M
Nico starrte auf sein Handy und ehe ich irgendetwas sagen konnte, bekam er einen Heulkrampf.
Dann hörte er kurz auf und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Verwirrt näherte ich mich ihm und wollte ihn umarmen, aber er schubste mich weg und kratzte wie besessen seine Schläfen auf.
"Nico..."
"HALT DEIN MAUL, DU HAST KEINE AHNUNG!"
"I-ich..."
Tränen benetzten meine Wangen.
"GEH ENDLICH", jammerte er verzweifelt.
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich geh' jetzt nicht, Nico."
"VERPISS DICH", schrie er und mit jedem Wort, das er sagte, brach mein Herz ein Stück mehr.
"Nico, komm run-"
Bevor ich fertig reden konnte, übergab er sich.
Oder, besser gesagt, er kotzte sich die Seele aus dem Leib, ohne das irgendetwas passiert war.
Aber irgendetwas musste passiert sein.
So reagierte niemand unter normalen Umständen.
"Soll ich dir-"
"NEIN! EGAL WAS, LASS MICH IN RUHE!"
"Nico. Dir geht's grad nicht gut, das wissen wir beide."
"ACH?", schrie er mich an.
"Nico. Bitte beruhig' dich", sagte ich leise und verzweifelt.
"LASS MICH IN RUHE! Ich will mich endlich schneiden..."
Zum Ende hin wurde er immer leiser.
"Ich weiß, was beim letzten Mal passiert ist. Danny hat das Bild nur aus dem Chat gelöscht, nicht aus meiner Galerie..."
Entsetzt sah er mich an.
"Nico, ich will nicht, dass so was oder schlimmeres noch mal passiert. Egal was passiert ist, du verdienst es nicht, dir so weh zu tun."
Er schluckte.
"Darf ich dich jetzt umarmen?"
Er nickte zögerlich und ich schloss ihn in meine Arme.
"Du musst es mir nicht sagen, wenn du noch nicht bereit bist, okay? Reicht auch, wenn du's mir erst auf dem Sterbebett erzählst", murmelte ich.
Er fing wieder an zu weinen.
Er tat mir wirklich Leid, ich verstand es nicht und ich war ziemlich verwirrt.
Er murmelte etwas unverständliches in meinen Pulli.
"Was?", fragte ich leise.
"Valerie hat das Kind verloren", sagte er leise und zog die Nase hoch.
"Oh wow... ich verstehe, dass es dir jetzt so geht... also nicht, wie du dich fühlst, aber ich kann es nachvollziehen."
"Danke", sagte er leise, "und auch danke, dass du keinen Krankenwagen gerufen hast... das wäre echt mein Untergang gewesen."
Ich nickte, weil ich gar keine Ahnung hatte, was ich jetzt sagen sollte.
"Ich muss was essen", sagte er leise.
"Das wäre 'ne gute Idee."
Er stand auf und ich folgte ihm in die Küche, wo er eine Tiefkühlpizza aus dem Gefrierfach des Kühlschranks holte und diese in den Ofen schob.
Ich setzte mich auf die Arbeitsplatte und beobachtete ihn.
Er spielte mit seinen Fingern.
Es ging ihm zwar besser, aber nicht gut.
Aber wie sollte es ihm auch in dieser Situation gut gehen.
"Nico?"
Er sah mich an.
"Willst du Kinder?"
Er nickte.
"Zwar nicht jetzt, aber ja."
Ich lächelte.
"Wenn wir so lange zusammen bleiben... willst du Kinder mit mir?"
"Ich mach' dir auch zehn, wenn du willst."
Es tat gut, zu wissen, dass es weiter gehen könnte.
Das einzige, was uns davon abhielt, war Nicos nie enden wollende Depression.
Aber vielleicht kam diese auch zu einem Ende.
Irgendwann.
DU LIEST GERADE
ketamine (bittersüße vodkaküsse 2)
Romance»meine schulter wurde nass, aber es war mir egal. denn er war mir nicht egal.«