1 - afraid

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TRIGGERWARNUNG:
SUIZID, SELBSTVERLETZENDES VERHALTEN, ESSSTÖRUNGEN, GEWALT UND DROGENMISSBRAUCH

N

Ich zündete meinen Joint an der Grabkerze an.
Traurig sah ich in den Himmel.
Regenbogen.
Ein kleines Lächeln huschte auf mein Gesicht.
Es regnete in Strömen, aber die Sonne schien auf mein Gesicht.
Beziehungsweise auf meine geröteten Augen und die dazugehörigen Augenringe, meine kleine Stupsnase und meine aufgebissenen Lippen.
Ich hatte die letzten paar Tage bei meinem Opa verbracht, aber er hatte auch ein Leben und deshalb würde ich ab heute wieder zuhause schlafen.
Oder eher bleiben.
Schlafen war irgendwie nicht so oft drin.
Müde nahm ich den letzten Zug, drückte meinen Joint neben dem Grabstein aus und steckte ihn in meine Bauchtasche.
Mein Handy vibrierte.
Mama.
Ich seufzte und ging ran.
"Hey."
"Hey Nico, wie geht's dir?"
"Muss ja", sagte ich und gähnte.
"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?"
"Weiß nicht", sagte ich und riss ein Gänseblümchen aus der Wiese.
"Hast du noch genug von deinen Medikamenten?"
"Mhm."
Nahm ich sowieso nie.
Also hatte ich folglich noch genug.
"Aber die nimmst du schon regelmäßig, oder?", fragte sie besorgt, als könne sie meine Gedanken lesen.
"Ja klar", murmelte ich abwesend.
Ich log meine Mutter nicht gerne an.
Sie bekam sowieso alles raus.
Erst die Zigaretten, dann den Alkohol, dann das Gras.
Sie machte sich fast so viele Sorgen um mich wie ich mir um sie.
"Nico? Hast du mir zugehört?"
"Nein, tut mir leid", sagte ich leise.
"Noch ungefähr einen Monat, sagt der leitende Arzt. Dann bin ich wieder bei dir. Und du darfst mich morgen besuchen."
Ich lächelte.
"Darfst du raus?"
"Nein, aber wir können in der Cafeteria eine Kleinigkeit essen."
Mein Lächeln verschwand.
"Warum? Letztes Mal durftest du doch raus."
"Ich hab Gras geraucht", sagte sie enttäuscht.
Enttäuscht von sich selbst.
Ich seufzte.
"Ernsthaft? Deshalb? Oder verschweigst du mir was..."
"Nein, es war wirklich nur deshalb."
"Gut. Also bis morgen", murmelte ich.
"Wollen wir nicht noch ein bisschen reden?"
"Worüber denn? Dass du den ganzen Tag die Wand ankotzt wie Christiane F. persönlich?", giftete ich sie an.
Stille.
"Nico. Ich verstehe dich schon, aber ich dachte, wir reden vielleicht ein bisschen über dich."
"Über was denn? Ich hab sowieso keine Freunde. In meinem Leben passiert nichts, rein gar nichts, verstehst du?"
"Ich verstehe schon. Bis morgen Schatz."
Ich legte auf und merkte erst jetzt, dass es viel stärker regnete als noch gerade eben.
Wenig später hörte ich auch schon Donnergrollen.
Genervt stand ich auf und schmiss das Gänseblümchen auf den Boden.
Dann steckte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und machte mich auf den Weg nach Hause.
Der Weg war nicht wirklich weit.
The Neighborhood besang mich mit Afraid und das Lied passte irgendwie perfekt zum Regen.
Ich überquerte die Straße halb und blickte noch mal in den Himmel.
Die Sonne war endgültig verschwunden, der Regenbogen war weg und die Wolken hatte eine dunkelgraue bis schwarze Farbe angenommen.
Ein Auto hupte in der Ferne und ich ging weiter.
Wäre vielleicht gar nicht so schlimm für alle Beteiligten, wenn ich überfahren worden wäre.
Außer für meine Mutter.
Die würde wahrscheinlich bei meiner Beerdigung statt einer Rose ihre letzte Heroinspritze, in der ein goldener Schuss war, in mein Grab werfen.
Und mein Ring zerbrach.
Zu viel Stress also.
Müde sperrte ich die Tür auf.
Mein Nachbar schaute mich böse an, ich ignorierte ihn nur und ging die fünf Etagen nach oben bis zu meiner Wohnungstür, sperrte diese ebenfalls auf und trat ein.
In meinem Zimmer angekommen zog ich erstmal meinen durchnässten Hoodie aus und schloss das Fenster, durch das es heftig auf meine CDs reinregnete.
Dann zog ich mir ein frisches T-Shirt an und holte mir eine Ziese aus meinem Nachttisch.
Ich legte mich in mein Bett, machte die Playlist noch lauter und zündete in aller Ruhe an.
Ich sah mich in meinem Zimmer um.
Es war seit meine Mutter weg war, also seit drei Woche nicht mehr aufgeräumt worden.
Überall standen leere Bierflaschen auf dem Boden, unter meinem Bett war härterer Alkohol.
Dazu waren in meinem Bett lauter Verpackungen von Süßigkeiten von meinen alltäglichen oder eher allnächtlichen Fressattacken.
Ich schloss die Augen.
In diesem zugemüllten Bett konnte ich mich nicht entspannen, aber ich konnte es vergeblich versuchen.
Die Zigarette drückte ich auf meinem hoffnungslos vernarbten Arm aus und warf den Stummel auf den Boden.
Dann nickte ich ein.

eyooooo ich lebe auch nochhhhh :D

ketamine (bittersüße vodkaküsse 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt