4.09 Uhr An euch da draußen,
Noch immer kann ich mein Bein nicht bewegen, aber ich habe etwas zu essen bekommen. Das Mädchen, dem ich auch schon einmal etwas Brot abgegeben habe, hat mich gefunden. Dem toten Mann schenkte sie kaum Beachtung als sie mich stützend in eine andere Gasse gebracht hat. Wir haben nicht viel gesprochen und sie hat mir keine Fragen gestellt. Mit einem müden Lächeln hatte sie mir ein Stück Brot gereicht und etwas sauberes Wasser. Danach ist sie gegangen und wird vermutlich auch nicht wieder zurückkommen. Mein Magen knurrt wieder. Das sonst so unerträgliche Gefühl lässt mich jetzt tatsächlich lächeln. Es zeigt, dass mein Körper arbeitet. Trotzdem geht es mir schlecht. Ich habe sehr hohes Fieber und seit gestern Nacht auch schrecklichen Husten. Das Wasser muss ich mir einteilen, aber die wenigen Tropfen reichen nicht aus, um meine ausgetrocknete Kehle zu kühlen. Es fällt mir schwer, die winzigen Brotstückchen zu schlucken. Mein Kopf fühlt sich an als hätte jemand darauf eingeschlagen. Jetzt bin ich mir sicher, dass ich mir eine Blutvergiftung zugezogen habe und eigentlich ist es ein Wunder, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Zwar kann ich nicht genau sagen, wie lange die Wunde schon derart entzündet ist, aber es wird ausreichen um mich sterben zu lassen. Es bleibt mir nur zu hoffen, dass einfach mein Herz stehen bleibt und nicht ein Teil meines Körpers versagt, der einen langsamen und qualvollen Tod bedeutet. Vor einer halben Stunde habe ich den Verband um mein Knie gewechselt. Es war schwer sich nicht zu übergeben. Das ganze Gelenk ist angeschwollen und aus der Wunde quillt Eiter. Ein Bild, wie aus einem Albtraum. Schon ein leichter Windzug lässt mich zusammenfahren. Jetzt erst wird mir bewusst, welchen Nachteil es hat, wenn man eine Mutter hatte, die Ärztin war. Ich weiß ganz genau, was mit mir passiert auch, wenn ich es eigentlich gar nicht wissen will. Trotzdem. Dafür fühle ich mich immer an sie erinnert und auch, wenn sie tot ist, bereiten mir die Gedanken an sie immer wieder Freude. Ich kann ihr Lächeln vor mir sehen. Ihre weißen Zähne blitzen in der Sonne auf und ich spüre ihre Arme, die sich um mich legen und mich durch die Luft wirbeln. Ein kurzer Moment in dem ich fliegen konnte. Manchmal habe ich einfach nur etwas dummes gemacht, um sie zum Lachen zu bringen. Es war so ein schönes Geräusch. So wundervoll, wie ein Perlenspiel im Wind. Einzigartig und doch elegant und anmutig. Ihre Haut war so weich. Ich habe es geliebt, wenn sie mir mit ihren Fingerspitzen die Tränen aus dem Gesicht gestrichen hat. Den mitfühlenden, liebevollen Blick, den sie mir immer zugeworfen hat, vergesse ich nie. So blaue Augen habe ich bis heute nie wieder gesehen. Mit einer einzigen Ausnahme. Meine Mutter war für mich damals, wie eine Fee. Ich habe mir immer vorgestellt, wie sie ihre hauchdünnen Flügel ausbreitet und mit mir davonfliegt. Das hat sie nie getan. An dem Tag, an dem sie hätte fliegen sollen, ist sie gestorben. Einfach so. Genau wie jeder andere normale Mensch auch. Niemand wird je wirklich verstehen, dass sie für mich nicht irgendein Mensch war. Sie war etwas ganz besonderes. So einzigartig, wie einem Mutter für ihre Kinder sein sollte. Leider scheint nicht jede Frau so fantastisch zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Menschen auf Mütter und Väter schießen sollten, wenn ihnen die eigenen so lieb gewesen wären, wie sie es mir gewesen sind. Ich frage mich, ob ich eine gute Mum sein würde. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass ich mir Mühe geben würde. Irgendwann möchte ich Kinder haben. Wenn ich nicht mehr auf einer Straße lebe, mein eigenes Haus habe und mich um kleine schreiende Babys kümmern kann. Deshalb werde ich nicht sterben. Deshalb werde ich es irgendwie schaffen, mir Antibiotika zu besorgen. Ich weiß nicht wie oder wo, aber ich weiß warum: Für meine ungeboren Kinder - und deren Vater.
Hope
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Hey Leute,
Jetzt habe ich tatsächlich noch ein Kapitel geschrieben. Warum? Ich bin gerade sehr kreativ. Findet ihr, dass es langweilig wird?
Grüße
Eure miracleworld
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Hope.
Science FictionWas machst du, wenn alles, was du gekannt und geliebt hast, einfach zerstört wird? Wenn die Natur vernichtet wurde und nur das Leben in einer Stadt dich vor Krankheiten und Tod schützt? Wenn diese Stadt von einem Tyrannen regiert wird und du auf der...