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"Ich mag deine Haare."
"Danke", lächelte ich unsicher.
Er hatte irgendwas an sich, das ich wirklich mochte.
Ich wusste nicht genau, was es war, aber irgendwas lag da in der Luft zwischen uns.
"Ich will nicht nach Hause", sagte ich und nahm dankbar den Joint wieder an.
"Außerdem steh' ich auf Beruhigunsmittel."
Er lachte leise.
"Dann los."
"Mit dem Jay?"
"Bei mir ist keiner Zuhause."
"Oh. Wild. Darf ich fragen warum?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Erzähl' ich dir vielleicht später."
Ich nickte und stand auf.
Wir ließen unsere Flaschen stehen und gingen zusammen zurück.
Meinen Eltern schrieb ich nicht.
Sie würden mich sowieso nicht vermissen.
Auch wenn sie nicht mal was von meinem Job wussten.
Fast alles andere wussten sie nämlich.
"Bleibst du wach?", fragte ich Nico.
Er nickte und schweigend gingen wir zu einem der unzähligen Wohnblocks hier im Viertel.
Er sperrte auf, wir gingen fünf Stockwerke nach oben und betraten eine kleine Wohnung.
"Mach's dir gemütlich."
Er zog seine Schuhe aus und ich tat es ihm gleich.
Dann verschwanden wir in einem Zimmer, das anscheinend seins war.
"Hab nicht aufgeräumt, sorry", nuschelte er und schob den Müll in seinem Bett zusammen und dann in eine Ecke.
Ich setzte mich auf den Boden.
Er ließ sich neben mir nieder.
Ich wollte nicht unhöflich sein, aber eine Frag brannte mir auf der Zunge.
Also stellte ich sie.
"Hast du nicht Beruhigungsmittel?"
Er nickte, beugte sich hinten zu seinem Nachttisch und holte ein paar Blister mit Xanax raus.
"Kannst 'n paar nehmen, ich nehm die sowieso nie."
"Wieso? Bekommst du die verschrieben?"
Er nickte.
"Krass. Hab Angstzustände aber mein Arzt gibt mir dagegen nur Baldrian-Tropfen. Kannst dich eigentlich glücklich schätzen."
"Hab meine aus der Ambulanz von der Klapse, da verschreiben die ein bisschen übermütig."
"Verstehe."
Ich drückte mir vier aus dem Blister.
"Hast du Trinken?"
Ich sah mich um.
"Was ohne Alk, am besten", fügte ich dann hinzu.
Er nickte und gab mir eine noch geschlossene Flasche Wasser.
Ich schluckte eine nach der anderen.
"Willst du keine?"
Er biss sich auf die Lippe.
"Ja", sagte er dann nach kurzem Überlegen, drückte sich ebenfalls vier raus und schluckte alle auf einmal.
"Pillen schlucken kannst du gut", sagte ich und zog die Augenbrauen hoch.
"Durfte in der Klapse ganz lang üben", scherzte er und ich lachte leise.
"Meine Eltern wollen sowas nicht."
"Was? Dass du Hilfe kriegst?"
Er sah mich ernst an.
Ich nickte traurig.
"Nicht mal normale Therapie?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Die halten das für ein Hirngespinst."
Er biss sich wieder auf die Lippe.
"Scheiße. Aber wenn deine Mutter dir fünf Therapeuten sucht, nur weil dein Dad sich umgebracht hat und du jetzt auch psychisch nicht so gesund bist, ist das auch nicht so geil."
"Also warte... du hast fünf Therapeuten und dein Vater hat sich..."
Ich verstummte, als er nickte.
"Scheiße."
Er schluckte und ich sah, wie ihm die Tränen hoch schossen und kurze Zeit später auch über seine Wangen flossen.
"Manchmal würde ich auch gerne sterben", murmelte er leise.
Er verschluckte die Worte schon fast.
"Ich auch", sagte ich noch leiser und rückte noch näher zu ihm.
"Darf ich dich anfassen?"
Er nickte und ich legte meine Hand auf seine Wange.
Dann strich ich ihm vorsichtig die Tränen weg.
Ich hatte das Bedürfnis, ihn ganz fest zu umarmen.
Aber bevor ich das tun konnte, näherte ich mich ihm wie automatisch in Zeitlupe.
Ich war ihm so nah, nur noch wenige Zentimeter trennten uns.
Er schloss seine zitternden Augen und ich überquerte die letzten Zentimeter zwischen uns.
Endlich trafen unsere Lippen aufeinander.
Ich hörte mein Herz förmlich klopfen.
Und alles kribbelte.
Bis in die Fingerspitzen.
Dieses Gefühl hatte ich seit Jahren nicht mehr gehabt.
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ketamine (bittersüße vodkaküsse 2)
Romance»meine schulter wurde nass, aber es war mir egal. denn er war mir nicht egal.«