9 - help_urself

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Ich schwenkte die fast leere Flasche in meiner Hand.
Wir waren zu dritt, Lila war wegen ihrer Arbeit schon gegangen, immerhin hatten wir schon vier Uhr morgens, auf dem Hausdach des größten Blocks der Stadt und schauten nach unten.
Vor vier Stunden hatte ich gekotzt.
Und ein Schielen nach rechts verriet mir, dass es bald wieder so weit sein würde.
Danny grub mit seiner Hand im Kies herum.
"Mach doch", sagte ich leise, "ist schon okay. War nur ein bisschen geschockt."
"Echt jetzt?", fragte er leise.
Ich nickte.
Er zog seinen Ärmel nach oben und ich schluckte.
"Wie alt ist das?"
"Keine Ahnung, hab's so gegen 16 Uhr gemacht, also vor 12 Stunden", sagte er leise.
"Du kannst noch ins Krankenhaus gehen und das nähen lassen."
"Nein, kann ich nicht", sagte er und nahm die Spritze zwischen seine Zähne, während er sich seinen Arm abband.
"Und warum nicht?"
Er nahm die Spritze und stach sich in die Vene.
Mir wurde wieder schlecht, aber ich hatte nicht das Gefühl, mich erbrechen zu müssen.
Immerhin.
Dann legte er sich zurück und schloss die Augen.
Nach fünf Minuten antwortete er mir dann doch.
"Hab 'ne Krankenhausphobie. Hab' ein Trauma, ich weiß nicht von was, hab deshalb alles vergessen."
"Scheiße", murmelte ich.
Er nickte.
"Soll ich mich darum kümmern? Ich kann das mit Steristrips zukleben."
"Echt jetzt?", fragte er und spielte mit dem Kies.
"Klar."
"Danke", sagte er leise.
Mercedes beobachtete uns schweigend.
"Nico?"
"Ja?"
Ich sah zu ihr hoch.
"Darf ich bei dir wohnen, bis deine Mum wieder da ist?", fragte sie leise.
"Safe", lächelte ich sie an, "aber was machst du danach?"
"Obdachlos sein", nuschelte sie.
"Sind deine Eltern so schlimm?"
"Ja, sind sie", sagte Danny leise.
"Woher weißt du das?"
"Ich bin ihr Bruder."
"Oh."
Jetzt war ich erstmal baff.
"Liegt das in der Familie?"
"Was?"
"Das H nehmen."
"Ne", murmelte Mercedes, "wir zwei sind die Ausreißer."
"Gehen wir?", fragte ich.
Die beiden nickten.
Also standen wir auf und machten das Fenster auf, durch das wir hochgekommen waren, stiegen die wackelige Leiter herunter und gingen die 20 Stockwerke wieder herunter.
Aber im Erdgeschoss stand jemand im Türrahmen.
"Fuck", flüsterte Mercedes und wir sahen uns an.
Dann rannten wir los, nahmen die Skateboards und das Fahrrad und düsten nur so weg.
Völlig durch den Wind sah uns der Typ, der uns gerade eine Standpauke halten wollte, nach und wir lachten nur.

Ich sperrte so leise ich konnte die Wohnungstür auf und wir traten ein.
"Hab nicht aufgeräumt, tut mir leid", sagte ich, lotste die beiden in mein Zimmer und holte den großen Erste-Hilfe Koffer aus dem Badezimmer.
Diesen hievte ich auf mein Bett und machte ihn auf.
Ich grub ein bisschen darin herum, bis ich Mullbinden, Verbandschere, Tape, Wunddesinfektionsmittel und Steristrips fand.
"Zeig her."
Zögerlich schob er seine Ärmel beide nach oben.
"Das brennt jetzt wie Scheiße, aber bitte nicht schreien, wir haben fünf Uhr morgens."
Mercedes hielt ihm vorsorglich den Mund zu, als ich seinen linken Arm in meinen Schoß legte.
Dann sprühte ich behutsam das Desinfektionsmittel auf die Wunde und machte alles sauber, was ich sauber machen konnte, während seine Augen tränten und er gedämpft wimmerte.
Anschließend drückte ich die lang gezogene Wunde zusammen und klebte sie mit neun Strips zusammen.
Zum Schluss wickelte ich noch einen dicken Verband um den Arm und klebte ihn mit einem Streifen Tape zu.
Das ganze wiederholte ich bei seinem anderen Arm, der nicht ganz so schlimm aussah.
"Bin fertig", flüsterte ich, Mercedes löste ihre Hand von seinem Mund und strich durch seine Haare.
Ich griff nach dem Blister Xanax, der immer noch auf dem Boden lag und drückte mir zwei raus, die ich kurze Zeit später auch nahm.
"Willst du auch ein paar?", fragte ich sie.
Sie nickte und nahm ebenfalls zwei.
"Ich geh' dann mal, muss arbeiten", sagte Danny leise.
"Pass auf dich auf", sagte Mercedes ernst.
"Tu ich immer."

ketamine (bittersüße vodkaküsse 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt