„Wir hatten eigentlich nicht mehr wirklich Kontakt, aber dann war er letztens wieder auf einer Party im Skatepark, die so mein Freundeskreis veranstaltet hatte. Keine Ahnung, wie viel du davon mitbekommen hast".
„Ja, ich war da", murmelte Eliott laut genug, dass Clara es noch mitbekommen hatte.
„Echt? Ich habe dich gar nicht gesehen. Aber Damian und so waren doch nicht da oder? Sonst hättest du uns doch sicher wieder verkuppeln wollen", sie lachte und merkte immer noch nicht, dass sie mit Noah, ohne es zu wollen, einen Nerv bei ihm getroffen hatte. Er erinnerte sich nicht gerne an die Party zurück.
„Nein, ich war mit anderen da, aber egal".
„Ja okay, darum geht es ja auch gar nicht. Wäre ich noch die Version von mir, die ich in Köln war, hätte ich einfach aus Frust wieder was mit ihm angefangen für die Nacht. Nur um es dann später wieder zu bereuen. Und das hat sich eben verändert. Die Selbstzweifel bringen mich nicht dazu, mich auf jemanden einzulassen, das bewirkt ja nur das Gegenteil. Ich war irgendwann kurz alleine mit ihm auf der Party. Und er hätte mich wieder geküsst, aber ich hatte das verhindert. Er hätte mich einfach schamlos wieder ausgenutzt. Aber ja egal, ist ne dumme Story. Ich wollte nur zeigen, nur weil ich Selbstzweifel habe, kenn ich trotzdem meinen Wert und das ist glaube ich anderes".
„Warte, ihr habt euch also nicht geküsst?", erst jetzt fiel Eliott auf, dass er den Kuss nie wirklich gesehen hatte, sondern nur dass Noah zu einem ansetzen wollte.
„Nein, wie gesagt. Früher hätte ich das sicher gemacht. Also ich bin über ihn hinweg, darum geht es gar nicht, das hat sich seit dem ersten Praktikum nicht geändert. Aber ich glaube aus Frust hätte ich einfach anders reagiert. Jetzt ist einfach alles irgendwie einfacher. Die Zukunft wirkt nicht mehr so schlimm", begann sie ein neues Thema.
Clara hatte früher schon immer von Zukunftsängsten erzählt. Und eigentlich sah Eliott alles genau, wie sie es immer beschrieben hatte. „Was ist, wenn ich einfach nie glücklich werde?", hatten sich beide schon so oft gefragt. Eliott hatte Angst, dass sich nie etwas ändern würde. Dass er immer weiter Phasen hatte, in denen alles schlimm war und er alle von sich stieß. Dass er niemals eine Frau finden würde, mit der er sein Leben verbringen wollte, die genauso fühlte. Dass einfach nie etwas besser werden würde und er sich immer weiter fragte, warum er eigentlich weiter machen sollte. Und genau das hatte auch Clara immer so gesehen. Er war schon damals froh mit jemandem darüber reden zu können, der ihn nicht gleich an einen Psychiater verweisen wollte.
Umso mehr wunderte es ihn also jetzt, dass Clara scheinbar etwas an ihrer Meinung geändert hatte.
„Die Zukunft? Nicht mehr schlimm?", Eliott lachte.
„Nein nicht direkt. Ich habe immer mal Phasen wie früher, in denen ich denke, dass niemals auch nur irgendetwas gut wird. Das meine ich ja gar nicht. Da sind immer die Momente, in denen ich mir sage, es gibt gar nichts auf dieser Welt, dass mich glücklich machen kann. Und dass ich immer so bleibe. Weil einfach kein Sinn da ist. Ich war sogar mal bei einem Psychiater, das habe ich nie erwähnt oder?"
Das kam für Eliott unerwartet. Er würde sich vermutlich nie eingestehen, dass er Hilfe brauchte. Und Clara hatte das selbst einfach so eingesehen? Er bekam immer mehr Respekt vor dieser neuen, starken Version.
„Wann?", fragte er also nur.
„Ganz am Anfang in Köln. Als wir uns noch nicht kannten", sie setzte kurz eine Pause für einen Blick nach hinten, als sie die Spur wechselte und auf Abfahrt Mainz zufuhr, „ich dachte ich muss einfach nur den Ort wechseln, damit alles besser wird und das wurde es nicht. Das hatte ich ja erzählt. Also beschloss ich, dass es an der Zeit war Hilfe anzunehmen, wie es überall immer hieß. Man stellt die Opfer immer so dar, als wären sie selbst schuld, weil sie sich ja Hilfe holen könnten. Und überall heißt es immer man musste diesen riesigen Schritt machen. Und dann war es plötzlich getan. Ich habe einen Termin vereinbart und bin einfach hin. Aber falls du das irgendwann mal vorhaben solltest, niemand warnt einem vor den nächsten Schritten. Denn für die war ich nicht bereit, mit denen wurde ich überrumpelt. Ich dachte einfach ich müsse nur nach Hilfe fragen und ich würde sie bekommen. Aber so einfach war das nicht. Vielleicht war ich einfach nicht bei dem passenden Psychiater, aber es war einfach nicht richtig für mich. Ich habe mich da nicht wohl gefühlt. Es hat eher das Gegenteil bewirkt. Ich habe mir einfach nur noch selbst die Schuld gegeben für alle meine Gedanken. Ich bin nie wieder hin, vielleicht war das der Fehler".
„Was hat also deine Einstellung geändert?"
„Wie gesagt, die ganze Veränderung, die ich durchgangen bin letzte Praktikumsphase. Alles war auf einmal einfacher. Da sind jetzt Momente, in denen alles gut ist. In denen ich mich auf kleine Dinge freue. Darauf, neue Orte zu besuchen. Darauf, neue Leute kennenzulernen oder Freunde wiederzusehen. Erinnerungen zu wiederholen. Darauf, Dinge zu erreichen. Ich will irgendwann meine erste eigene Wohnung einrichten. Ich will mir Möbel aussuchen. Ich will jemanden finden, mit dem ich all das teilen kann. Ich will Leuten zeigen, was ich erreicht habe. Und manchmal ist das genug. Manchmal ist all das genug, um mich weiter machen zu lassen".
Eliott dachte über die Worte nach. Es war etwas Wahres dran. Aber irgendwie konnte er sich doch nicht davon überzeugen, auch so zu denken. Aber wenn sie es geschafft hatte, würde er es doch auch irgendwann schaffen können, oder?
Clara fuhr das Auto endlich auf den Parkplatz der Universität. Er war nie voll, erst recht nicht an einem Samstag. Sie drehte den Schlüssel um und das Geräusch des Motors verstummte. Es war, als wären sie nie losgefahren. Noch vor zwei Tagen saßen sie genau hier, in Hektik schnell loszukommen. Nachdem sie ewig nichts miteinander zu tun hatten. Und jetzt waren sie wieder hier. Die Tage bei Eliott lagen hinter ihnen.
Sie gingen wieder Richtung Wohnheim und betraten Eingang 8, in den sie beide mussten.
„Magst du noch gleich zum Döner am Supermarkt gehen? Ich habe nichts mehr zu Essen auf dem Zimmer und es wird langsam spät", schlug Clara vor, bevor sich ihre Wege an der Treppe trennten.
Eliott beschloss zuzusagen, ohne weiter darüber nachzudenken. Das Wochenende mit ihr war trotz der ganzen Umstände echt schön gewesen. Und das wäre vielleicht nochmal ein schöner Abschluss, bevor er das unausweichliche tun würde; Sie wieder aus seinem Leben streichen. Denn so oft er es auch versucht hatte, jedes Mal, wenn sie wieder in sein Leben trat, kamen da diese Gefühle auf, die er für jedes Mädchen vermeiden wollte, bis er wieder bereit für eine Beziehung war. Wann immer das sein würde. Aber das würde erst heute Abend sein Problem sein.
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Rosa Ombré | ✓
RomanceEliott Anderson. Ein Junge, der einiges durchgemacht hat. Die Schule war Vergangenheit. Nun heißt es Umzug nach Köln und Studentenleben. Clara Skinner. Erst Mauerblümchen, dann Spalier-Rose.Ein Name, den er vor Beginn des Studiums nicht einmal gehör...