Kapitel 5

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Es war, als zersprang etwas in Lyrics Innern. Dieses Lied. Er hatte es seit hunderten Jahren nicht gehört. Nein, das war nicht richtig. Das letzte Mal, dass er es gehört hatte, war kurz vor dem Tod seiner Eltern gewesen. Lyrics Knie gaben nach, als sich dieses hässliche Gefühl in seinem Innern ausbreitete. Mit Gewalt drängte er die Erinnerungen zurück, die an die Oberfläche zu kommen drohten.

Er atmete tief ein und aus. Zählte, bis sich sein Herz wieder beruhigte. Dann schaute er zu Nix auf.

Wuterfüllte Augen starrten Nix entgegen. Lyrics wunderschönes Gesicht hatte einen Ausdruck von Hass und Wut angenommen.

„Was soll das?", fragte er mit kalter Stimme. Hatte Nix etwa einen wunden Punkt getroffen? Interessant.

„Beruhige dich. Dieses Lied ist der Hinweis, wie der zweite Schlüssel zu erlangen ist."

Lyrics Augen verengten sich und er schwieg. Nix fuhr fort: „Es ist nicht vollständig, also nutzlos. Der Einzige, der die verlorenen Strophen kennt, bist du." Die verlorenen Strophen...

„Vergiss es. Ich gehe", sagte Lyric und drehte sich um.

„Lyric. Nenn mir den Laut der Strophen."

Es war keine Heiterkeit mehr in Nix' Stimme. Lyrics Schultern verkrampften sich. Er hasste jede Sekunde, doch wenn dies der Preis war, hier wegzukommen, würde er ihn zahlen. Er öffnete die Lippen. Das Bild seiner Mutter, die mit einem Lächeln dieses Lied sang, erschien vor seinen Augen.

„Hell ertöne der Gesang,
Erbebet hier die Kette da,
Als er um die Freiheit rang,
Hörte er die Uhr so nah.

Ging er zügig immer weiter,
Wie ein kleines Opferlamm,
Stolperte er immer doch so heiter,
Über einen silb'nern Kamm,

Nimm den Stift der Freiheit hin,
Schreibe deine kühnen Worte,
Öffne deinen Mund und sing,
Die Wünsche deines Herzens Horte.

Fliege hoch mein kleiner Vogel,
Fliege hoch, soweit es geht,
Doch gibt acht mein kleiner Vogel,
Sinke, wenn der Wind sich dreht.

Finde diese sieben Sachen,
Leg sie um sein Gitter dort,
Bald erklingt sein helles Lachen
Und die Schwingen fliegen fort."

Ein Lächeln breitete sich auf Nix' Gesicht aus.

„Hervorragend. Damit habe ich alles, was ich brauche."

Lyrics Schulter sackten ab.

„Dann werde ich nun gehen", sagte er zu dem Orakel. Dieses stieß erneut ein leises Lachen aus und sein Blick veränderte sich.

„Tut mir leid, aber das ist nicht möglich."

Was? Warum?

„Wie willst du mich daran hindern?", fragte Lyrics mit einer abwehrenden Haltung.

Nix stand auf und ging auf ihn zu, ohne auch nur für eine Sekunde den Augenkontakt zu unterbrechen. Als er etwa einen halben Meter vor ihm stand, lächelte er erneut und antwortete: „Weil du mich auf der Suche nach den sieben Gegenständen in dem Kinderlied begleiten wirst."

Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Lyric taumelte zurück. Was redet er für einen Unsinn? Ist er dem Wahnsinn verfallen?

Nix konnte die Ungläubigkeit auf Lyrics Gesicht erkennen. Nicht gerade die Reaktion, die er erwartet hatte, aber was soll's?

„Um deine Frage genauer zu beantworten, du hast keine Wahl. Erstens, dass hier ist eine Höhle inmitten eines Berges, die du nur mit meiner Erlaubnis verlassen kannst. Somit gibt es keinen Fluchtweg."

Nix - ein schicksalhafter Kuss (BAND 3) ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt