05 - 36 Fragen zum Verlieben (2)

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„Okay, meine Lebensgeschichte ab Studium kennst du ja eigentlich schon. Aber fangen wir vorne an", begann Clara.

Sie fing an zu erklären: „Also du musst wissen, ich war früher ganz...", sie überlegte kurz, „anders. Seit dem Studium habe ich mich ziemlich verändert, absichtlich. Aber egal, fangen wir vorne bei der Kindheit an. Ich bin Einzelkind und habe immer mit meinen Eltern in einer Wohnung gewohnt. Als ich so vier Jahre alt war, sind wir einmal umgezogen. Als Kind war ich immer schon ziemlich fröhlich aber auch echt schüchtern." Eliott lächelte, Clara in schüchtern konnte er sich gar nicht vorstellen.

„Dann kam die Schule und ich hatte da echt schnell keine Lust mehr drauf", redete sie weiter, „gerade auf der weiterführenden Schule habe ich es echt gehasst. Nicht weil irgendetwas schlimm war, aber es war einfach so. Ich mochte die Leute, mit denen ich zu tun hatte, nicht. Trotzdem blieb ich mit ihnen befreundet, nur um nicht alleine dazusitzen. Alleine die Pause zu verbringen oder alleine vom Bahnhof zur Schule zu gehen war immer unvorstellbar. Also blieb ich in dem Freundkreis und hasste jeden Tag. Deswegen lässt sich meine Schulzeit auch ziemlich schnell zusammenfassen. Neben der Schule habe ich noch Volleyball gespielt, bis zum Abitur eigentlich, das waren dann so fünf Jahre. Das war das einzige, was wirklich Spaß gemacht hatte. Und da waren auch ein paar ganz nette Menschen. Eine Beziehung hatte ich ein einziges Mal in der neunten Klasse, die nicht einmal drei Monate gehalten hatte. Ich kannte ihn durch eine Freundin vom Volleyball. Aber naja, er war einfach nicht der richtige, das habe ich dann ziemlich plötzlich festgestellt und ich wollte ihn, auch wenn das vielleicht nicht nett war, einfach nicht mehr in meinem Leben haben. Seitdem hat es beziehungstechnisch nie wieder funktioniert, ich wollte wohl immer was von den Falschen", sie lachte kurz, auch wenn es eher ein verzweifeltes Lachen klang. Noah war vermutlich ein weiterer dieser Falschen, dachte sich Eliot, sprach es aber nicht aus.

„Naja und den Rest kennst du ja teilweise schon. Ich hatte beschlossen unbedingt von zu Hause wegzuziehen. Und da hat sich das Studium hier angeboten. Wir werden bezahlt, während dem Praktikum kann ich an verschiedene Orte, sonst wohnen wir hier im Wohnheim. Und ich habe die ganze letzte Zeit darauf gewartet, hier quasi ein neues Leben anzufangen. Und ich wollte mich nicht mehr in das kleine glückliche Mädchen verstellen, das immer tut was andere wollen. Sondern einfach Leben und Fehler machen. Weil ich früher jedem Fehler ausgewichen bin. Ich habe auch nie getrunken vorher, weil ich nicht wusste mit wem und Angst hatte dann ehrlich zu sein. Aber naja das ist Vergangenheit. Hier habe ich nichts zu befürchten. Und ja das andere habe ich ja schon erzählt. Ich habe Phil kennengelernt, dann ziemlich schnell gemerkt, dass das nichts wird und jetzt läuft halt das mit Noah". Dabei betonte sie das „das" leicht abwertend. Vermutlich war das noch der kleine brave Teil in ihr, für deine F+ nach keiner guten Idee klang. Falls es denn überhaupt so war. Vielleicht waren die beiden sich auch wirklich nur am Kennenlernen. Eliott würde das irgendwann noch fragen, aber gerade konzentrierte er sich auf die 4-Minuten Erklärung, aus der sogar 5 geworden waren.

Und vermutlich war das die Frage gewesen, die ihn heute am meisten über Clara hat lernen lassen. Jetzt verstand er langsam warum sie war, wie sie war. Ihr ganzes Leben lang war sie das unbedeutende, nicht beachtenswerte Mauerblümchen. Jetzt wollte sie gesehen werden. Kleine graue Maus zur Partyqueen, um es einfach auszudrücken. Sie hatte sich einfach in das neue Leben geschmissen und handelte, ohne wirklich nachzudenken. Sie tat, was sie wollte. Sie ging jedes Risiko ein. Ihr Ziel war so viel Erfahrung wie möglich durch alle möglichen Fehler zu sammeln. Es war bemerkenswert. Es musste viel Kraft gekostet haben, all das durchzustehen und es muss viel Schmerz gewesen sein, der zu der Entscheidung geführt hat. Aber sie war wo sie nun war und auf Eliott machte sie einen besseren Eindruck, als sie früher gemacht haben musste. Und sie schien ehrlich zu sein, das wusste er echt zu schätzen. Auch wenn es ihm selten jemand glaubte er wollte nie lügen. Er würde vielleicht nicht immer alles erzählen, doch die Worte aus seinem Mund sollten keine Lügen sein, das hatte er sich eines Tages vorgenommen und seitdem durchgezogen.

