16 - Beziehungszeugs

40 8 29
                                    

„Nimm dir noch ein Stück Kuchen, den magst du doch so gerne", forderte Eliotts Großmutter. Die Eltern seiner Mutter lebten, ihm Gegensatz zu der Mutter seines Vaters, in derselben Stadt. Und da in einer Woche schon wieder die nächste Theoriephase seines Studiums beginnen würde, wollte er ihnen noch einmal einen Besuch abstatten.

Während sein Großvater schon die Küche verlassen hatte, um sich weiter um die Arbeiten im Garten zu kümmern, bekam Eliott noch ein weiteres Apfelküchenstück, auf dem ein guter Haufen Sahne platziert war, auf den Teller geladen.

„Und, wie läufts bei den Mädels? Mit Informatik hast du dir aber den falschen Studiengang ausgesucht", lachte seine Großmutter. Er hatte schon immer mit ihr über solche Themen geredet. Auch, wenn das in ihrem Leben irgendwie einfacher gewesen zu sein schien, da sie Opa geheiratet hat, „weil er der vornehmste und attraktivste Junge der Stadt war, der nur Augen für sie hatte". Laut seinem Großvater war dies der Fall, da sie jeden seiner Geburtstage den besten Kuchen backte. Und so heirateten die beiden schon, als sie 19 waren.

Eliott war mittlerweile 20 und noch nicht einmal bereit für eine Beziehung. „Was ist bloß aus dieser Generation geworden?", wie seine Großmutter immer fragte.

„Deine Mutter hat erzählt, du warst gestern auf einem Geburtstag von einem Mädchen. Was Interessantes?", fragte sie erneut, nachdem er nach der letzten Frage nur in Gedanken versunken war. Großmutter Elizabeth wollte zwar unbedingt sein Bestes, aber noch mehr war sie an Tratsch und Neuigkeiten der Neugier wegen interessiert. Eliott war sich sicher, ihre Freundinnen vom Sonntagstratschfrühstück, wie er es immer nannte, wussten schon Details über die Geburtstagsfeier, die nicht einmal existierten.

„Ja sie ist ganz... nett", antwortete er, nicht wissend was er eigentlich genau erzählen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er einfach alles ganz weit hinten in seinem Kopf verdrängt. Aber jetzt konnte er nichts dagegen unternehmen, dass die Bilder ihm sich langsam wieder zeigten.

Jessica, wie sie ihm langsam näherkam.

Die Sterne, die ihm auf einmal ins Auge fielen.

Und der Kuss, den er erwidert statt verhindert hatte.

Es war doch eigentlich die Ablenkung, nach der er gesucht hatte. Warum fühlte er sich nur schlimmer statt besser? Nach dem Kuss war nicht viel passiert. Aber er war lang und leidenschaftlich. Daran hatte der Alkohol sicherlich auch nicht wenig Schuld. Eliott hätte es beenden können, stattdessen legte er seine Hand an Jessicas Taille.

Irgendwann hatte sich aber Jessica von ihm gelöst. Einer der Geburtstagsgäste, den er namentlich nicht kannte, war gefallen und hatte somit die Stromverbindung der Musikbox gekappt. Stille breitete sich plötzlich im Garten aus. Jessica ging zurück um nachzusehen, was passiert war und lies Eliott alleine an der Hauswand stehen. Allein in der Stille, die seine Gedanken lauter werden ließ. Allein unter den Sternen, die enttäuscht auf ihn hinabsahen.

Das war der Moment, an dem er sein Handy wieder rausholte, um auf die Uhr zu schauen. 2.54 Uhr war es mittlerweile. Er tippte seinen Code in das Display ein. Der zuletzt geöffnete Tab, den er nicht geschlossen hatte wurde angezeigt; Der Chat mit Clara, in dem noch seine getippte aber nicht abgesendete Nachricht vorhanden war, sah ihn ebenfalls verurteilend an. Er schloss den Chat.

Und vermutlich war das der Auslöser, der ihm den Rest gab und das Chaos in seinem Kopf in die Luft sprengte. Er musste hier weg. Um alle Konsequenzen konnte er sich morgen noch kümmern. Er suchte Jessica auf und erklärte ihr, dass ihm der Alkohol langsam in den Kopf stieg und musste damit nicht einmal lügen. Daraufhin verabschiedete er sich mich einer kurzen Umarmung.

Es war gerade erst zwölf Stunden her, trotzdem schien ihm die Ganze Situation so fern, die Erinnerung so fremd.

„Nett?", hakte Eliotts Großmutter weiter nach, „das sind aber nicht so viele Informationen".

Rosa Ombré | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt