13 - Zweitversuchsalternative

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„Sie haben die Prüfungen leider nicht ganz geschafft. Ein Fach müssen sie wiederholen", hatte die Stimme am anderen Ende der Leitung gesagt, nachdem Eliott die Prüfungsorganisation angerufen hatte.

Das war nun zwei Wochen her und ließ ihm keine Ruhe.

„Hey, wollen wir uns nochmal treffen, bevor ich wieder wegfahre?", hatte er eine Nachricht von Jessica, dem Mädchen vom Lagerfeuer, bekommen.

Das war vor ein paar Minuten und ließ ihm keine Ruhe.

Und dann waren die wie immer die Gedanken über Clara auch wenn es schon so lange her war, dass sie das letzte Mal miteinander telefoniert hatten.

Das war drei Monaten und ließen ihm ebenfalls keine Ruhe.

Deshalb beschloss Eliott wieder Christian anzurufen. Sie waren auch schon in der Schule immer gut befreundet gewesen, aber Eliott hatte das Gefühl, seitdem sie diese überstanden hatten und gerade seit dem letzten Treffen wurde die Freundschaft noch besser. Auch wenn er vorher nie über sein Leben in Köln geredet hatte. Aber die Neuigkeiten waren schließlich am Lagerfeuerabend alle wieder nachgeholt worden.

Eliott schaltete seinen PC an und sah, dass Christian, wie erwartet, online war. Also schloss er sein Headset an und klickte auf den Anrufen-Button neben „RealChris35", Christians Onlinenamen.

„Eliott, so schnell hört man schon wieder was von dir. Ist ja ein richtiges Wunder", scherzte er, auch wenn beide wussten, dass etwas Wahrheit dahintersteckte. Er schien kurz zu überlegen - „Mein Beileid zu deinem Großvater übrigens, hab das von Julian mitbekommen".

Eliott bedankte sich, aber bevor er zu Ende sprechen könnte, fiel ihm Christian schon wieder ins Wort: „Aber genug davon, warum rufst du an? Das Mädchen?". „Das Mädchen", Eliott war überrascht welch eine große Rolle Clara mittlerweile schon spielte, dass bei „das Mädchen" schon jeder sofort wusste, dass es um sie ging. Soweit hätte es nie kommen sollen und dürfen.

„Auch", antwortete er also, „aber ich musste gerade einfach mal eine andere Stimme hören und hatte zu viele Gedanken im Kopf. Ich habe eine Bewerbung abgeschickt, für ein Studium hier in der Nähe. Ich weiß nicht, ob das eine gute oder schlechte Idee ist".

„Eine Bewerbung? Was ist mit deinem aktuellen Studium passiert?", fragte Christian verwundert.

Ja, was war mit dem aktuellen Studium passiert? Die Prüfungen liefen nicht so gut wie erhofft und es würden noch viele weitere kommen. Das Praktikum war okay, aber echt nichts was er sein Leben lang machen wollte. Niemand war mit Motivation am Arbeitsplatz. Jeder arbeitete nur um Feierabend zu bekommen und das jeden Tag.

Und vielleicht würde er einfach das ganze jetzige Studium hinter sich lassen können, wenn er durchfällt. Kontakt hatte er sowieso zu niemandem mehr wirklich. Damian schrieb er ganz selten mal, mit Henry hatte er auch meistens nur der Umstände wegen Kontakt gehabt und das war im Praktikum nicht mehr nötig. Und auch Clara würde kein Teil seines Lebens mehr sein. Auch wenn seine Gefühle noch nicht so weit weg waren, wie erhofft, so würde es in nächster Zeit sicherlich noch passieren, falls es sicher war, dass er sie nicht wiedersah. Sie würde sich dann bestimmt nicht mehr melden. Auch wenn er zwar anfangs einfach nur über die Gefühle hinwegkommen wollte und die Freundschaft weiter fortführen wollte, um sie nicht zu verletzen. Vielleicht war das ja sowieso schon zu spät. Sie kam auch jetzt ohne ihn klar. Dann brauchte sie ihn Zukunft schließlich auch nicht mehr.

„Die Prüfungen liefen nicht so gut", antwortete er statt das Chaos in seinem Kopf in sortierten Sätzen auszugeben.

„Hast du keinen Zweitversuch? Oder willst du aufgeben?", hakte Christian nach.

„Nein, das ist es nicht. Aber ich suche nach Alternativen. Wenn ich das Studium einmal bestanden hab, muss ich da für ein paar Jahre arbeiten, wo ich gerade Praktikum mache. Und ich weiß nicht, ob mir das so gefällt".

Nach einer kurzen Überlegungspause fragte Christian dann schließlich: „Und was gibts Neues von deinem Mädchen? Hat sie sich wieder gemeldet?"

„Sie ist nicht mein Mädchen".

„Clara dann eben, du weißt genau wen ich meine".

Eliott erklärte erneut: „Das hatten wir doch schon, ich versuche keinen Kontakt mehr zu haben und sie meldet sich auch nicht mehr. Alles wie es sein sollte".

„Aber du bist dir sicher, dass da noch etwas zwischen ihr und diesem anderen Typen läuft? Was ist, wenn du doch eine Chance hast?", überlegt Christian, der schließlich die ganze Vorgeschichte nicht kannte.

„Ich weiß nicht, ob noch was zwischen den beiden läuft. Aber das tat es auf jeden Fall, als wir noch Kontakt hatten. Und darum geht es auch nicht. Sie ist einfach Tabu, wir sind normale Freunde. Ich muss einfach nur über meine Gefühle hinwegkommen, dann wird alles wieder normal".

„Über deine Gefühle hinwegkommen? Meinst du nicht, du machst dir das ein bisschen zu einfach? Glaubst du das bleibt so, wenn du sie wiedersiehst?", traf Christian einen wunden Punkt. Denn Eliott konnte nicht einmal jetzt sagen, dass er über sie hinweg war und es blieb nicht mehr viel Zeit. Wie sollte das erst werden, wenn er sie wiedersieht? Ein halbes Jahr ohne sie wirkte wie die perfekte Zeit um über sie hinweg zu kommen, aber scheinbar war das einfach nur Eliotts Wunschvorstellung gewesen.

„Naja ich möchte dir da ja auch gar nicht reinreden", entschuldigte sich Christian, als Eliott nicht direkt antwortete, „du machst das schon irgendwie. Erinnerst du dich an all die Gespräche, die wir schon über irgendwelche Mädchen hatten? Stephanie zum Beispiel. Es ist nicht das erste Mal, dass du denkst du kommst nicht drüber hinweg. Und bis jetzt hast du es doch jedes Mal geschafft".

Und ein bisschen half er damit wirklich. Eliott durfte das alles nicht so subjektiv sehen. Man dachte immer, die Probleme wären schlimm, wenn sie gerade aktuell waren, aber bis jetzt ist er jedes einzelne Mal drüber hinweggekommen. Nicht immer ohne andere zu verletzen jedoch und das wollte er gerade jetzt verhindern. Wenn er doch bloß wüsste, wie es Clara mit all dem ging. Aber um sie zu fragen, musste er ihr die Wahrheit erzählen, das würde ihre Freundschaft verändern und das war keine Option.

Vielleicht brauchte er einfach Ablenkung. Ablenkung mit jemandem, der vielleicht auch nur Ablenkung wollte; Jessica. Etwas Ernstes wollte sie sicherlich auch nicht. Dafür waren sie und ihre Leben zu verschieden. Und wem würde schon ein Date schaden?

Also öffnete er ihre Nachricht, die er bis jetzt nur kurz angesehen hatte und schrieb zurück. Alles, was ihm half, Clara von dem Podest in seinen Gedanken zu holen, war ein Schritt in die richtige Richtung.

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Ein Treffen mit Jessica soll also folgen? Was sagt ihr dazu? Unerwartet? Gute Entscheidung?

Weiter gehts dann wie immer am Dienstag <3

Rosa Ombré | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt