Die Trümmer in uns

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Es war schon dunkel gewesen als ich mit meinem neuen Zauberstab durch das Hintertor von Hogwarts trat.
„Lumos". Flüsterte ich, als mein Zauberstab begann hell aufzuleuchten.

Ich hatte mir diesen vor ein paar Tagen aus dem Zaubereiministerium abholen können. Mein Zaubereiverbot war seit diesem Tag aufgehoben, damit ich in der Schule vernünftig am Unterricht teilnehmen konnte.

Ich schritt durch das Tor und lief über das Gras den Berg runter zu Hagrids Hütte. Dieser Teil von Hogwarts war komplett unbeschädigt geblieben und war noch immer genau wie seit meinem ersten Tag hier auf Hogwarts.

Der raue Herbstwind hatte Blätter aufgewirbelt, die vor mir den Weg zur Hütte herunter tanzten.

Mir graute es vor diesem Abend. Ich wusste das ich Potter wohl Rede und Antwort stehen müsste und nochmal verhauen konnte ich ihn wohl auch schlecht.
Warum musste man nur immer über sowas reden? Manchmal gibt es einfach nichts was das ‚darüber reden' ändern würde.

Ich konnte die Situation in der heulenden Hütte nicht mehr ungeschehen machen und dies verfolgte mich schon genug. Immer wenn ich in den Spiegel schaute, ekelte ich mich vor mir. Ich hatte Potter angefasst..., dass würde ich mir niemals verzeihen können und meine Mutter würde dies erst recht nicht verstehen. Genau wie Vater... wobei dieser mir mittlerweile egal war.

Mit einem dunkelgrünen Schlafsack unter dem Arm und dem Zauberstab in der linken Hand kam ich bei Hagrids Hütte an.
Die Tür stand offen. Potter stand dort und schaute mich freundlich lächelnd an.

„Dann werden wir mal zum Stall gehen." sagte Hagrid dann, der genüsslich von einem Stuhl aufstand, eine Laterne in die Hand nahm und an mir vorbei aus der Hütte trat.

Kommentarlos und ohne noch einen weiteren Blick an Potter zu verschwenden, folgte ich dem Großen.

„Eure Zauberstäbe braucht ihr hier nicht." Brummte er dann.
„Nox." murmelte ich, während ich dem Laternenlicht vor mir folgte.

Nach ein paar Minuten kamen wir am Rande des verbotenen Waldes an. Man konnte Eulen hören und auf ein paar Ästen saßen ächzend ein paar Krähen.
Der verbotene Wald war nicht mehr oder weniger gefährlich geworden, seitdem der Dunkle Lord fort war. Noch immer sollte man diesen lieber Vermeiden. Ich hatte zwar keine Angst, weil Angst nur etwas für Weicheier war. Ich hatte aber etwas Sorge, dass wir der ein oder anderen Acromantula über den Weg laufen... oder sonst irgendwelchen komischen Tierwesen.

Äußerlich ließ ich mir meine Unsicherheit nicht anmerken. Ich wusste das Potter das alles bestimmt gar nichts ausmachte. Immerhin war er die letzten Schuljahre so oft in diesem Wald gewesen, dass man meinen könnte es sei seine zweite Heimat.

Wir waren nicht tief in den Wald gegangen als wir an einer Holzhütte ankamen.
Vor der Hütte war ein eingezäunter Bereich, auf dem ein Trog mit Wasser stand und von weitem konnte man Seidenschnabel dort stehen sehen, der neugierig den Kopf in unsere Richtung drehte. Dieses Mistvieh. Den Tag in der 3. Klasse als mich dieses Tier angegriffen hat, hatte ich nicht vergessen und nun musste ich die Nacht mit diesen Wesen verbringen.
Der Zaun rund um die Hütte, war offenbar weniger dazu da, Seidenschnabel einzusperren, denn dieser war sehr verwittert und hatte einige Löcher. Angekettet war Seidenschnabel auch nicht, er konnte sich also frei bewegen.

Wir gingen an dem Hippogreifen vorbei und Hagrid öffnete vor mir die Tür zu dem Stall.
„Silberflügel!", hörte ich nur Potter, der sich an mir vorbei durch die Tür drückte und langsam und respektvoll auf einen zweiten Hippogreifen zuging, der mitten im Raum auf ein bisschen Stroh lag.
Still beobachtete ich das Geschehen als Hagrid mich mit einer Hand in den Raum schob.

„Ich hole euch morgen früh vor dem Unterricht hier ab. Bitte holt mich sofort, wenn es Schwierigkeiten geben sollte." Der Große nickte nochmal Potter zu, drückte mir eine Laterne in die Hand, die er an seiner Anzündete und dann hörte ich hinter mir die Tür schließen.

Nachdem ich mich aus meiner Starre lösen konnte, nahm ich meinen Schlafsack und rollte ihn in einer Ecke, weit weg vom dem Hippogreifen, auf dem strohigen Boden aus.

„Ist das nicht unglaublich? Silberflügel und Seidenschnabel werden bald Eltern." Potter hatte sich dem Tier nun so weit genähert das er direkt vor ihr stand. Mit einem ruck erhob sie sich. Unter ihr wurde ein bläuliches Ei sichtbar, welches in etwa die Größe eines kleinen Hauselfs hatte.

Der schwarzhaarige verbeugte sich, während er den Blick nicht von Silberflügel abwendete.
„Komm her..." befahl er und machte mit der Hand eine Bewegung das ich mich neben ihn stellen sollte. Genervt seufzte ich.

„Komm, langsam... und schau ihr in die Augen...".

Schließlich ging ich Schritt für Schritt auf dem Greifen zu, der mich nun mit seinen orangenen Augen scharf anstarrte.
Da ich wusste, was das letzte Mal geschehen war, hatte ich mir vorgenommen auf Potters Anweisungen zu hören. Die Nacht würde sich schwierig gestalten, wenn Silberflügel mich genau so wenig ausstehen konnte, wie Seidenschnabel draußen.

„Stopp... verbeuge dich." meinte Potter dann leise, als ich ungefähr auf seiner Höhe stand. Er schaute mich an aber löste sich noch nicht aus der Verbeugung. Noch immer stand er respektvoll mit gesenktem Kopf vor dem Wesen.

„Jawohl eure Hoheit!" rutschte es mir leise sarkastisch raus, während ich mich verbeugte und dem Tier weiter in die Augen sah.

Silberflügel machte daraufhin ein zufrieden schnaubendes Geräusch, legte sich wieder auf das Ei vor uns und vergrub ihren Schnabel in einem ihrer Flügel.
Potter grinste mich an und erhob sich langsam aus der Verbeugung. Ich tat es ihm bis auf das Grinsen gleich und setzte mich auf meinen Schlafsack, meinen Rücken hatte ich an der Holzwand angelehnt.

Nach ein paar Minuten der Stille, in denen der Gryffindor seinen Schlafsack auf der anderen Seite des Raumes ausgerollt hatte, fing er endlich an zu sprechen, um diese lange unangenehme Stille zu verdrängen.

„Das Ei muss ungefähr 24 Stunden lang ausgebrütet werden, bevor es schlüpft."

Eigentlich hatte ich gedacht, dass Potter sofort zur Sache kommen würde und mich mit unerträglichen Fragen bombardieren würde, die die Nacht in der Hütte betreffen. Doch stattdessen erzählte er weiter über diese Tiere.

„Demnach schlüpft es wohl erst nächste Nacht."

Ich schaute kommentarlos zu dem schwarzhaarigen der auf seinem Schlafsack saß und Silberflügel betrachtete. Er wirkte aufgeregt. Aber nicht negativ nervös, sondern eher vor Freude, denn seine Augen glitzerten in dem Licht der Laterne.

Nach ein paar weiteren langen Minuten des Schweigens schaute er nun zu mir rüber.
„Wir können also beruhigt schlafen gehen. Sollte doch etwas passieren, werden wir das wohl mitbekommen."

Wortlos nickte ich ihm zu. Warum fragte er mich nichts? Wieso redete er nicht mehr von der Nacht in der Hütte? Er hatte doch unbedingt darüber reden wollen und jetzt wo die Zeit wäre, da tat er es nicht?

Ich legte mich voll bekleidet in meinen Schlafsack und deckte mich zu. Es war kalt in diesem Stall. Der Wind wurde zwar durch das Holz abgefangen, aber dennoch war ich froh mich vorhin so dick angezogen zu haben.

Ich drehte die Laterne etwas zu, so dass nur noch ein ganz kleines bisschen Licht aus dieser schien. Im verbotenen Wald ganz ohne Licht zu schlafen wäre wohl das letzte was ich tun würde.

Auf dem Rücken liegend starrte ich an die dunkle Holzdecke. Von Potter kam kein Mucks, doch schließlich platzte es nach ein paar Minuten aus mir heraus.

„Du wolltest doch reden...".

Ich hörte wie Potter sich in seinem Schlafsack drehte.

„Es gibt doch nichts zu reden, oder?". meinte er dann nur leise. Ich glaubte ihm nicht, dass er das so sah. Noch immer, und dessen war ich mir sicher, wollte er über diese Nacht sprechen.

„Es gibt bestimmt Probleme, die man mit Reden lösen kann, aber manche Dinge werden erst zu einem Problem, wenn man darüber spricht." Noch immer war mein Blick zur Decke gerichtet.

Von draußen konnte man den Wind hören, der durch die Bäume und Büsche wehte und noch immer hörte man die Vögel. Ein gleichmäßiges Atmen ging von dem Hippogreifen vor uns aus.

„Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe.", fügte ich noch hinzu als ich keine Antwort zu bekommen schien.

„Ich kenne dich Malfoy..." hörte ich dann Potter sagen und drehte mich auf die Seite, um ihn ansehen zu können doch in der Dunkelheit konnte ich nur Umrisse erkennen. Er schien mich ebenfalls nicht anzusehen. Sein Blick war auf die Laterne gerichtet.

„...Immer wenn man mit dir über etwas sprechen möchte, was dich Verletzbar machen könnte, wirst du wütend." fuhr er dann fort.

Ich seufzte und schwieg. Was sollte ich darauf auch antworten? Ich wusste das er Recht hatte, aber niemand verstand, wieso ich so war.

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Es war wohl einige Zeit vergangen als ich mit geschlossenen Augen eine Stimme hörte. „Kannst du auch nicht schlafen?".

Als ich meine Augen öffnete sah ich Potter der mit seinem Schlafsack näher zu mir gerutscht war und zwischen uns nur noch die leicht flackernde Laterne stand.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Wir liegen in einer alten kalten Hütte im verbotenen Wald zwischen Tieren, die uns jederzeit angreifen können. Natürlich kann ich nicht schlafen."

Das war nicht mal der Hauptgrund gewesen, weshalb ich nicht einschlafen konnte. Vielmehr lag es an der Tatsache, dass Potter neben mir lag und ich sobald ich die Augen geschlossen hatte an die Nacht in der heulenden Hütte denken musste.

Ich sah nun wie der Gryffindor mich anlächelte und sich auf die Seite in meine Richtung legte im nächsten Moment wurde seine Miene aber wieder ernst und besorgt.

„Dein Vater ist in Azkaban, oder?". Da war er wieder. Der neugierige nervtötende Harry Potter. Der alles wissen wollte.

„Hast du doch bestimmt gelesen." murmelte ich, während ich meine Augen wieder schloss.

Nach ein paar langen Sekunden ergänzte ich leise: „Meine Mutter hat ihn verlassen. Sie wollte damit nichts mehr zutun haben."

„Was ist mit dir?".

„Was?"

„Was ist mit dir?"

„Mein Vater ist für mich gestorben." schnaubte ich verächtlich als ich mir mit meiner Hand durchs Gesicht fuhr.
Schließlich öffnete ich meine Augen und drehte mich mit dem Körper in die Richtung des schwarzhaarigen. Sein Blick war warm und mitfühlend.

Weitere Minuten vergingen, bevor er fortfuhr.

„Draco, ich weiß es ist nicht einfach, aber wir müssen nach vorne schauen und die Vergangenheit ruhen lassen. Wir müssen die Trümmer der Vergangenheit wieder aufbauen, und damit meine ich nicht nur die des Schlosses... nein... auch die Trümmer in uns selbst."

Er hatte recht. Recht mit seinen Worten und noch dazu hatte er mich gerade eben Draco genannt.

Ich nickte sanft und schloss meine Augen. Es war sicher schon spät in der Nacht und wir sollten wenigstens ein bisschen schlafen.

Im nächsten Moment konnte ich ein atmen vor meinen Lippen spüren und sofort darauf spürte ich weiche warme Lippen auf meinen die Leidenschaft aber auch Hoffnung auszudrücken versuchten.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt