12.49 Uhr Liebes Tagebuch,
Gestern habe ich ihn wieder gesehen. Den Soldaten. Er hat mir geholfen; mich vor drei Männern beschützt, die gedacht haben sie könnten machen, was sie wollen, aber das ist nicht wichtig. Ich habe in seine Augen gesehen und sie haben noch immer gefunkelt. Das Leben konnte man in ihnen brennen sehen so sehr haben sie geleuchtet. Ich habe ihn die ganze Zeit angestarrt, so als ob ich mich nicht bewegen könnte. Irgendwann musste er dann lachen. Es war ein so befreites, unbekümmertes Lachen, wie ich es schon so lange nicht mehr gehört hatte. Auf der Straße lachen wir nicht. Es gibt keinen Grund. Er hatte einen. Auch ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Freude ist ansteckend. Lange hat es aber nicht gedauert. Abrupt war sein Lachen Vergangenheit und die Gegenwart, die bittere Gegenwart, schien ihn und auch mich wieder eingeholt zu haben. Seine Augen, die ich nur strahlend kannte, zeigten auf einmal einen ungeheuren Schmerz. Er sah so gequält aus, dass ich mich selbst schon unwohl fühlte. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie schrecklich traurig er ausgesehen hat. Es ähnelte jemandem, dessen Herz zerrissen und in alle Winde verstreut wurde, ohne Hoffnung es wieder reparieren zu können. Was war ihm nur passiert? Er wandte mir seinen Kopf zu und schaute mir direkt in die Augen. Es gehört sich für mich als Frau eigentlich nicht, seinen Blick zu erwidern, aber ich schaffte es einfach nicht meine Augen loszureißen. Plötzlich blitzte etwas freches, schelmisches in dem Meer aus Traurigkeit auf und fegte diese Fluten so schnell weg, dass ich kurz an mir zweifelte, ob da wirklich jemals Trauer war. Seine Worte zeigten mir jedoch die Wahrheit. Zitternd und bebend durchdrang seine Stimme das Bisschen Luft zwischen uns: "Rebellen haben leider niemals Glück." Ich brauchte eine Weile um zu begreifen, was er meinte. Dann wurde es mir klar. Er sprach von mir. Ich hatte meinen Blick nicht gesenkt, wie es mir vorgeschrieben gewesen wäre. Das war auch der Grund gewesen, warum mich die Männer, die er getötet hatte, so sehr gehasst haben. Ich war nicht unterwürfig gewesen, wie ich es als Frau hätte sein müssen. "Aber Rebellen sind mir dennoch lieber, als sture Diktatoren." Was an ihm ist so anders, dass er mich, egal was er tut, in seinen Bann zieht? Darüber zerbreche ich mir jetzt noch den Kopf. "Was sagt mir, dass du nicht einer dieser Diktatoren bist und mich nur hinters Licht führen willst?", antwortete ich argwöhnisch. Natürlich hatte er mir das Leben gerettet, denn ich zweifle nicht daran, dass die Männer mich getötet hätten, aber ich traute ihm trotzdem noch nicht ganz. Er war ein Soldat gewesen und ich habe schon oft gesehen, wie hinterlistig Menschen sein konnten. "Gar nichts vermutlich, aber ich denke, dass du deinem Bauchgefühl trauen kannst." Meinem Bauchgefühl? "Ich höre schon sehr lange nicht mehr auf mein Gefühl. Das ist verhängnisvoll." Sein Blick war verwundert. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet gehabt, dass ich ihm eine derartige Antwort geben würde. "Was sagt dir dann deine Vernunft?" "Meine Vernunft hat mir schon vor Jahren gesagt, dass es besser ist niemandem zu trauen." "Wie kommst du dann zurecht?" "Allein." Nach dieser Antwort schien er vollends aus der Fassung gebracht zu sein. Erstaunlich schnell fasste er sich jedoch wieder und legte mir etwas kaltes in die Hand. "Alleine sein, kann für eine sehr hübsche junge Frau sehr gefährlich sein." Ich wollte ihm gerade sagen, dass er sich irrte und ich gar nicht besonders schön bin, aber das Gewicht in meiner Hand lenkte mich davon ab. Ohne nach unten zu sehen, wusste ich bereits, was ich vorfinden würde. Während ich jetzt gerade schreibe spüre ich dieses Gewicht in meiner Hand erneut. Es war eine kleine Pistole. "Du solltest dich verteidigen können." Ich konnte ihn in diesem Moment einfach nur ungläubig anstarren. "Wenn du schießen willst, musst du zuerst... " Mit einer einfach Handbewegung brachte ich ihn zum Schweigen. "Ich kann damit umgehen", sagte ich dann auf seinen verwirrten Blick hin. Das Grinsen breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus. "So so. Ein gefährliches hübsches junges Fräulein." Hatte er da gerade mit mir geflirtet? "Ein Fräulein, das es nicht leiden kann, wenn man schleimt." Sein Grinsen wurde noch breiter. Er nahm meine Hand und küsste sie. "Madame." Dann ging er drei Schritte nach hinten und verschwand dann im Schatten. Mich ließ er mit wirren Gedanken zurück, die ich nicht einmal sortieren kann, während ich hier schreibe. Nur eines weiß ich: Ich vertraue ihm.
Hope
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Hope.
Science FictionWas machst du, wenn alles, was du gekannt und geliebt hast, einfach zerstört wird? Wenn die Natur vernichtet wurde und nur das Leben in einer Stadt dich vor Krankheiten und Tod schützt? Wenn diese Stadt von einem Tyrannen regiert wird und du auf der...