Feuer und Eis

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Er hatte sich ein kleines Stück nach dem anderen vom Brot abgerissen, was mich innerlich wahnsinnig gemacht hatte. Aber irgendwo war ich froh, dass er etwas gegessen hatte, denn so war die Sorge, dass er jeden Moment zusammenbricht, etwas vergangen.
Nun saßen wir stumm vor unseren leeren Tellern. Immer wieder bekam ich fragende Blicke von Potter. In seinen Augen waren viele verwirrte Fragezeichen und ich war mir sicher, dass er mich am liebsten mit Fragen löchern wollte, allerdings blieb er still und stützte seinen Kopf auf seinem Arm ab.

„Heute ist es zu spät, um nach Hause zu gehen.", bestimmte ich und schaute durch das dunkle Zimmer. Nur auf dem Tisch, an dem wir saßen, stand eine brennende Kerze, die etwas Licht spendete.
Ich hatte den ehemaligen Gryffindor niemals in seinem Zustand allein nach Hause apparieren lassen können und auch jetzt, schien er sich zwar beruhigt zu haben, aber trotzdem ist das Apparieren betrunken nie eine gute Erfahrung. Weshalb ich selbst auch froh war, heute nicht mehr nach Hause zu müssen. Nicht nur wegen des Apparierens, wenn ich nach Hause ginge, dann müsste ich mich den Fragen meiner Mutter stellen und tatsächlich waren mir die Fragen des schwarzhaarigen dann doch etwas lieber.

„Du solltest schlafen.", fügte ich hinzu und deutete auf das Sofa. Etwas unwohl war mir schon dabei, dass ich ausgerechnet die heulende Hütte gewünscht hatte. Vielleicht wäre ein neutraler Ort besser gewesen. Ein Hotelzimmer zum Beispiel mit zwei Schlafzimmern. Das wäre auch gemütlicher gewesen.
Potter folgte mit müden Augen meinem Blick.
„Und du?".

„Ich brauche den Schlaf grade nicht so sehr wie du...außerdem sind wir dann Quitt. Du hast mich damals auf dem Sofa schlafen lassen, jetzt bist du dran."
Erst im Nachhinein ärgerte ich mich über meine Antwort. Ich hatte nicht auf diese Nacht anspielen wollen, es reichte, dass ich mich daran erinnerte, als wäre es gestern gewesen.

Potter nickte nur erschöpft. Sicherlich war er viel zu müde, nach diesem Abend, um sich daran zu erinnern, was auf diesem Sofa geschehen war und das war auch gut so.
Langsam stand er auf, schleppte sich zu dem Sofa und ließ sich darauf fallen. Stumm und etwas verloren schaute ich dabei zu wie er seine Augen schloss und innerhalb weniger Minuten einschlief.

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Ich zuckte zusammen, als ich spürte, wie etwas Feuchtes in meinen Schoß tropfte.
„Ah, Fuck!", fluchte ich leise.
Mein Nacken stach vor Schmerz und instinktiv griff ich mir an den Hals. Ich musste eingeschlafen sein. Und das so ungünstig, auf dem Stuhl, dass mir nun alles weh tat.
Ich öffnete die Augen und noch immer brannte die Kerze auf dem Tisch. Allerdings war sie um einiges kleiner geworden. Ich befand mich in der heulenden Hütte. Nein – im Raum der Wünsche, dass hatte ich im Schlaf verdrängt. Mein Blick fiel auf den Tisch vor mir. Ich hatte im Schlaf ein Wasserglas umgeworfen und nun tropfte der gesamte Inhalt in meinen Schoß.
Stirnrunzelnd seufzte ich, bis mir wieder einfiel, dass ich nicht allein war. Ein Blick zu dem Sofa bestätigte mir, dass Potter durch mein Unglück nicht wach geworden war. Er sah fast friedlich aus, während er schlief. Als hätte er keine Sorgen und keine Probleme, die ihn belasten. Nur etwas blass war er noch immer um die Nase.
Der schale Geschmack in meinem Mund verriet mir, dass ich länger geschlafen haben musste. Wie viel Uhr waren es? Leider hatte der Raum, in dem wir uns befanden, keine Fenster. Das Zimmer der heulenden Hütte hatte damals ein Fenster gehabt, aber das hier war eben der Raum der Wünsche und nicht tatsächlich eine Hütte an einer Klippe im Freien.
Müde starrte ich auf den nassen Tisch vor mir und beobachtete die einzelnen Tropfen, die weiter langsam in meinen Schritt liefen. Gähnend streckte ich mich, wobei sämtliche Knochen knacksten als wäre ich ein hundert Jahre alter Riese, der aus seinem Winterschlaf erwacht wäre.
Dann spürte ich wieder meinen Unterarm. Da Potter noch schlief nutzte ich die Gelegenheit und krempelte meinen mittlerweile roten Hemdärmel hoch. Zwei frische Schnittwunden waren durch Blaises Griff aufgegangen. Mittlerweile hatten sie aber aufgehört zu bluten. Mit ein bisschen Wasser und einer Serviette aus dem Korb, tupfte ich vorsichtig das Blut um die Schnittwunden herum ab. Immer wieder schielte ich zu Potter, der anfing sich auf dem Sofa hin und her zu wälzen.

„Nein... nein...", murmelte er im Schlaf. „Lass mich...".
Nach mehreren unverständlichen Wörtern krempelte ich mein Hemd wieder runter und näherte mich dem Sofa.
„Er ist wieder da...!", stieß er dann sehr deutlich aus. Sein Gesicht war verkrampft. Verschwitzt war er auch. Er musste einen Albtraum gehabt haben. Vorsichtig setzte ich mich an das andere Ende des Sofas und überlegte, ob ich ihn besser wecken sollte.
„Er ist wieder da...!", wiederholte er sich.

Mit einem Mal öffnete der schwarzhaarige verängstigt die Augen und starrte mich an.
Still versuchte ich Ruhe auszustrahlen und es dauerte nicht lang das er realisierte, dass er nur geträumt hatte und dass er sich grade mit mir in Hogwarts befand. Langsam griff er nach seiner Brille und setzte sich diese wieder auf seine Nase.

„Du hast nur schlecht geträumt.", bestätigte ich ihn. Dann begann er mich zu mustern. Er schaute mir in die Augen, dann auf meinen Mund, anschließend auf meinen rotgetränkten Hemdärmel. Dann auf meinen Hals und wieder in meine Augen.
Das grün in seinen Augen schien noch immer verwirrt, aber deutlich weniger als noch vor ein paar Stunden. Potter seufzte und richtete sich auf, hielt sich aber sofort den Kopf. Ich konnte nur zu gut nachfühlen, wie sehr ihn dieser schmerzen musste.

Ich holte ihm ein Glas Wasser, welches er sofort leer trank. Dann lächelte er dankbar. Endlich lächelte er.

„Wie viel Uhr sind es?", fragte er schließlich, während ich mich wieder auf das Sofa zu seinen Füßen setzte.
„Ich weiß es nicht. Es gibt bestimmt schon Frühstück in der großen Halle.", ich schmunzelte als ich das sagte. Ein ganz ganz kleiner Teil von mir hatte sich in diesem Moment gewünscht wieder Schüler zu sein und einfach so unten in den Saal spazieren und sich den Bauch vollschlagen zu können.
Der Gryffindor fixierte mich wieder mit seinen Augen.
„Was denkst du?", fragte er dann.

Er und seine neugierige Art. Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte seinen Blick.
Lange, viel zu lange sagte keiner etwas. Wir saßen uns gegenüber und schauten uns einfach nur an.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt