Hope.

Aktuelles Blatt, 10. Juli 3091

Ein Bericht von Julius Hagen.

Seit den frühen Morgenstunden gibt es hier Proteste. Menschen sind auf den Straßen und demonstrieren gegen den geplanten Prozess. Das Erstaunliche: Noch kein einziger Soldat wurde geschickt, um sie zu stoppen. Es wird auf niemanden geschossen. Man gestattet den Menschen, sich zu versammeln und offen zu zeigen, dass sie gegen das Urteil des Königs sind.
Für alle, die noch nicht mitbekommen haben, worum es hier geht: Heute ist der Tag der Gerichtsverhandlung für die Frau, die alle nur als Hope kennen. Ihr wird vorgeworfen die Krone verraten zu haben. Dazu sei zu erwähnen, dass man mit diesem Vorwurf den Großteil des Volkes hinrichten könnte und dennoch steht nur diese eine Person vor angeblich unabhängigen Richtern. Keiner glaubt wirklich, dass sie das wirklich sind. Selbst wenn. Sie würden es nicht wagen, etwas zu entscheiden, was der König nicht wünscht. Ihnen könnte sonst auch der Prozess gemacht werden und das wissen sie so gut, wie jeder der Menschen hier auf der Straße. Man sammelt sich auf dem Marktplatz. Dort wird es später die öffentliche Protokollverlesung aus dem Gericht geben. Es wurde versprochen, dass jeder Satz überbracht wird, der gesprochen wird und man verlässt sich jetzt darauf. Bevor es losgeht, will ich euch sagen, wer heute verurteil wird.
Magan Katherine Summer. Geboren wurde sie vor dem Krieg in einer ganz normalen Familie. Ihre Mutter arbeitete als Ärztin und ihr Vater ging dem Journalistenberuf nach, so wie ich es hier tue. Ich habe mich einmal ein bisschen umgehört, was man auf der Straße so von ihr sagt und bin dabei auf einige sehr interessante Personen gestoßen. "Sie hat mich immer angelächelt. Als kleines Mädchen schon. Außerdem hat sie es nie über sich gebracht, dass was sie sich am Tag an Essen verdient hatte, nicht zu teilen", so sagte mir ein Mann, Phil oder so ähnlich hieß er glaube ich. Er gab die Auskunft, dass er in der gleichen Gasse gewohnt hatte, in der auch Hope sich zuhause fühlte. Ein Mädchen habe ich auch getroffen, die das Gleiche angab: "Für mich war sie, auch wenn wir nicht viel miteinander gesprochen habe, immer wie eine große Schwester. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie sich um mich kümmert, auch wenn es ihr einmal nicht so gut ging. Sie hat meinen Bruder mal gerettet als die Asche ihn fast erstickt hätte." Auch ein junger Vater wollte etwas über sie sagen: "Sie hat damals meine Frau und meine Töchter gerettet. Ohne sie hätten sie die Geburt vielleicht nicht überlebt. Im Nachhinein tut es mir leid, dass ich mich nie wirklich ernsthaft mit ihr unterhalten habe, außer an diesem einen Tag, wo sie half, meine Kinder zur Welt zu bringen. Ich bete für sie." Gern hätte ich Ihnen einen Bericht aus dem Jägerlager gebracht, aber das einzige, was uns heute morgen erreichte, war ein kurzer Brief, der an Hope adressiert ist. Den wollen wir Ihnen allerdings nicht vorenthalten:
An dich Hope,
mit unseren Gedanken sind wir bei dir. Du weißt, dass wir dich niemals im Stich lassen und so auch heute nicht. Bevor du stirbst, werden wir alles in die Wege leiten, um das zu verhindern und das weißt du auch, denn du kennst uns. Vertrau uns, wie du uns schon immer vertraut hast und wir geben uns alle Mühe, dich da herauszuholen. Egal, was passiert, wir werden dich nie vergessen, auch wenn wir es nicht mehr schaffen. Du gehörst zu unseren Herzen, wie das Blut, das hindurch gepumpt wird und ohne das wir nicht leben können. Du hast uns Hoffnung gegeben und du wirst die Hoffnung bleiben, bis wir diesen Tyrannen gestürzt und die Freiheit zurückgeholt haben. Das versprechen wir.
Hannah
Wer jetzt nicht versteht, warum die Menschen so in Auffuhr sind, der sollte sich überlegen, ob er nicht krank ist. Es sei noch wichtig zu erwähnen, dass Hope schwanger ist. Sie sollte ein Kind bekommen und jetzt tötet man sie und das unschuldige, wehrlose Wesen, das die Welt noch nie gesehen hat und nicht verstehen könnte, warum es sie niemals sehen darf. Wir sind mit unseren Gedanken bei dem Vater des Ungeborenen, Elijah Dorn und natürlich bei dessen Schwester Luisa Miller. Glück hat Herr Dorn in seinem Leben nicht gehabt, adoptiert ist er und wurde aufgenommen von dieser Familie, die bereits eine Tochter hatte. Jetzt dachte er, er könnte sich auf eine Zukunft freuen, zusammen mit seinem Kind und einer Frau, die er liebt, doch der König nimmt ihm auch diese Chance. Verständlich ist da der Hass, den die Menschen gegenüber unseres Monarchen empfinden. Die Kämpfer der Jäger zeigten in den vergangenen Tagen bereits, wie stark ihre Abneigung gegen die Regierung ist und es lässt sich vermuten, dass nach dem Tod Hopes, nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Die Aufstände werden sich nicht mehr zurückdrängen lassen, da neben dem Wunsch nach Freiheit auch Zorn und Wünsche nach Rache eine wichtige Rolle in den Köpfen der Menschen spielen. Nicht viele kannten Hope gut und trotzdem sind bis her auf dem Marktplatz solche Massen, dass man kaum noch einen Quadratmeter Platz um sich herum hat, um sich zu bewegen und es ist kein großes Wagnis zu behaupten, dass es noch viel mehr Menschen sein werden, wenn in zwei Stunden der Prozess endgültig beginnt. Ich selbst frage mich im Moment, wie man hier reagieren wird, sobald offiziell bekannt gegeben wurde, dass man die Heldin der Bevölkerung zum Tode verurteilt.
Über Nacht ist die junge Magan zu der Person geworden, die von allen geliebt und verehrt wird. Sie ist eine Frau, die sich verhält so wie jeder gerne wäre und es gibt nur eine Frage, die Hannah, von der wir nicht mehr wissen als ihren Vornamen, in unseren Köpfen festgesetzt hat, denn sie schloss den oben geschriebenen Brief noch mit einem letzten Satz: Du wolltest niemals jemand sein, den alle gut finden und ich weiß, es würde dir nicht gefallen, denn du hasst es im Mittelpunkt zu stehen für etwas, was du nicht getan hast.
Kann man tatsächlich mit ruhigem Gewissen davon sprechen, dass wir sie verehren, wenn sie selbst so kritisch mit sich selbst und der Oberflächlichkeit der Menschen ist?