Jay, was redest du? Welche Helfer? Ich bin Bradley und das ist Kyrie. Deine Freunde", der Rechte deutete mit dem Finger nach links. Diese Namen kamen mir ebenfalls bekannt vor. Freunde. Was für Freunde?

Mein Gehirn ratterte und da, plötzlich fiel mir etwas ein. Ich erinnerte mich tatsächlich an die beiden. Bradley. Ich war fast mit ihm zusammen und ich hatte Gefühle für ihn. Kyrie, sein bester Freund. Mehr wusste ich nicht, aber es genügte.

„A- aber ich bin doch tot", stellte ich leise fest.
Bradley runzelte die Stirn und Kyrie sah mich gebannt an.
„Ihr solltet mich doch in die Hölle bringen. Verdammt, ihr solltet mich hier wegschaffen. Weg, von der Erde und von all den Menschen. Ich will hier nicht mehr sein. B-bin ich etwa noch auf der Erde?", der letzte Satz war nur noch ein leises Flüstern.

„Natürlich bist du noch auf der Erde. Du bist hier. Bei deinen Freunden. Wir sind bei dir und wir werden dich nicht verlassen, hast du das verstanden? Du wirst auf der Welt bleiben. Du wirst geliebt und wir brauchen dich hier. Bitte denk nicht noch einmal daran, uns zu verlassen", wisperte Bradley.

Mit einem Mal fielen mir die Augen wieder zu. Ich wurde von der Dunkelheit und der Tiefe des Schlafs umfangen und bekam nichts mehr von der Welt mit.

𝚃𝚛𝚞𝚝𝚑 𝚘𝚛 𝗗𝗮𝗿𝗲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt