13. August 3085

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Hallo Mutter,

Was hältst du von mir, von deinem so geliebten Sohn? Sieh mich an und du bereust, dass du mich von dir gestoßen hast. Es würde dir jetzt besser gehen, wenn du hier an meiner Seite wärst. Im Schloss könntest du wohnen, sogar Diener hättest du und an Geld wäre auch nicht zu wenig da. Aber so wolltest du es nicht. Ich bin die Schande deiner Familie. Bin ich es jetzt immer noch? Selbst wenn. Es ist mir egal. Jetzt mache ich die Regeln.
In der Gasse bin ich aufgewachsen,  getreten und in den Dreck geschubst. Zu klein war ich für mein Alter. "Lauf Bengel! Verschwinde!" Schuhe haben sie nach mir geworfen. Gelacht wurde über mich und was machen sie jetzt? Jetzt hocken sie in ihren Häusern und zittern, weil sie fürchten ich könnte mich rächen. Es war nicht schwer an Macht zu kommen. In den Ställen des Hofes habe ich angefangen. Von der Straße hat man mich aufgegabelt und mir Essen und ein Dach über dem Kopf angeboten, wenn ich die Pferde fütterte und ihre Boxen ausmistete. Damals habe ich nicht sofort geahnt, wo es mich hinführen würde, aber lange gedauert hat es nicht. In den Ställen hört man viele Gerüchte und Geheimnisse aus dem Königshaus. Ich machte meine Arbeit gut, um auf mich aufmerksam zu machen. Irgendwann war ich dann der Stallbursche, der sich um das Pferd des Königs kümmern durfte und es vergingen nur wenige Wochen, bis mir der König wie ein Vater zum Freund wurde. Ich stieg auf zu seinem persönlichen Dienstjungen. Botengänge übernahm ich und ich trug ihm seinen Mantel. Jedes Jahr bekam ich mehr und mehr Aufgaben, bis er ich schließlich zu seinem engsten Vertrauten und Berater ernannte. Jetzt war ich ein Teil des großen Ganzen. Ich bekam mit, wer wann mit wem verabredet war und was sie zu besprechen hatten. In jede Verhandlung wurde ich eingeweiht und neue Bündnisse wurden vor meinen Augen geschlossen. Von den Verträgen kannte ich jedes Detail.
Alles schien für mich gut zu verlaufen und denke nicht, dass ich mehr Macht wollte. Warum hätte es mich danach verlangen sollen? Wenn ich gewollt hätte, dann wäre es mir schon damals möglich gewesen, zu regieren. Der König vertraute mir. Nur einmal nahm er meine Worte nicht ernst.
Es ging um einen Bund zwischen einem General aus der nächsten Stadt im Osten und unserer kleinen Stadt. Ich hatte Beweise dafür, dass eben dieser General keinen fairen Vertrag wollte, doch mein Rat wurde nicht ernst genommen, denn das Bündnis versprach Geld und das brauchte man hier dringend. Sobald der Vertrag unterzeichnet war, verlangte man mehr und mehr von uns. Rohstoffe sollten wir liefern, Geld und Waffen. Die Schatzkammer war leer und mehr Steuern wollte niemand eintreiben lassen. Wir mussten aus diesem Bündnis heraus und das ging nur mit Krieg, denn einfach so hätte man niemals einen Partner aufgegeben, dem man alles aus der Tasche ziehen konnte, was er besaß. Doch auch den Krieg wollte man nicht. Zu viele Tote hätte es gegeben. Wie viele starben aber schon jetzt an Hunger? Immer wieder redete ich auf den König ein, aber er wollte und wollte keinen Krieg.
Eines Morgens fand ich ihn dann. Sein Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Selbst all die Technik, die wir damals noch nutzen konnten, hätte ihm nicht geholfen. Ja, jetzt wunderst du dich nicht wahr Mutter? Ich habe ihn nicht getötet. Mauritius hat mich gefunden. Nirgendwo war Blut, aber er war der Schreiber des Königs. Das Volk kannte ihn und ihm glaubte man. Er verbreitete überall, dass ich der Mörder des alten Herrn war. Als ich ihn zur Rede stellte, sagte er nur, dass er mir helfen würde, mich vor der Wut der Menschen zu schützen, aber er wollte mein Schreiber bleiben. Da ich mich selbst schon vor dem Kampf gegen unseren Bündnispartner sehe, habe ich ihm zugestimmt. Ich werde ihn entlassen, sobald ich ein Problem gelöst habe. Wir werden alle Waffen, die uns noch bleiben, aufbringen müssen und trotzdem werden wir nur mit einer guten List gewinnen können. Ich habe schon eine Idee, aber zuerst will und muss ich diese Krönung hinter mich bringen.
Hunderte von arroganten, egoistischen Menschen warten im Thronsaal auf mich. Sie hoffen auf einen neuen Verhandlungspartner und schleimen werden sie, bis sie ihre Ziel erreichen. Mit keinem von ihnen werde ich mehr handeln. Isolation wird nach dem Krieg, in den sie alle verwickelt sein werden, die beste Lösung sein. Keiner kann sagen, wie viele Schäden es geben wird und Kalina kann es sich nicht leisten, von jemand anderem die Reparationszahlungen zu übernehmen. Wir haben schon jetzt nichts mehr übrig und nach dem Krieg wird es noch weniger sein. Unsere einzige Chance besteht darin, uns allein durchzuschlagen. Vielleicht kann ich dann die Menschen im Land versorgen. Wenigsten mit ein wenig Essen oder mit Arbeit. 
Wie wird es den reichen Schnöseln da draußen wohl gehen, wenn ich ihnen mitteile, dass alle Verträge mit ihnen ab sofort nicht mehr gültig sind? Man wird mich für verrückt erklären. Alle werden das tun. Hassen wird man mich auch, aber ich bin mit Hass groß geworden. Niemals sollte man in seinem Leben etwas Besseres erwarten, als das, was man in seiner Kindheit gehabt hat und ich hatte nun einmal nicht viel. Im Palast bin ich erst einmal geschützt vor Aufständen und irgendwie werde ich es auch schaffen, dass die Menschen mir wieder vertrauen, egal welche Märchen sie von Mauritius erzählt bekommen haben.
Ich bin kein Menschen verachtender Tyrann. Nur eine Person verabscheue ich und das bist du Mutter. Nicht weil du mich verstoßen hast. Nein. Weil du daran geglaubt hast, dass dein kleiner Sohn ein kaltblütiger Killer ist. Zugehört hast du mir nicht und jetzt musst du damit leben, dass alle über deinen Sohn sprechen. Nicht alle gut, aber sie sprechen über mich. Der König war wie ein Vater für mich. Der Vater, den ich nie hatte und sein Tod war für mich fast das schrecklichste Ereignis in meinem Leben, aber als sein Mörder gesehen zu werden ist schlimmer. Niemals würde ich einen mir derart wichtigen Menschen umbringen und so war es auch mit meinem Bruder. Ich habe Elijah nicht umgebracht und ob du willst oder nicht, aber Vater hatte seinen Tod mehr als verdient. Er war krank. Irgendwann wäre er so oder so gestorben. Man könnte sogar sagen, ich hätte ihm die Qualen abgenommen. Aber sieh es wie du willst. Für mich bist du genauso tot, wie Elijah, egal ob du noch lebst oder nicht.
Heute habe ich übrigens Geburtstag, für den Fall, dass du mir gratulieren wolltest, aber das hast sicherlich schon längst vergessen.

Krestor

Hope.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt