"Dein Auge sieht nicht so gut aus." Die Stimme ist eklig. Sie klingt wie das leise Zischeln einer Schlange. Hinterhältig und arrogant. Ich kenne dieses Gesicht viel zu gut, um etwas anderes zu erwarten. Der König persönlich erhebt sich von seinem Stuhl und schlendert betont langsam und selbstgefällig in meine Richtung: "Ich denke du solltest es kühlen, damit es nicht anschwillt." Natürlich hätte ich mittlerweile gelernt haben sollen, dass jemanden anzuspucken, nicht gerade die beste Alternative ist, aber ich kann den Reflex einfach nicht unterdrücken, wenn es nun einmal das Einzige ist, was ich in meiner Position tun kann. Was auch immer ich jetzt von ihm erwartet hatte, das brüllende Lachen, das aus seiner Kehle steigt, überrascht mich. "Ich weiß, warum er dich mag", sagt er, noch immer nach Luft ringend. Mein verwirrter Blick muss ziemlich perfekt gelungen sein, denn er wird auf einen Schlag wieder ernst und starrt mich mit diesen leuchtenden Augen an: "Dein Freund." Unbeabsichtigt zucke ich zusammen. Woher weiß er von Lijah? Er mustert mich aufmerksam; seine Pupillen sind unnatürlich geweitet: "Komm mit! Ich zeig dir was." Sein schlanke Hand winkt mich hinter ihm her. Das Lachen, das nun den Raum erfüllt, muss von mir sein, denn ich sehe seine Lippen sich nicht bewegen. Sein Blick erinnert mich an den eines Kleinkindes, das nicht weiß, was es falsch gemacht hat, dass man so darüber lachen muss. Dann scheint ihm jedoch ein Licht aufzugehen und er klopft an die Tür. Dreimal. Ziemlich schnell hintereinander. Mein Bauch fängt sofort wieder an zu brennen, als der Schrank den Raum betritt und mich mit seinem grimmigen, breiten Gesicht anschaut. Ohne ein Wort kommt er näher und ich versuche mich so klein wie möglich zu machen, um so wenig Angriffsfläche, wie möglich zu bieten, doch der erwartete Schlag kommt nicht. Stattdessen löst sich die Spannung um meine Handgelenke und ich kann meine Arme endlich wieder bewegen. Auch meine Füße sind frei. Dann sehe ich die Tür. Sie steht offen; wie eine Einladung in die endgültige Freiheit. Ich könnte einfach davonlaufen, aber mein Verstand sagt etwas anderes. Ich wüsste doch gar nicht wohin. Hier ist alles für mich fremd und wer weiß, vor wie vielen verschlossenen Türen ich noch stehen würde, bevor ich endlich die frische Luft genießen kann. "Cleveres Mädchen." Die Überraschung in seiner Stimme entgeht mir nicht, aber ich verziehe keine Mine. Hinter mir bewegt sich der riesige Berg Fleisch und packt mich grob an den Armen. Sein Griff ist so fest, dass ich fürchte, meine Knochen könnten durch ihn einfach zerbrechen. Anscheinend habe ich kurz aufgeschrien, denn der König richtet seine glühenden Augen jetzt auf Mister Schrank. "Das wird weder nötig, noch verlangt sein! Ihr habt ihr schon genug Leid zugefügt." Der Riese lässt mit seinen fleischigen, fetten Fingern von mir ab und grummelt irgendetwas unverständliches. "Dürfte ich die Dame dann bitten, mir zu folgen?" Ich wage nicht, zu sprechen, obwohl ich ihm am liebsten alle Adjektive an den Kopf werfen würde, die ihn beschreiben. Zum Beispiel: hinterlistig, arrogant, egoistisch und noch so einiges mehr. Schon bei meinem ersten Schritt brennt mein Bein, als wären tausende Scherben hineingebohrt. Ungewollt entweicht ein Zischen zwischen meinen Lippen und lenkt die Aufmerksamkeit des Königs wieder auf mich, anstatt auf den Weg vor ihm. Ohne ein Wort greift er unter meinen Arm und stützt mich, als würde er mich zu einem feierlichen Anlass führen. Seine eisigen schlanken Finger ekeln mich an und eine Gänsehaut kriecht meine Haut hinauf, von dem Punkt aus, wo er sie berührt. Aus einem Impuls heraus, ziehe ich meinen Arm weg und knicke sofort wieder ein, von der Last, die wieder auf meinem Bein liegt. Diesmal etwas hartnäckiger greift er zu und ich habe keine andere Wahl, als ihn gewähren zu lassen. Entgegen all meiner Erwartungen ist er stark. Ich kann die Muskeln seiner Oberarme spielen sehen, als er mich auf die Füße zieht. Außerdem ist er viel jünger, als er auf den Veranstaltungen immer wirkte, die er gegeben hat. Seine Züge sind hart und kantig, aber er ist nicht unattraktiv. Niemals würde ich einen derartigen Charakter hinter diesem Gesicht erwarten, wenn ich ihm auf der Straße begegnen würde. Zögernd und vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Mein Bein schmerzt noch immer, aber ich breche durch seinen Arm als Stütze nicht mehr zusammen und schaffe es durch die Tür. Der Gang dahinter ist nicht viel anders als der Raum selbst. Perfekte Mauern, akkurate Böden. Ab und an mal ein paar Wachen mit Fackeln in den behandschuhten Händen. "Keine Sorge. Es wird natürlich noch viel schöner während unseres kleinen Spaziergangs."
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Hope.
Science FictionWas machst du, wenn alles, was du gekannt und geliebt hast, einfach zerstört wird? Wenn die Natur vernichtet wurde und nur das Leben in einer Stadt dich vor Krankheiten und Tod schützt? Wenn diese Stadt von einem Tyrannen regiert wird und du auf der...