22. Dezember 3068

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Unsere Tochter ist geboren. Magan Katherine. Ja ihr kennt uns, wir konnten uns nicht einmal zusammen nur einen Namen aussuchen. Als ich sie in den Armen gehalten habe, war es einfach unmöglich, sich festzulegen. Schau in ihre Augen und selbst der härteste Mann auf Erden muss lächeln. Sie sind so voller Freude und das obwohl man mir gesagt hatte, Kinder öffnen ihre Augen in den ersten Tagen noch nicht. Trotzdem habe ich einen Blick erhascht und man könnte meinen, die ganze Welt spiegelt sich darin. Niemand könnte ihr etwas zu Leide tun, wenn sie ihn nur ein einziges Mal damit anschaut.
Ich fühle mich, als wäre ich betrunken. Ja ich weiß, das geht bei mir ja ziemlich schnell, aber heute bin ich eigentlich nüchtern. Wirklich. Vater zu werden, ist noch viel schlimmer als betrunken zu sein. Es ist auf keinen Fall unangenehm, versteht mich nicht falsch, aber man kann nicht mehr klar denken. Wenn ihr einmal Eltern werdet, dann komme ich euch besuchen und wenn ihr mir dann noch eine einzige Frage aus dem Kreuzworträtsel richtig beantworten könnt, dann habt ihr ganz ernsthaft meinen vollen Respekt. Es ist nämlich einfach unmöglich. Lea und ich verhalten uns wie kleine Kinder, wenn sie auch nur einen winzigen Mucks von sich gibt. Außerdem möchten wir eigentlich nur schlafen, weil sie die ganze Zeit tief und fest schläft.
Stundenlang könnte ich ihr beim Träumen zusehen. Es ist als würde sie eine kleine Kuppel um sich herum aufbauen, die alles Böse von ihr abwendet. Das ganze Universum wirkt auf einmal friedlich. Sie ist so winzig klein. Ihre kleinen dünnen Fingerchen wirken, als könnte man sie durchbrechen wie einen Stock und ihre winzigen Füße sind immer eiskalt. Man hat automatisch das Gefühl, man müsse sie beschützten, auch wenn man sich vorgenommen hatte, nicht in den typischen Ich-bin-Vater-Trott zu verfallen. Noch lacht ihr vielleicht über mich, aber sobald einer von euch mal Vater wird, dann erinnere ich euch noch einmal daran.

Peter, ganz stolzer Vater

22. Dezember 3069

Mein Darling hat heute ihren allerersten Geburtstag. Wir haben ihr ein Buch geschenkt mit Bildern von Tierbabys und sie legt es nicht mehr aus der Hand. Der kleine Hund, der seit etwa zwei Wochen zur Familie gehört, liegt auf ihren Beinen und sie hält die Fotos so, dass auch er sie sehen kann, obwohl sie erst ein Jahr alt ist. Sie ist beim Spielen im frisch gefallenen Schnee auf das Fiepen aufmerksam geworden und einfach in die Richtung gekrabbelt. Ohne ein winziges Anzeichen von Angst hat sie den Kleinen gestreichelt. Wir haben uns natürlich auf die Suche nach dem Besitzer des Hündchens gemacht, aber niemand hat sich gemeldet. Jetzt ist Tricks ein Familienmitglied. "Tricks" war das erste Wort, was Maggy gesagt hat, was wenigstens wie ein Wort klang. Ziemlich komisch, aber sehr niedlich, also haben wir den Welpen so genannt. Die beiden scheinen zusammenzugehören, es ist als würden sie ich verstehen. Er schläft bei ihr im Bett, obwohl wir oft versucht haben, ihn wieder zurück in sein Körbchen in der Küche zu bringen. Jedes Mal hat er einen Weg zurück zu ihr ins Zimmer gefunden, also lassen wir ihn auch. Irgendwie scheint er zu verstehen, dass wir ihn wirklich gern haben, denn er hat sogar heute morgen versucht, zu helfen, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Es gibt ein Foto, wie er mit einer roten Kugel im Maul auf den Baum zu tappst, obwohl diese fast doppelt so groß ist wie er. Maggy sitzt daneben und lacht. Ich glaube sie hätte auch gern geholfen, aber der Anblick ihres Freundes hat sie wohl davon abgehalten. Jetzt leuchtet der Baum in allen möglichen Farben und im Kamin brennt ein Feuer. Es ist das perfekte Bild. So stellt man sich ein weihnachtliches Wohnzimmer vor. Draußen ist auch alles weiß und aus dem Radio erklingen die üblichen Weihnachtslieder, die schon seit Jahrtausenden gesungen werden.
Eigentlich habe ich ein bisschen Stress. Über Weihnachten kommen uns meine Eltern besuchen und ich muss sie dementsprechend bekochen, aber wenn ich hier so meine kleine heile Familie sehe, dann kann ich nicht einmal an das Wort "Stress" denken. Zu idyllisch ist alles. Weihnachten in Familie bekommt dann doch noch eine ganz eigene Bedeutung.

Lea, nicht gestresste Mutter

31. März 3070

Sie läuft. Sie läuft tatsächlich. Ohne Hilfe! Ihr kleiner Baustein ist von dem Turm gefallen, den wir gebaut haben und sie ist einfach aufgestanden und hat ihn sich zurückgeholt. Ich kann es immer noch nicht glauben. Einfach aufgestanden. Tricks ist neben ihr her getippelt, als hätte er schon damit gerechnet und ich habe geschaut wie ein verschrecktes Reh. Mit ihren großen Kulleraugen hat sie mich angesehen, als wäre ich krank, bis sie dann angefangen hat, ganz niedlich zu lachen. Vermutlich hat sie mich ausgelacht, weil ich so dämlich geguckt habe, aber es war einfach viel zu putzig um beleidigt zu tun. Es hat wohl gedauert, bis ich meine Stimme wiedergefunden habe, denn bevor ich nach Lea rufen konnte, stand sie schon in der Tür und schaute genauso überrascht wie ich, nur dass das bei ihr wesentlich schöner aussah. Ich weiß schon, warum meine Tochter so bezaubernd ist. Sie hat eine wirklich bezaubernde Mutter. Von mir kann sie also nicht so viel haben außer die Schadenfreude natürlich. Die hat sie ganz sicher von mir.
Jetzt kann meine kleine Maus also laufen. Das bedeutet zum einen natürlich Freude, aber auch wesentlich mehr Arbeit. Als sie nur krabbeln konnte, war man schneller hinterher. Jetzt muss man schon rennen, wenn sie losläuft, damit sie sich nicht irgendwo verletzt. Man macht auf jeden Fall Sport. Wenn ihr mich also das nächste Mal seht und ich habe mehrere Kilogramm abgenommen, dann wisst ihr jetzt warum. Wehe einer von euch sagt dann irgendetwas. Den will ich selbst mal ganz entspannt sehen, wenn sein Kind durch die Wohnung läuft und in der Küche der Herd an ist, weil die Ostergans darin gebacken wird. Wer da einfach sitzen bleibt, den guckt vermutlich alle dumm an. Ich würde es jedenfalls tun. Na gut ich hätte keine Zeit. Ich würde schließlich entweder hinter meinem Kind her laufen oder hinter dem, das gerade in Richtung Küche gestiefelt ist. Danach würde ich dumm dreinschauen. Wir sprechen uns also noch.

Peter, hektisch seiner Tochter hinterherlaufender Vater

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