„Gib mir fünf Minuten. Ich hol mir eine Jacke und meinen Autoschlüssel", waren ihre letzten Worte bevor sie aus seinem Sichtfeld verschwand, ohne ihm Zeit für eine Antwort zu geben.
Schneller als Eliott sich versah und schneller als er sich Gedanken darüber machen konnte, ob es wirklich die beste Lösung war, saß er auf dem Beifahrersitz eines Autos, in dem er lange nicht gesessen hatte. Clara tippte die Adresse, die er ihr eben genannt hatte, in ihr Handy ein, das sie als Navi benutzte. Während dieses noch einen Moment zum Laden benötigte, begann sie schon auszuparken, vermutlich, um keine Zeit zu verlieren. Im Hintergrund hatte sich ihr Auto scheinbar mit der Musik-App verbunden und spielte ihre zuletzt gehörte Playlist ab. Es war ein Song, bei dem er sich schon damals gefreut hatte, dass sie ihn auch hörte. Als sie dann schließlich „Navigation starten" auswählte und ihr Handy noch „Voraussichtliche Ankunftszeit 20.12 Uhr" in der typischen Navigationsstimme sagte, fuhr sie von dem Uniparkplatz runter, Richtung Eliotts Heimat.
Wie hatte er sich das vorgestellt? Heute war erst Donnerstag, beide würden morgen Unterricht haben. Vermutlich würde er sich einfach krankmelden, das Ganze war ihm ziemlich egal, er wollte nur für Camilla da sein. Aber Clara, was würde sie tun?
„Hast du dich bei deinen Eltern gemeldet? Da fahren wir doch hin, oder?", fragte Clara schließlich, als die beiden schon einige Minuten auf der Autobahn fuhren. Noch immer hatte sie kein Wort über Camilla verloren, aber allein die Tatsache, dass sie sich sofort ungefragt mit ihm ins Auto setzte, zeigte ihr Verständnis und vermutlich Mitleid.
Eliotts Gedanken waren immer noch ein riesiger Wirrwarr, sodass er wirklich noch keinen Gedanken daran verschwendet hatte, seine Mutter zurückzurufen, nachdem er das Gespräch vorhin so schnell abgebrochen hatte. Er öffnete also wieder die Anruf-App und tippte auf „zu Hause". Sein Vater nahm den Hörer ab „Anderson hier, hallo" - scheinbar hatte sich immer noch niemand darum gekümmert, Nummern in das Festnetztelefon einzugeben - „Ich bins, Papa", begann Eliott, „ist Mama da?". Er bevorzugte mit seiner Mutter zu reden, da diese auch schon die war, die vorhin angerufen hatte. Sein Vater erklärte dann, dass sie und seine Schwester Katharina, beim Tierarzt sitzen würden und auf irgendeine Veränderung warteten. Eliott antwortete also nur knapp, er würde es dann auf dem Handy seiner Mutter versuchen, legte auf und setzte seinen Beschluss in Tat um. Frau Anderson war erst gar nicht begeistert zu hören, dass Eliott ohne weiter darüber nachzudenken einfach losgefahren war, aber schließlich waren alle zu fertig um länger zu diskutieren und sie schickte die Adresse vom Tierarzt, sodass Eliott direkt dahin kommen konnte.
„Meine Mutter meint ich soll mich bei dir bedanken, also Danke", sagte er vorsichtig und gestellt in Claras Richtung, nachdem er aufgelegt hatte. Ihm fiel auf, dass er das noch gar nicht getan hatte, weil er ein einfaches Danke schon zu wenig fand. „Aber nicht nur fürs Fahren, sondern fürs da sein", hing er noch hinten dran.
„Du brauchst dich nicht bedanken, ist doch selbstverständlich", antwortete diese lediglich, während sie ihren Blick weiter konzentriert auf die Straße gerichtet hatte.
Es war ihm unangenehm, dass Clara noch immer so für ihn da war, nachdem er sie so oft verletzt hatte. Erst weil er das Beste für sich selbst wollte, dann weil er sie nicht noch stärker verletzen wollte. War sie vielleicht doch nicht so über ihn hinweggekommen, wie er es angenommen hatte und wie es in den letzten Tagen wirkte? Dabei war sie jetzt so anders, so selbstbewusst, so viele Ligen höher. Einerseits vom neuen Aussehen, aber vor allem von ihrer Ausstrahlung. Sie wirkte nicht mehr wie das verletzliche und brave Mädchen, das kämpfte um glücklicher zu werden, das er kennengelernt hatte, mit dem er so viele tiefe Gespräche geführt hatte. Sie wirkte neuerdings so lebensfroh und spontan. Die Clara, die er kannte hätte sich niemals einfach die Haare rosa gefärbt, weil sie viel zu viel Angst gehabt hätte, es könnte anderen nicht gefallen. Sie wirkte, als würde sie schlussendlich einfach das tun, was sie wollte und nicht mehr auf die anderen hören. Und entweder hatte es wirklich gewirkt und sie ist endlich bei der Glücklichkeit angekommen, für die sie immer gekämpft hatte oder sie hat es geschafft eine noch bessere Maske aufzusetzen, als die, die sie früher schon getragen hatte.
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Rosa Ombré | ✓
RomanceEliott Anderson. Ein Junge, der einiges durchgemacht hat. Die Schule war Vergangenheit. Nun heißt es Umzug nach Köln und Studentenleben. Clara Skinner. Erst Mauerblümchen, dann Spalier-Rose.Ein Name, den er vor Beginn des Studiums nicht einmal gehör...