23 - Rückziehphase

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„Eliott, wie sieht's aus? Nächste Woche Lagerfeuer bei mir?", lautete die Nachricht von Christian, die der Grund war, warum Eliott gerade wieder in dessen Garten neben einem Lagerfeuer saß.

Es war das bis jetzt heißeste Wochenende des Jahr. Mittlerweile war es Juni und die Zeit war einfach vor sich hingelaufen, ohne dass wirklich etwas passiert war. Eliott lebte einfach vor sich hin, als würde er auf ein Ereignis warten, ohne zu wissen worauf er wartete. Jeden Morgen hieß es einfach den Tag überleben, um wieder ins Bett gehen zu können. Und das jeden Tag, jede Woche, jeden Monat.

Die Weihnachtsfeiertage waren schnell vorbei gegangen. Neujahr hatten seine und Christians Familie zusammen verbracht, da auch ihre Eltern befreundet waren. Im Januar ging sein Praktikum weiter. Und seitdem gab es jeden Tag den gleichen Ablauf. Er stand auf, nahm den Bus zur Arbeit, begrüßte seine Kollegen und machte, ab und zu eine Aufgabe. Meistens hatte aber keiner wirklich Zeit für ihn und er bekam Unterlagen, mit denen er sich selbst etwas beibringen konnte. Nach genau der Zeit, die er dort sein musste, verließ er das Büro und begab sich auf den Rückweg. Auch seine Abende waren alle ähnlich. Entweder er spielte mit Freunden Online Spiele, oder er sah sich Filme an. Zwei Wochen im April hatte er sich Urlaub genommen, nur um dann doch nichts anderes als sonst zu machen. Seine Eltern hatten aufgegeben zu versuchen, ihn aus seinem Zimmer rauszuholen. Auch seine Freunde hatten sich kaum noch gemeldet, wenn sie nicht online zusammenspielten. Anthony hatte sich ab und zu mal erkundigt, wie sein Praktikum so läuft, aber das war auch sein einziger Kontakt zum Studium.

Niemanden interessierte es nach einer Weile, dass er einfach alles schleifen ließ. Für seine Eltern war es einfach eine weitere seiner Phasen, die einfach etwas länger dauerte, als sonst. Auch seine Schwester schien andere Interessen zu haben statt zu versuchen, jemandem zu helfen, der sich nicht einmal helfen lassen wollte.

Clara tat, was er von ihr verlangt hatte. Sie hatte sich nicht einmal gemeldet. Auch er hatte sie mehr gemieden denn je. Er likte keine Bilder mehr, die sie auf Instagram hochlud und sah sich erst recht nicht mehr ihre Storys an. Es war sein endgültiger Schlussstrich gewesen. Es hatte keinen Sinn sich anzusehen, wie sie glücklich weiter ihr Leben lebte, neue Freunde fand und immer etwas unternahm. Wer hätte gedacht, dass auch sie einfach seine Entscheidung akzeptierte? Dass sie ihn nicht weiter drängte. Nicht bettelte, keinen Versuch unternahm. Alles lief, wie es sollte. Und nach und nach verschwanden auch die Schmetterlinge im Bauch, die normalerweise da waren, wenn er an Clara denken musste. Aber ihr letztes Treffen, ihr letzter Kontakt war lange her. Vielleicht war es doch, wie alle sagten und die Zeit heilte wirklich Wunden.

Trotzdem blieb ihm eine Frage immer weiter im Kopf; Warum hatte sich Clara ohne weiter zu fragen wirklich nie wieder gemeldet? Hatte es sie zu sehr verletzt und sie hatte rational entschieden, dass er nicht der Richtige ist? Oder respektierte sie ihn einfach so sehr, dass sie seine ohnehin schon schwere Entscheidung nicht noch schwerer machen wollte? Oder war er einfach ein weiterer Noah, der eine Zeit lang interessant war, sie aber einfach schnell alle Gefühle wieder verlor, als sie sich eine längere Zeit nicht sahen. Eins stand fest, er würde die Antwort niemals erfahren. Denn der Schlussstrich war gezogen und es hatte ihm echt gutgetan. Die schlaflosen Nächte waren weniger geworden. All die Gedanken über sie waren weniger geworden. Und deshalb würde er die Freundschaft einfach ruhen lassen. Für immer. Wie er schon vorher festgestellt hatte, sie waren einfach nicht für einander bestimmt. Sie teilten einige Momente in der Vergangenheit, für die er dankbar war, aber das war es. Es gab noch genug Menschen da draußen, die in ihm sicher die gleichen Gefühle auslösen konnten.

„Eliott, noch da? Oder nur noch deine Hülle", Christian lachte. Eliott war komplett in Gedanken versunken gewesen und scheinbar wurde er angesprochen.

„Sorry, was?", fragte er also.

„Kommst du mit, das Bier aus dem Keller holen? Die anderen kommen sicherlich gleich".

Rosa Ombré | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt