Verschwundener Stolz

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Noch immer ließ mich die Situation mit Malfoy heute Vormittag nicht los. Immer wieder sah ich seine sturmgrauen Augen vor mir, die in der einen Sekunde so viel Hass und kälte ausdrückten und in der nächsten Hoffnungslosigkeit und Angst.

Malfoy hätte mich beinahe geküsst.

Nachdenklich saß ich in der Bibliothek vor ein paar Büchern. Ich musste noch einen Aufsatz über magische Tierwesen fertig schreiben, aber konzentrieren konnte ich mich nicht.

In meinem Kopf waren so viele Fragen und ich war völlig durcheinander.
Stand Malfoy auf Männer? Warum hatte er mich fast geküsst? Und wieso hätte ich dies gar nicht mal so schlimm gefunden?

Ich vermutete schon seit einiger Zeit, dass ich mich eher zu Männern hingezogen fühlte als zu Frauen. Die Beziehung mit Ginny hatte mir dies eher nur bestätigt, aber so richtig darüber nachgedacht hatte ich bis jetzt nicht mehr.

Ich hatte auch keine Zeit gehabt mir über die Zukunft Gedanken zu machen. Zu sehr war ich damit beschäftigt gewesen, Interviews zu führen, zu lernen oder die Schule aufzubauen als dass ich darüber nachdenken konnte welche Person ich attraktiv fand.

„Das bringt nichts.", murmelte ich vor mich hin als ich aufstand und die Bücher zurück in das Regal brachte.

Auf dem Weg aus der Bibliothek sah ich ein paar Slytherin Schüler die lachend um etwas herumstanden.
Neugierig ging ich auf Sie zu.

Pansy Parkinson stand dort mit ihrem Zauberstab in der Hand und fuchtelte wie wild damit herum. Als ich näher kam konnte ich ein weißes Frettchen sehen, welches durch die Luft gewirbelt wurde.

Die Menge tobte und ich hörte nur etwas wie. „Einmal Frettchen immer Frettchen", „Selbst Schuld, wenn du wieder hier auftauchst." Und „Sagst du das jetzt deinem Vater??".

Schnell war mir klar, wer dieses Frettchen sein musste. Es war Malfoy und Pansy hatte ihn verzaubert. Zur Belustigung der anderen Schüler.

„Hört doch auf damit." sagte ich dann in einem ruhigen Ton, aber die Slytherins ignorierten mich nur.

„ER IST ES NICHT WERT." schrie ich dann so laut, dass alle mich anstarrten und Pansy ihren Zauberstab senkte.

„Lasst uns gehen, für heute hat er genug." lachte sie dann dreckig und als die anderen sich aus dem Staub machten, sah ich wie aus dem Frettchen wieder Malfoy wurde, der auf dem Boden lag.

Er lag auf dem Rücken vor mir. Seine Haare waren zerzaust und er war blass. Noch blasser als sonst. Er bewegte sich nicht, war still und ohne eine Emotion. Weder Wut noch Trauer, konnte ich in seinen Augen sehen. Er lag einfach da und starrte nach oben.

„Malfoy... ist..." ich kniete mich zu ihm runter. Hinter mir konnte ich ein paar Schüler hören, die durch den Korridor liefen und tuschelten.

„Ist alles in Ordnung?".

Ich streckte ihm meine Hand entgegen, um ihm aufhelfen zu können als seine Augen langsam zu mir wanderten. Ein paar Momente schaute er mich einfach an. Noch immer bewegte er sich nicht.

Seine hellen grauen Augen sahen mich so eindringlich an, als würde er mir direkt in die Seele schauen wollen oder als würde er mit mir kommunizieren wollen, ohne ein Wort sprechen zu müssen. Als hätte er dafür keine Kraft.

„Wenn wir das McGonagall sagen, dann wird Pansy der Schule verwiesen.", versuchte ich ihn nach ein paar Minuten zu beruhigen.

Plötzlich veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen und ich konnte wieder so etwas wie Stolz in diesen erkennen. Er griff nach meiner Hand und ich half ihm auf.

„Lass das meine Sorge sein." Malfoy sagte dies in einem so ruhigen Ton zu mir, wie er bisher noch nie zu mir gesprochen hatte.
Schnell ließ er meine Hand los und es war mir, als hätte er diese vorher trotzdem unnötig lange festgehalten.

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Es war Sonntagnachmittag.
Malfoy war heute nicht auf dem Quidditch Feld erschienen und das, obwohl wir angefangen hatten, den Slytherin Turm wieder auszubauen.

Mich verwunderte dies nicht. Er hatte sich gestern klar und deutlich ausgedrückt, aber eigentlich dachte ich, es war die Bedingung gewesen, dass er nur hier in Hogwarts seinen Abschluss machen dürfte, wenn er hilft.

Und wieder drehten sich meine Gedanken um Malfoy. Das musste endlich aufhören. Ich war mir sicher, dass er gut auf sich selbst aufpassen konnte.

Hermine, Ron und ich waren auf dem Weg nach Hogsmeade. Ich wollte mir heute mal einen Abend frei nehmen und mich von den verwirrenden Gefühlen der letzten Tage ablenken. Also hatten wir beschlossen ins drei Besen zu gehen und dort einen gemütlichen Abend zu verbringen.

„Hier bitte." Sagte Ron und stellte drei Butterbier auf den Tisch, an dem wir saßen.

„Sag mal Harry." Hermine nahm sich einen Krug und nippte daran, bevor sie weitersprach.
„Wie geht es dir damit das Malfoy wieder hier ist? Ich meine, er hat sich scheinbar kein bisschen verändert."

Ich zuckte leicht zusammen als ich diesen Namen hörte und überspielte es damit das ich einen großen Schluck aus dem Krug nahm.

„Es ist halt... Malfoy." Ich wollte nicht über ihn sprechen, weshalb ich versuchte, schnell wieder das Thema zu wechseln.
„Hagrid hat gesagt, das Seidenschnabel Vater wird, unglaublich, oder?".

Ron lächelte mich an während Hermine nur eine Augenbraue hob.
„Harry, Ron sagte du träumst wieder schlechter, seit er hier ist. Versprich mir, dass du uns sagst, wenn dich etwas bedrückt, okay?".

Mein Themenwechsel hatte scheinbar nicht wirklich funktioniert also nickte ich nur stumm als ich meinen Krug in einem Zug leerte.

Ein paar Stunden vergingen und die Stimmung wurde immer ausgelassener als ich plötzlich einen Hellblonden Schopf sehen konnte, der durch die Tür des Wirtshauses trat.

Malfoy war scheinbar überall.

An seiner Seite konnte ich Blaise Zabini sehen der sich aber von Malfoy verabschiedete und sich dieser allein an einen freien Tisch in einer Ecke setzte.

Immer wieder schaute ich während des Abends rüber zu Malfoy der sich ein Butterbier nach dem anderen bestellte und irgendwann kaum noch aufrecht sitzen konnte.

Ron und Hermine sprachen währenddessen über das kommende Fest, bei dem der Wiederaufbau von Hogwarts gefeiert werden sollte und dass sie sich schon so darauf freuten, sich bei dem Maskenball zu verkleiden.

Zumindest sprach Hermine davon, denn Ron konnte kaum noch reden und lallte eher etwas betrunken vor sich hin.

Plötzlich hörte man eine Stimme durch den Raum brüllen. „BRINGEN SIE MIR SOFORT NOCH EIN BUTTERBIER."

Malfoy war inzwischen aufgestanden und hielt sich etwas unbeholfen an der Tischkannte fest während er mit der anderen Hand drei leere Krüge, die er vor sich stehen hatte umwarf.

Die Wirtin sah ihn Böse an und sofort stürmten zwei Männer auf ihn zu, hoben Malfoy hoch und trugen ihn nach draußen.

„Vielleicht bringst du mal Ron ins Schloss, ich werde gucken das unser Problemjunge da draußen auch wieder nach Hogwarts findet." schlug ich dann Hermine vor die sofort einwilligte.

„Lass dich von dem aber nicht ärgern." Sie stand auf und half Ron dabei aufzustehen der einen Arm um sie legte und mit ihr aus dem Wirtshaus stolperte.

Als ich nach draußen ging sah ich Malfoy an dem Haus gegenüber gelehnt. Er hatte die Augen geschlossen und grinste betrunken vor sich hin.

Als ich auf ihn zukam schlang er einen Arm um mich.
„Potter, du Held der Zauberwelt. Du Retter in der Not."

Es war schon spät am Abend und es war mittlerweile sehr frisch geworden. Malfoy legte sein ganzes Gewicht auf mich. Er war größer als ich und vermutlich auch noch etwas schwerer.
Wie sollte ich ihn also zurück ins Schloss bekommen? Hierlassen konnte ich ihn wohl auch kaum.

Also hatte ich mir vorgenommen, es wenigstens den halben Weg bis zur heulenden Hütte zu schaffen. Dort konnte er dann ausnüchtern und selbst nach Hogwarts zurücklaufen.

Mit Malfoy an mich gelehnt gingen wir also los zur heulenden Hütte.
Während ich völlig außer Atem war, lallte Malfoy immer wieder merkwürdige Dinge wie:

„Mein Vater hasst dich so."... „Ich glaube wäre er nicht gewesen hätten wir vielleicht sogar Freunde sein können." „hmm... oder vielleicht auch nicht."

Schließlich kamen wir nach einer gefühlten Ewigkeit an der heulenden Hütte an.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt