*6* Treppenfliegen

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Tatsächlich stehe ich anderthalb Wochen später mit einem Koffer vor dem Rudelhaus und atme unregelmäßig vor mich hin.

Die Worte des Rektors hallen immernoch in meinem Kopf nach.

»Ihre Taten könnten ebensogut angezeigt werden... Die Jugendknastzeiten sind für Sie schon lange vorbei... Sie können auch der Schule verwiesen werden...!«

Gestresst schließe ich die Augen. Ich bin noch nicht einmal im Haus, aber schon hier macht mich Claydens Geruch schier verrückt. Das kann doch nicht gutgehen.

Einen kurzen Moment lang überlege ich, einfach wieder umzudrehen, meine Sachen zu packen und wieder zu verschwinden. Diesen Gedanken verwerfe ich aber sofort wieder.

Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich diese Stadt hier gefunden habe. Zwei verdammte Jahre, in denen ich ein zu Hause gesucht habe. Dieses zu Hause lasse ich mir auf keinen Fall wieder wegnehmen. Schon gar nicht von Clayden.

Noch einmal atme ich tief durch, dann steige ich die Treppen hinauf zum Eingang und drücke dort auf die Klingel.

Schritte ertönen, die Tür wird geöffnet und Tine steht vor mir. Sie hat immernoch ihr mütterlich strahlendes Lächeln im Gesicht. Ihre Lachfältchen werden tiefer, als sie mich sieht.

»Oh Jesley, es ist so schön, dich wiederzusehen!«

Sagt sie erfreut und schließt mich in eine feste Umarmung. Etwas verwirrt erwidere ich sie. Keine Frage, ich freue mich auch sie zu sehen aber ich hatte mit einer etwas anderen Reaktion gerechnet.

Immerhin sollte ich eigentlich die Luna ihres Rudels sein, stattdessen bin ich abgehauen und habe das Rudel allein gelassen.

Nach kurzer Zeit löse ich mich wieder von ihr, körperliche Nähe jeglicher Art ist mir suspekt geworden.

Kurz mustert mich die Haushälterin besorgt, dann beginnt sie wieder zu Lächeln.

»Nun sag, Kind, was führt dich her?«

Verwundert ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. Will der Bürgermeister mich Hops nehmen oder was?

»Ich... Ich bjn hier als Aushilfe. Gemeinnützige Arbeit für euer Mehrgenerationenhaus oder was ihr euch da auch immer einfallen lassen habt.«

Diesmal ist Tine die, die mich verwundert anschaut.

»Sieh an, was hat unsere kleine Jesley nur ausgefressen, dass sie in ihren Ferien hier arbeiten muss?«

Ertappt beiße ich mir auf die Unterlippe und Blicke zu Boden. Natürlich, die Vorstellung dass ich in meinen Ferien freiwillig gemeinnützige Arbeit leiste ist ja auch schwer denkbar.

Bevor ich Tine eine Antwort geben kann winkt sie jedoch schon wieder ab und geht ins Haus, ich folge ihr.

»Ach weißt du, ich glaube ich will es gar nicht wissen. Mir reichen schon die ständigen Beschwerden über Lissys Streiche, da brauche ich nicht auch noch deine Einfälle in mein Gehirn lassen.«

Bei den Worten muss ich grinsen. Zugegeben, ich würde Lissy gerne wiedersehen. Vor allem interessiert mich, wie die kleine Maus sich entwickelt hat. Was man so hört ist sie anscheinend noch frecher als vor vier Jahren.

»Also, ich habe dir vorhin ein Zimmer hergerichtet, da kannst du wohnen. Richte dich dort erst einmal ein, dann zeigt dir jemand das Anwesen Und heute Abend kannst du mir beim Kochen helfen.«

Stumm nicke ich. Wenn ich Glück habe werde ich so in der Arbeit versinken, dass ich Clayden gar nicht begegne.

Tine läuft voraus die Treppe hoch, ich folge ihr. Hier oben ist Claydens Geruch noch stärker und seine Präsenz erdrückt mich fast. Er muss hier irgendwo sein.

One wolve here and a half wolve there [2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt