19.17 Uhr An die Soldaten,
Heute begann unser Feldzug gegen die Truppen des Königs. Die Flucht der Gruppe, die nach draußen geschleust werden sollen, wird erst in ein paar Tagen; vielleicht auch erst in ein paar Wochen auf mich zukommen. Sie sollen sich genügend vorbereiten. Die Sabotagen und kleinen Angriffe starteten jedoch schon heute. Es war eher Zufall, dass jemand von unseren Spionen mitbekommen hat, dass eine neue Waffenlieferung im Militärviertel eintreffen wird. Daraufhin wurde sofort ein kleiner Trupp losgeschickt, der die Kiste öffnen und die Waffen mitgehen lassen sollte, bevor jemand etwas bemerken konnte. Jo hat die Gruppe angeführt. Vorher hatten alle einen Plan gehabt, auf dem ihre Positionen genau aufgezeichnet waren. Alles wurde sorgfältig besprochen und jeder wusste, was zu tun war. In dem Karton sollten ein oder zwei Dutzend Schusswaffen sein, die die Soldaten und die Jäger gut gebrauchen konnten. Spione hatten die Zeit der Ankunft der Lieferung in Erfahrung gebracht und auch die Zeit, wann die Träger eine Pause machen würden. Dann wollten wir zuschlagen. Nach dem Diebstahl sollte die Kiste wieder so aussehen, als sei nichts passiert, damit sich nicht genau feststellen ließ, wann die Waffen entwendet wurden. Auch wenn man auf die Lösung kommen musste, dass es an einem der Pausenplätze gewesen sein muss, so hatte es mehrere auf der Route gegeben, wodurch sich die Suche nach uns nicht einschränken ließ. Es war unmöglich, dass irgendetwas schief laufen konnte. Das zufriedene Grinsen auf Jos Gesicht als er mit einem Beutel voller neuer Feuerwaffen in die Halle spaziert kam, war kaum zu übersehen. Triumphierend hatte er jedem, der ihm über den Weg lief mit dem Sack vor der Nase herum gewedelt. Seinem Bericht nach zu urteilen, war alles wie geplant verlaufen und Spione die später wiederkamen, bemühten sich die verdutzten Gesichter der Soldaten zu beschreiben, als diese leere Kartons vorfanden. Ihr seht also: Wir machen Fortschritte und wir rüsten uns. Der nächste Plan beinhaltet einen Angriff auf das Hauptquartier der Stadtwache. Wir wollen niemanden verletzten, aber wir werden ein Zeichen setzten, in dem wir es vollständig niederbrennen. Jeder soll wissen, dass mit uns nicht zu spaßen ist. Natürlich führt all das dazu, dass wir auf uns aufmerksam machen, aber die Vorbereitungen zur Flucht kommen gut voran. Wir haben ein neues Versteck ausgemacht, das uns allen als Unterschlupf dienen kann und wir haben den Weg durch die Abwasserkanäle als den sichersten Fluchtweg gewählt. Es war auch schon ein Trupp unten, um den Weg zu markieren, damit wir ihn auch finden, sobald wir ihn benötigen. Auch ein drittes Versteck wird momentan unter die Lupe genommen, ob es sich als brauchbar erweisen könnte. Eine weitere Schutzmaßnahme ist, dass wir unsere Angriffe über die gesamte Stadt verteilen werden, so dass sich weder eine Mitte noch ein ausgelassener Punkt feststellen lassen kann. Wir mögen nur kleine Parasiten sein, die an jemandem kleben und nichts weiter erreichen, außer ihn zu ärgern, aber fürs Erste muss das reichen. Es soll nur Ablenkung sein und das Schinden von Zeit. In der Schule hatte ich eine Lehrerin, die uns einmal etwas über Parasiten beigebracht hat. Ihren Vortrag hat sie mit den Worten beendet, dass jeder Parasit ein Teil von dir nimmt und wenn es so viele sind, dass dein Körper das fehlende nicht mehr rechtzeitig produzieren kann, dann werden sie dich komplett auffressen können. Erst heute verstehe ich wirklich, dass sie nicht von Mücken oder Zecken gesprochen hat. Einen Tag vor dem Ausbruch des Krieges fand man sie tot in ihrem Haus. Sie hatte Tabletten genommen, um aus ihrem Leben zu fliehen. In dem Abschiedsbrief, den sie geschrieben hatte stand nur ein Satz: "Der Parasit ist jetzt stark genug den Wirt zu töten." Genau einen Tag später wurde der alte König gestürzt und sein engster Vertrauter kam an die Macht. Sie hatte lieber den Tod gewählt als ein Leben in Angst und Ungewissheit. Ich bewundere ihren Mut. Jeder wusste, dass sie das Leben geliebt hatte und alles so hinnahm, wie es eben war, aber sie wollte nicht in einer Welt leben, in der es nur Leid gibt. Vielleicht hatte sie auch Angst, aber sich selbst umzubringen, obwohl man noch leben wollte, erfordert immer Mut. Sie hatte schon lange erkannt, dass es keine Hoffnung mehr geben wird. Ich frage mich, was sie getan hätte, wenn sie damals von den Jägern gewusst hätte. Vielleicht wäre sie jetzt unter ihnen oder sogar ihre Anführerin. Sie würde die Einsätze selbst leiten, wenn sie könnte. Ich hoffe, dass es ein Leben gibt, das nach dem Tod auf sie gewartet hat und dass sie uns jetzt vielleicht beobachten kann. In einem alten Buch habe ich gelesen, dass es nach dem Tod weitergehen muss, da es die Endlichkeit nicht gibt. Ich habe schon viel über Religionen gehört und dass jede ihre eigene Version von dem Leben nach dem Tod hat. Ich glaube nicht an Himmel oder Hölle oder an das Kastensystem, aber ich weiß nicht, ob die Endlichkeit nur ein Wort ohne Bedeutung ist, weil sie gar nicht existiert. Vielleicht geht es wirklich immer irgendwie weiter, aber wenn ich das herausfinden will, dann werde ich wohl oder übel sterben müssen und noch, bin ich dafür nicht bereit. Ich habe noch etwas in diesem Leben, was ich machen will und muss und vor dem ich nicht einfach davon laufen kann. Danach kann ich mich beruhigt auf ein neues Abenteuer einlassen. Erst, wenn ich sicher weiß, dass niemand mehr in so einer Welt leben muss, wie ich es tue, kann ich einschlafen und mich von dieser Welt verabschieden und trotzdem habe ich keine Angst davor zu sterben, während ich für Freiheit kämpfe. Ich hätte mein Ziel nicht erfüllt, aber ich wäre für es gestorben und ich kann nicht sicher sagen, was auf mich wartet und genau deshalb brauche ich mich nicht zu fürchten. Es ist nicht gesagt, dass nach dem Tod noch mehr ist, aber es gibt auch keinen Beweis dafür, dass unser Weg einfach nur zu Ende ist, ohne dass wir noch Einfluss auf irgendetwas haben könnten. Vielleicht gibt es ein neues Leben, das auf mich wartet, vielleicht ist es auch eine ganz neue Welt. Ich weiß es nicht, aber ich habe keine Angst vor der Ungewissheit.
Hope

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Hope.
Ficção CientíficaWas machst du, wenn alles, was du gekannt und geliebt hast, einfach zerstört wird? Wenn die Natur vernichtet wurde und nur das Leben in einer Stadt dich vor Krankheiten und Tod schützt? Wenn diese Stadt von einem Tyrannen regiert wird und du auf der...