Es blieb ihm einfach keine Wahl, als wieder zu versuchen, den Kontakt abzubrechen. Es hatte sich ja schließlich gezeigt, dass Clara verzeihen konnte.
Die Tage gingen einfach weiter. Clara meldete sich nicht zuerst, also meldete Eliott sich auch nicht. Das nächste Wochenende fuhr er wieder nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich wieder gemeldet: „Wie sieht's dieses Wochenende aus? Döner oder bist du zu Hause?". Er tat es mit einem einfachen „sorry bin zu Hause" ab.
Einmal lief sie ihm entgegen, als er auf dem Weg zum Supermarkt war. Als sie ihn erkannte, schlich sich sofort ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie begrüßte ihn, als er in Hörweite war. Eliott lächelte zurück, ohne sein Tempo zu verlangsamen.
Am nächsten Tag das gleiche. Diesmal kamen ihm Clara und ein Junge, den er vorher noch nicht gesehen hatte, entgegen. Der gleiche Ablauf wie den Tag davor. Als sie ihn erkannte lächelte sie. Als er in Hörweite war, begrüßte sie ihn. Eliott nickte nur und ging weiter.
Und es tat jedes Mal weh, seine kalte Seite zu zeigen. Clara hatte das nicht verdient. Sie hatte ein großes Herz, fiel immer auf die falschen Typen herein und redete im Nachhinein immer noch gut von jedem. Sie kam eigentlich mit jedem klar und unternahm auch immer etwas mit verschiedenen Leuten. Sie hatte trotzdem ihre kleine mehr oder weniger feste Freundesgruppe, wie Eliott festgestellt hatte. Oft saßen sie und ein paar weitere abends auf der Mauer neben dem Eingang des Wohnheims und tranken ein Bier oder Wein.
Im Gegensatz zu dem Wohnheim in Köln gab es keinen Aufenthaltsraum oder irgendetwas anderes, wo man sich drinnen treffen konnte. Dementsprechend standen sie auch noch Ende November vor dem Wohnheim, als würden sie keine Kälte kennen. Eliott fragte sich oft, wenn er an ihnen vorbei ging, was Clara an ihnen fand. Sie hatte so viele Leute die sie kannte, aber ausgerechnet das war ihre Hauptfreundesgruppe? Die Gruppe Jungs, die schon fast rausgeflogen wäre, die, die sich für etwas Besseres hielten. Hielt Clara sie auch für etwas Besseres? Vermutlich würden die Jungs sie früher oder später noch in etwas mit reinziehen, was sie sonst nie getan hätte. Irgendjemand musste sie davon abhalten. Aber dieser jemand würde nicht er sein, denn warum würde sie auf jemanden hören, der sich nie bei ihr meldete und sie ziemlich aus seinem Leben gestrichen hatte?
Also beschloss er, auch nicht weiter genau diesen Eingang in das Wohnheim zu nehmen, da es noch genug andere gab, vor denen Clara nicht jeden Abend saß. Nach dem Unterricht ging er meistens sowieso gleich auf sein Zimmer, da war er ihr noch nie über den Weg gelaufen. Und wenn er später mal das Haus verließ, nahm er ab sofort einen anderen Weg, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Denn sie lachen zu sehen, wenn sie mit den anderen auf der Mauer saß, tat weh. Er würde schon noch an den Punkt kommen, an dem er wieder der Grund für ihr Lachen sein konnte, aber das würde noch dauern. Zurzeit wollte er die Freundschaft einfach nicht, es tat zu sehr weh.
Nachdem die Prüfungen vor Weihnachten vorbei waren, stand wieder ein halbjähriges Praktikum an, vielleicht war das diesmal genug Zeit. Denn vielleicht brauchte Clara ihn wirklich, ohne es zu merken. Sie kam gerade auf den falschen Weg, so wie er das einschätze. In Köln hatte das schon alles mit Noah angefangen. Sie konnte so viele Leute haben, aber immer will sie das unerreichbare, das schwierige und vor allem das, was sie nicht hat. Hätte man sie vor zwei Jahren gefragt, war es sicherlich nicht ihr Wunsch, mit einer Gruppe Jungs, die vermutlich genauso gut ohne sie konnten, jeden Abend zu trinken. Die Gruppe, die fast rausgeflogen wäre wegen unanständigem Verhalten.
Vielleicht tat sie das auch nur aus Frust? Noah hatte sich scheinbar für ein anderes Mädchen entschieden. Und auch Phil hatte einfach jemand anderen gefunden. Dazu kam, dass Eliott selbst schließlich nicht weiter mit ihr befreundet war. Dachte sie, sie wäre nicht gut genug, wie sie war? Jeder musste ihr den Eindruck vermitteln. Irgendeinen Grund musste es ja haben, warum sie ihn einfach nicht aufgab. Oder war er ihr wichtiger geworden als vermutet? Er dachte an das Treffen im Dönerladen vor ein paar Wochen. Er hatte sie irgendwann, als es zum Gespräch gepasst hatte, gefragt, ob es jemand neuen gab, an dem sie interessiert war. Sie hatte nachdem er den Damian-Insider zu Wort gebracht hatte nur mit einer Gegenfrage geantwortet und später weiter darauf beharrt es gäbe noch niemand anderen nach Noah. Was war, wenn... Nein, Eliott durfte diese Gedanken erst gar nicht weiter zulassen. Er verstrickte sich in einer Fantasiewelt, über die er nicht weiter nachdenken sollte. Vor allem, weil Gefühle ihrerseits das ganze noch schlimmer machen würde. Eine Beziehung würde er mental einfach gerade nicht schaffen.
Während ihm all diese Gedanken einfach keine Ruhe ließen, blinkte sein Handy auf. Eine Nachricht von Anthony kam ihm gerade recht.
„Ich fahr mit den Jungs in eine Bar heute Abend, magst du mit?"
Es war das Wochenende, das Anthony im Wohnheim verbringen wollte, deswegen war auch Eliott nicht zu Hause. Anthony hatte ihn sonst nie gefragt, ob er mitkommen wollte, aber vielleicht fühlte er sich schlecht, ihn nicht nach Hause gefahren zu haben, wie er es sonst immer tat. Was auch immer der Grund war, andere Kontakte, als seine Freunde zu Hause waren vielleicht mal wieder nicht schlecht. Und da er Henry und Damian immer noch nicht wieder angeschrieben hatte, weil er es anfangs nicht getan hatte und es jetzt für zu spät hielt, hatte er niemanden, mit dem er hier etwas unternehmen konnte. Außer Clara natürlich. Aber da auch das rausfiel, waren Anthony und sein Freundeskreis vielleicht keine schlechte Idee.
„Wir würden in 15 min los", hatte Anthony noch hinterher geschrieben, als Eliott nicht sofort geantwortet hatte.
„Alles klar, ich zieh mich kurz um. Wo seid ihr?"
„Komm einfach zum Eingang vor Abschnitt 1"
Eliott wechselte von der Jogginghose, die er schon angezogen hatte, da er schließlich gedacht hatte, es würde ein weiterer normaler Gamingabend werden, in eine Jeans. Den schwarzen Pullover ließ er an. Ein Blick in den Spiegel brachte ihn dazu, seine Haare noch einmal nach hinten zu kämmen und dann wieder vorsichtig ins Gesicht zu schütteln. Vor dem Rausgehen griff er sich schnell eine Jacke und ging im Gebäude Richtung Abschnitt 1, um Clara und ihre Freunde, die vermutlich wieder draußen vor 8 saßen, zu meiden. Warum musste sie denn scheinbar auch einfach im gleichen Abschnitt wohnen?
„Eliott, super da bist du ja. Wir warten noch auf Eric und Maik, die anderen, die schon hier sind kennst du ja", begrüßte ihn Anthony. Eliott sah sich die anderen beiden an, er konnte zuordnen, dass sie in seinen Kurs gingen, aber konnte definitiv nicht mehr als den Nachnamen nennen, da alle Dozenten nur diese benutzen um einen Studenten aufzurufen. Er hoffte einfach, das würde nicht auffallen.
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Mal wieder ein paar neue Mainzcharaktere; Eliott kann sich schließlich jetzt nicht einfach immer in sein Zimmer einschließen, nur weil er Clara zu meiden versucht.
Das nächste Kapitel bin ich gerade nochmal am überarbeiten und kann mich noch nicht entscheiden ob ihr ein ganzes bekommt. Wir werden sehen, bis Dienstag dann <3
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Rosa Ombré | ✓
RomansaEliott Anderson. Ein Junge, der einiges durchgemacht hat. Die Schule war Vergangenheit. Nun heißt es Umzug nach Köln und Studentenleben. Clara Skinner. Erst Mauerblümchen, dann Spalier-Rose.Ein Name, den er vor Beginn des Studiums nicht einmal gehör...