18 - Novemberkälte (1)

25 7 13
                                    

Und so plötzlich gab es kein Zurück mehr, außer sich darauf einzulassen, nächsten Freitag mit Clara zu einem Dönerladen zu gehen, den sie vorgeschlagen hatte. Ein Treffen wie in alten Zeiten.

Clara wartete schon draußen vor dem Eingang, der in der Nähe von Eliotts Zimmers war, als er aus der Tür ging. Sie sah genau aus, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Outfit war hübsch, aber nicht übertrieben; Sie trug eine zerrissene Jeans und eine Winterjacke, die sie vermutlich der Mode wegen nicht geschlossen hatte. Darunter war ein eleganter Pullover. Außerdem schien sie sich, wie meistens, die Haare geglättet zu haben.

Eliott bereute fast, dass er einfach so wie er war in Jogginghose und Pulli losgegangen war. Schon allein wegen den Temperaturen; Es war mittlerweile November und der Frost fing langsam an.

„Los geht's", lächelte sie, als er neben ihr angekommen war. Erst jetzt bemerkte er, wie sehr er ihre Stimme wirklich vermisst hatte. Es war so eine Gewohnheit gewesen, sie regelmäßig zu hören, aber das hatte schließlich seinetwegen ein Ende genommen.

Noch in Gedanken versunken lief er dann aber mit ihr los.

„Und, wie war so das Praktikum?", fragte Clara vorsichtig nach einer kurzen Stille. In ihrer Stimme klang eine deutliche Unsicherheit durch. Natürlich mussten in ihrem Kopf so viele Fragen sein, was zwischen den beiden passiert war. Wie Eliott erwartet hatte, war ihre Taktik wohl einfach zu tun, als wäre alles normal, damit alles wieder normal wurde. Eigentlich war das ja gut, aber wie erwartet wirkte schon das hier schon jetzt wie ein riesiger Fehler. Alle Gefühle, die er für immer verdrängen wollte, alle Gefühle, von denen er tun wollte, als wären sie nicht mehr da, all die kamen wieder hervor, als er sie sah. Als sie ihn anlächelte. Als sie mit ihm redete.

Es war, als wären die 6 Monate Praktikum, die 6 Monate Abstand nie gewesen. Dieses Gefühl in seinem Bauch, wenn sie ihn ansah. Das Lächeln auf seinen Lippen, wenn sie redete. Nichts war verschwunden. Alles überkam ihn wieder. Das Treffen war eindeutig ein Fehler, der zu spät zu verhindern war. Wie sollte er jetzt schon wieder darüber hinwegkommen? Es war zwar nur eine kurze Theoriephase und nächsten Monat würden sie schon wieder abreisen, doch bis dahin war vermutlich schon wieder genug Schaden in seinem Herzen angerichtet, als dass er einfach darüber hinwegkommen konnte, wie er es doch eigentlich wollte.

„Ganz gut eigentlich", beantwortete er nun ihre Frage, wie sein Praktikum war, ohne auch nur eins der Gefühle zu zeigen, dass sich gerade in ihm ausbreitete.

„Echt? Das freut mich. Meins war echt langweilig, muss ich sagen. Ich hatte irgendwie nicht viel zu tun. Konntest du normal mitarbeiten?", versuchte Clara weiter ein Gespräch aufzubauen. Und wenn sie schließlich noch den ganzen Abend vor sich hatten, beschloss Eliott darauf einzugehen. Einander anzuschweigen würde die Situation für beide nur noch schlimmer machen.

Warum versuchte Clara so sehr die Freundschaft wiederzugewinnen? Sie kam immer wieder zurück, egal wie oft er sie von sich stieß. War er ihr echt so wichtig? Sie kannte doch genug Leute hier. Immer und immer wieder hatte sie den Sommer über etwas mit verschiedenen Freunden unternommen. Was war es, dass sie wieder zurückkommen ließ? Natürlich waren die beiden ziemlich gut befreundet gewesen und wussten eine Menge über den anderen, aber auch das war sicher keine einmalige Freundschaft. Oder strebte sie einfach nach dem was sie nicht haben konnte? Wollte sie deswegen keine Beziehung von Phil, der für sie zu haben war, aber stattdessen Noah, der ein guter Freund von Phil war? Und hatte sie nicht über ähnliche Situation von früher erzählt, die auf normale Freundschaften bezogen waren? War Eliott also einfach ein weiteres Ziel, was es zu erreichen galt, weil es unerreichbar wirkte?

Die beiden unterhielten sich noch eine Weile weiter über das Praktikum. Eliott erzählte Details. Er erklärte ihr was interessant war, was eher blöd gelaufen war. Und er erzählte alle Kleinigkeiten, die er ihr schon seit Ewigkeiten so gerne erzählt hätte. Über seinen Arbeitsplatz, über seinen Ausbilder Karl und über die Kollegen aus der Abteilung.

Das Gespräch fing langsam an zu werden und die Situation mehr wie früher zu werden, auch wenn sich bis jetzt keiner getraut hatte ein nicht oberflächliches Thema anzusprechen. Das Treffen war wirklich, was er so sehr vermisst hatte, aber auch das, was er eigentlich hatte verhindern wollen.

Mittlerweile waren sie am Dönerladen angekommen, den Clara vorgeschlagen hatte. Wie sie schon erklärt hatte, war es kein normaler schäbiger Eckladen, sondern eher ein Dönerladen nach Hipsterstyle. Der Laden war sauber, hatte eine große Theke und die Auswahl ging von Döner über Ofenkartoffeln bis zu „Salatbowls". Auch die Einrichtung war modern. Die beiden gaben ihre Bestellung auf, als sie nach kurzem Warten dran waren; Clara nahm eine viel zu gesund klingende Couscous-Gemüse-Bowl, während Eliott lieber beim klassischen Döner blieb. Danach entschieden sie sich für einen kleinen Holztisch, der nicht zu nah am Eingang war, um die kalte Luft zu vermeiden.

„Das sieht schon wieder abartig gesund aus, was du da hast", fing Eliott erneut stichelnd ein Gespräch an, der daraufhin ein empörtes „Oha, nimm dir mal lieber ein Beispiel an mir". Clara lachte. Es war das Lachen was er lange vermisst hatte.

„Außerdem ist das sogar vegan, dass macht es besser", zeigte Clara nun auf einen identifizierbaren weißen Klecks auf das Essen des Nachbartisches, „und ich habe angefangen jetzt komplett auf Fleisch zu verzichten". Damit hatte Eliott ein Thema angerissen, durch das keine unangenehme Stille mehr entstehen würde. Sobald Clara sich einmal sicher fühlte konnte sie unendlich viel reden und damit hatte sie gerade wieder begonnen. Eliott sah sie einfach nur an. Ab und zu gab er ein „hmm, ja da hast du Recht" oder ein zustimmendes Nicken von sich, aber sonst ließ er einfach die Situation auf sich einwirken. Wie Clara redete, als wären die letzten Monate Abstand nie passiert. Als wäre sie wirklich froh gewesen, Eliott endlich wieder zu sehen. Womit hatte er es nur verdient, dass sie immer noch auf ihn zurückkam. Normalerweise konnte sie Menschen ziemlich schnell aus ihrem Leben streichen, scheinbar hatte sie es aber nicht mit ihm gemacht. Es war ein Rätsel.

Wie hätte sich wohl alles entwickelt, wäre er damals einfach ehrlich zu ihr gewesen? Sie hätten sicherlich doch durch alle Probleme durchkommen können. Wer weiß, hätte er anders gehandelt, wäre das hier vielleicht sogar ein Date gewesen. Aber das war es nicht, schlug wieder die Realität auf Eliott ein. Das war es nicht, weil er es nicht wollte. Weil sie es nicht wollte.

Clara kam langsam zum Ende ihres Monologs und die beiden gingen über ein paar andere oberflächliche Themen.

„Und wie geht's Noah?", sprach Eliott nun die Frage aus, die ihm schon länger im Kopf herumschwirrte, als sie noch auf das Essen warteten. Er hatte nichts davon gehört, dass die beiden sich weiter nähergekommen waren. Aber auch hatte er nicht das Gegenteil gehört. Das einzige Indiz war ein nicht-Vorhandensein eines Herzens und eines Buchstabens auf ihren Social Media Profilen. Schon den ganzen Tag hatte er Angst vor der Antwort auf die Frage, aber er hatte sich fest vorgenommen, sie zu stellen.

---

Sorry, kurzer cut wieder, weil ihr hier ein längeres Kapitel habt. Der zweite Teil kommt wie gewohnt Dienstag<3

Eliott und Clara reden endlich wieder. Irgendwelche Gedanken, die euch durch den Kopf gehen?

Rosa Ombré | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt