5.44 Uhr Liebes Tagebuch,
Ich halte mich immernoch ein wenig für verrückt, weil ich alles, was ich erlebe hier aufschreibe, aber auch wenn es schwer zu glauben ist, es hilft mir, mich noch einmal auf das zu konzentrieren, was geschehen ist. Es ist wie ein Atemzug auf einer hellen Wiese irgendwo in einem Wald oder auf einem Hügel, wenn man schon lange nicht mehr den Himmel gesehen hat. Frische Luft. Sauerstoff. Die Schleier um meine Gedanken heben sich, wie der Nebel am Morgen, wenn die Sonne ihn langsam vertreibt. Vielleicht klingt das komisch, aber anders weiß ich es nicht zu erklären. Mein Vater hat immer zu mir gesagt, ich würde mich verhalten, wie die großen Philosophen vergangener Zeit. Damals war ich gerade einmal vier Jahre alt, aber ich wollte wissen, wer diese Menschen waren. Mit einem kleinen Lächeln hat Vater mich dann auf seinen Schoß gehoben und angefangen mir Geschichten zu erzählen. Es waren so unendlich viele. Alles Erzählungen über Menschen, die sich immer wieder neue Fragen stellten. Fragen über alles. Über das Leben, über Tiere oder über den Lauf der Zeit. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich gefragt, warum man sein Leben damit verbringt, Fragen zu stellen. Immer, wenn eine Frage beantwortet war, eröffnete sich ihnen eine neue. Heute verstehe ich es. Ich mache es auch. Man hinterfragt alles, um zu verstehen, warum etwas passiert und man möchte erfahren, wie manches entstanden ist. Manchmal fragt man auch, um zu entscheiden, ob es gelogen ist oder nicht. Vielleicht ist es für manche Menschen merkwürdig oder erscheint ihnen sogar als dumm, aber mir nicht. Wenn ich etwas sehe, dann will ich unbedingt herausfinden woher es kommt, warum es da ist und wie es an diesen Ort gekommen oder zu diesem Zeitpunkt dort abgelaufen ist. Es handelt sich nämlich nicht nur um Gegenstände. Auch Menschen, Handlungen oder Begegnungen. Das Zwischenmenschliche. Einfach alles. Meist interessiert mich das sogar noch mehr, als der Ursprung von manchen Dingen. Ich möchte verstehen, warum Menschen etwas wie tun und was ihnen dabei durch den Kopf geht. Welche Gefühle haben sie in diesem Moment? Mein Ziel ist es den Menschen zu sehen, wie er ist und nicht, wie er vorgibt zu sein. Das gelingt nur, wenn man alles, was er tut hinterfragt und wenn man weiß, wie er sich fühlt; was er denkt. Aus all diesen Faktoren entsteht dann ein Bild. Ein Charakter. Der eigentlich Mensch. Erst dann erlaube ich mir ein Urteil über diesen Menschen; entscheide, ob ich ihm vertraue oder nicht. Auch das mag wieder einmal merkwürdig sein, aber ich denke, dass wir oft nicht in schwierige oder gefährliche Situationen kommen würden, wenn wir nicht immer sofort allen vertrauen. Manche denken, dass es vielleicht nie zu diesem Krieg gekommen wäre, wenn sich jeder erst ein Bild von anderen Menschen gemacht hätte. Dann wäre für jeden eindeutig gewesen, ob er den anderen mag oder nicht und sie hätten sich vielleicht niemals gestritten, aber das ist nur eine Theorie von Optimisten, die in der Praxis nicht umzusetzen ist. Dazu sind Menschen zu fehlerhaft. Ja ich weiß, fehlerhaft klingt, als spräche ich von Maschinen, doch gerade das ist der Grund, warum es immer zu Kriegen kommen wird. Menschen sind keine Maschinen. Sie haben Gefühle; Bedürfnisse. Jeder von uns hat seinen Charakter und nie werden wir jemanden finden, der genau die gleichen Verhaltensmuster aufweist. Wir alle sind verschieden. Sogar Zwillinge sind meist unterschiedlich, wie Feuer und Wasser. Temperamentvoll oder ruhig. Freundlich oder hinterlistig. Liebevoll oder garstig. Mutig oder scheu. Das ist es aber auch, was sie Menschen so besonders und in gewisser Weise auch atemberaubend macht: es gibt nicht zwei genau gleiche Personen. Trotzdem gibt es immer mehrere mit den gleichen Zielen. Manchmal kann auch das gut sein. Menschen können als Einheit fungieren. Meistens jedoch sind es Ziele, wie Macht, Geld oder der Wunsch nach Beliebtheit. Das ist der Grund, warum Menschen niemals friedlich miteinander leben können. Es wird immer jemanden geben, der denkt er könne seine Bedürfnisse und seine Begierde über alles stellen; dürft machen, was ihm gerade passt, weil alle anderen minderwertig sind. Diese Menschen kann man nicht ausrotten oder irgendwie "heilen". Das ist ihr Charakter. Ihr Bild. Das ist es, was sie sind und was sie bleiben müssen, weil sie niemand anderes wirklich sein können. So funktioniert die Welt und jeder Mensch ist ein kleines Zahnrad im Mechanismus des Lebens. Fällt eines aus, bleibt alles stehen und so verrückt wie es klingen mag, aber such Menschen wie der König sind notwendig um das laufende Uhrwerk anzutreiben. Sie gehören dazu wie die liebevollen und gutherzigen Menschen auch. Jedes noch so kleine Rad wird gebraucht und wenn man eines entfernen will, dann muss ein anderes den Platz einehmen oder alles gerät aus dem Gleichgewicht. Es entsteht ein totales Chaos und erst wenn sich die Formation der Zahnräder wieder so zusammengestellt hat, dass alle einen Ort gefunden haben, an dem sie nützlich sein können, erst dann funktioniert das Leben wieder. Auch jetzt funktioniert es. Es gibt Regeln und jeder weiß, was er wagen kann und was nicht. Der König tyranniert und regiert, aber es herrscht keine Unwissenheit. Alles funktioniert, wenn auch nicht so, wie viele es wollen. Man hat zugelassen, dass ein Mensch wie der König immer mächtiger wurde und jetzt muss erst einmal eine Möglichkeit gefunden werden, den Mechanismus fortzusetzen ohne bestehende Ordnung zu zerstören. Es fehlt im Moment ein Teil der Maschine und bis es gefunden ist, werden sich alle damit abfinden müssen, dass wir unter einem verrückten König leben, der, ob man sich das eingestehen will oder nicht, dafür sorgt, dass unsere Stadt nicht in einem Durcheinander versinkt, das noch mehr Tote fordern würde, als der König es im Moment mit all seinen Tyrannein tut. Wir werden warten müssen. Warten auf jemanden, der ihn ersetzten kann und es dann hoffentlich besser macht. Alle Aufstände, die es geben kann, würden nicht zu dem Ergebnis führen, das gewünscht ist, wenn niemand einen Plan für die Tage nach den Aufständen hat. Wenn niemand da ist, der das kann, was alle von ihm fordern, dann wären wir mit einem Diktator besser dran, so übel es auch klingen mag.
Hope
DU LIEST GERADE
Hope.
Science FictionWas machst du, wenn alles, was du gekannt und geliebt hast, einfach zerstört wird? Wenn die Natur vernichtet wurde und nur das Leben in einer Stadt dich vor Krankheiten und Tod schützt? Wenn diese Stadt von einem Tyrannen regiert wird und du auf der...