Mittlerweile war es schon 2 Uhr nachts, doch sie hatten aus irgendeinem Grund beschlossen, die Fragen bis zum Ende durchzuziehen. Also redeten sie weiter über die Eigenschaften, über bisherige Erfolge und die Zukunft. Clara schien keine Angst mehr vor der Zukunft zu haben und gleichzeitig nichts mehr als das zu fürchten. Sie ließ sie einfach auf sie zukommen, aber trotzdem war ihre größte Angst, niemals glücklich zu werden. Und damit sprach sie Eliott ziemlich aus der Seele. Sie brauchte kein großes Haus mit Garten, aber sie wünschte sich eine Familie. Auch das traf seine Gedanken. Nie hätte er gedacht, als er das glücklich wirkende Mädchen zum ersten Mal gesehen hat, dass sie so viele Gemeinsamkeiten hatten.

Und so gingen ihre Fragen weiter.

Was wolltest du schon immer mal machen? Was ist in einer Freundschaft das Wichtigste? Was war der schönste Moment deines Lebens?

Und es wurde 3 Uhr

Was ist die schlimmste Erinnerung deines Lebens? Würdest du in einem Jahr sterben, was würdest du an deinem Leben ändern? Welche Bedeutung hat Liebe und Freundschaft für dich?

3.30 Uhr

Was sind positive Charakterzüge des Gegenübers? War deine Kindheit glücklich? Was war der peinlichste Moment deines Lebens?

4 Uhr

Was muss man wissen, wenn man eng mit dir befreundet sein will? Dein Haus fängt Feuer, welchen Gegenstand würdest du retten? Wann hast du das letzte Mal vor jemandem geweint?

Und so ging es weiter und weiter, bis es schließlich 6.55 Uhr war. Fast 9 Stunden mussten sie geredet haben. Er hatte das Gefühl er kannte dieses Mädchen am anderen Ende der Leitung schon seit Ewigkeiten, dabei hatte er nicht mehr als 3-mal mit ihr geredet. Außerdem kannte sie ihn auch besser als jeder andere. Nicht weil er das anderen nicht anvertrauen würde, sondern weil sie sich die Zeit genommen hat, all das über ihn zu erfahren. Wie viele Menschen wohl ihre Lebensgeschichte so genau kannten, wie er?

Wie würde das jetzt weiter gehen? Er konnte es nicht über das Herz bringen, Damian davon zu erzählen, nachdem dieser ja eigentlich der war, der was mit Clara zu tun haben wollte. Deswegen hatte er sie auch gebeten, alles erst einmal nicht herumzuerzählen. Und er konnte es noch weniger übers Herz bringen, diese Freundschaft hier, die gerade erst begonnen hatte, aber so schnell und so intensiv, enden zu lassen. Also würde er erst einmal abwarten, wie es weiter ging.

Jetzt musste er trotzdem erst einmal das Telefonat beenden. Nicht weil er es unbedingt wollte, sondern, weil die beiden die Nacht durchgemacht hatten und trotzdem am nächsten Tag Unterricht war. Und er musste schließlich erst einmal noch zur Uni kommen, nicht wie sie, die nur einen maximal 5-Minuten-Weg zum Klassenraum hatte.

„Hey, so leid es mir auch tut, aber ich muss jetzt echt los", entschuldigte er sich also lachend. Die Nacht hatte ihm gutgetan. Auch wenn der Tag danach umso schwerer zu ertragen war. Im Unterricht aufpassen war schon so nicht seine Stärke und keine einzige Stunde Schlaf half dabei nicht besonders. Trotzdem bereute er nichts.

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Es tut mir leid - Kein langes in die Augen sehen, nach den 36 Fragen, keine richtige Durchführung des Experiments.

Aber viel wichtiger, was passiert jetzt? Muss Eliott Damian erzählen was passiert ist? Kann er sich wirklich einfach hinter dessen Rücken mit dem Mädchen anfreunden, von dem doch Damian eigentlich etwas wollte?

Oder muss er Clara beibringen, dass er Kontakt abbricht? Nach allen Geheimnissen, die sie geteilt haben?

Wir sehen und dann Dienstag wieder <3

Rosa Ombré | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt