36 - wenn du stirbst

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"Brudi, kann ich die Tage bei dir pennen? Ich weiß nicht, wo sonst..."
"Klar... wo gehst du hin?"
"Raus."
"Wohin raus? Du hast dir grad' Age gespritzt. An deiner Stelle würd' ich nirgendwohin gehen."
"Ich mach nur 'nen Spaziergang."
"Okay. Aber pass auf, ja?"
Ich nickte nur, steckte meine Kopfhörer in die Ohren und machte meine alte Playlist auf Shuffle.
Ich musste schlucken.

Wenn du stirbst - Tarek K.I.Z
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Das Lied hatte ich gehört, nachdem mein Vater das erste Mal seine Hand gegen mich erhoben hatte.
Aber ich skippte es dennoch nicht.
Beschrieb meine Aggressionen gegenüber Nico zurzeit ziemlich gut.
Was fiel ihm ein.
Und was dachte er, was passierte, wenn er einfach so rumvögelte?
Einen Plasma-Fernseher?
Ich taumelte auf die Straße und legte mich auf den Boden.
Würde ich jetzt sterben, würde es sowieso niemanden jucken.
Meine Eltern hassten mich, ich schuldete Danny noch ziemlich viel Geld und Nico fickte eine andere, die jetzt auch noch von ihm schwanger war.
Tränen flossen meine Wangen herunter und berührten den Asphalt.
Dann kam doch ein Auto angerast.
Mein Herz raste genauso.
Aber das Auto bog ab und war so schnell wieder weg, wie es gekommen war.
Ich hörte Schritte und spürte ein bisschen Wärme von rechts von mir.
Ich drehte meinen Kopf.
Simon hatte sich neben mich gelegt.
"Hey", murmelte er.
"Hi."
Ich nahm einen Kopfhörer heraus.
"Leben ist ganz schön scheiße bei dir, oder?"
Ich nickte und seufzte.
"Am liebsten würde ich ihn umbringen, aber dann hat sein verficktes Kind keinen Vater mehr."
"Ich kann deine Wut verstehen. Hab ständig Wut im Bauch. Brauch' das Hop als Ausgleich."
Ich nickte.
"Nicht mal das bringt mehr was. Ich bin einfach so enttäuscht."
"Vielleicht hilft ja das."
Er gab mir eine Sprite Flasche mit Lila Inhalt.
"Codein?", fragte ich leise.
Er nickte.
"Mit GHB."
"GHB?"
"K.O.-Tropfen."
"Stirbt man davon nicht?"
"In der Menge gehst du eigentlich nur knock. Deine Entscheidung, wie sehr du dich abschießen willst."
Ich zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck.
"Wie lang dauert das?"
"Zehn Minuten vielleicht. Du bist dann so drei Stunden weg."
Ich nickte.
"Dann sollte ich vielleicht wieder rein gehen."
Er nickte und wir standen auf.
Dann gingen wir zurück in Dannys Wohnung und legten uns wieder auf sein riesiges Sofa.
Danny war irgendwo, wahrscheinlich im Bad oder er pennte im Schlafzimmer.
"Warum bist du überhaupt hier, seid ihr wieder zusammen?"
Er seufzte.
"Schön wär's. Bin nur obdachlos. Aber ich glaub', wir kommen wieder zusammen."
"Ich weiß nicht, ob ich das so gut finde. Danny hat gesagt, du bist ein manipulatives Arschloch", nuschelte ich.
"Ich geb's ja zu, ich hab ihn anfangs nur für Drogen benutzt, aber er ist wirklich ein guter Partner. Das hab' ich irgendwann auch gemerkt und versucht, ihm Liebe zurückzugeben, aber irgendwie... naja. Ich war in 'nem echt scheiße tiefem Loch und wenn du gar nix mehr fühlst, fühlst du auch keine Liebe, verstehst du?"
"Denkst du, meinem Freund geht es auch so und er hat mich deshalb betrogen?", fragte ich leise.
"Ihr seid noch zusammen?"
"Naja, wir haben nie Schluss gemacht. Ich bin einfach weggerannt, als er es mir gesagt hat. Aber antworte mal auf meine Frage."
"Ja, ich denk' schon. Nach dem, was Danny mir erzählt hat... aber an deiner Stelle würd' ich das klären und ihn fragen, wie er die Sache zwischen euch sieht."
"Du bist so schlau", murmelte ich in das Kissen, auf dem ich lag, und ging endlich knock.

ketamine (bittersüße vodkaküsse 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt