Der zweite Ball des Wiederaufbaus

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„Harry du bist wieder mal zu spät!" quietschte Ginny und fummelte hektisch an meinem Hemdkragen.

„Ja, Lily wollte unbedingt mitkommen und ließ mich deshalb nicht gehen.", brummte ich schlecht gelaunt, während sie mir grob die Schleife um meinen Hals schnürte. Kurz hatte ich den Wunsch das sie mich damit einfach erwürgen sollte und es fühlte sich beinahe so an als wollte sie es genau so gerne tun.

Dann klingelte es an der Haustür und wütend fing ich noch einen Blick der rothaarigen auf, ehe sie fluchend das Schlafzimmer verließ und ich das Knarzen der Treppe vernahm.

Es gab mal eine Zeit, in der Ginny eine sehr entspannte Person gewesen war, die sehr viel Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, doch mittlerweile war sie die Hektik und der Stress in Person. Das absolute Gegenteil zu mir. Ich hatte sie angelogen. Ich war es, der nicht mehr gehen wollte, als ich eben Lily zu Arthur und Molly gebracht hatte.
Mir war bewusst, was dieser Abend alles mit sich bringen könnte und deshalb hatte ich absolut gar keine Lust gehabt. Ich war gerade zur Ruhe gekommen und die Presse ließ meine Familie und mich in Frieden. Das Thema Voldemort war langweilig geworden und auch die Verschwörungstheorien, die es kurzzeitig nach dem Schulabschluss bezüglich meiner sexuellen Orientierung gab, waren seit Jahren kein Thema mehr in den Zeitungen gewesen. Und nun musste ich erneut an den Ort zurück, der meine Vergangenheit aufwirbelte, womit wir es James, Albus und später auch Lily nur noch schwerer auf Hogwarts machen würden. Die berühmten Potters. Der stolz von Hogwarts – na toll.

Unten hörte ich die Stimme von Hermine und Ron und ein aufgesetztes Lachen von Ginny.
„Harry ist natürlich noch nicht ganz fertig. Aber er kommt gleich. Kommt doch herein."


Stumm zupfte ich meine Fliege zurecht, die wirklich sehr eng gebunden war und betrachtete mich im Spiegel. Meine schlechte Laune konnte man mir leider viel zugut ansehen und auch das neue Festgewand, welches Ginny mir für den Ball besorgt hatte lenkte nicht gut genug davon ab. Anders als damals trug ich unter dem schwarzen Gewand keine Weste. Zu dem weißen Hemd trug ich eine dunkelblaue Fliege, die natürlich zu Ginnys dunkelblauen glitzernden, bodenlangen Kleid passten.
Ich hatte nicht verstanden, wieso sie Blau gewählt hatte. Zu gerne hätte ich mein ehemaliges Haus repräsentiert, aber ich hatte es vermieden mit ihr darüber zu streiten. So wichtig war es mir dann doch nicht gewesen.
Noch vor dem Spiegel atmete ich ein paar Mal tief durch und übte das Lächeln, welches den ganzen Abend mein Gesicht zieren sollte, ich strich mir noch mein wildes Haar etwas zurecht und anschließend stapfte ich die knarzenden Treppen hinunter.

Ginny, Hermine und Ron standen im Wohnzimmer und lächelten mich an, ehe ich sie zur Begrüßung nur zügig still umarmte. Hermine trug anders als Ginny ein Kleid, welches nur bis zu den Knien ging. Es war weiß und mit schwarzer Spitze verziert. Ihre Haare trug sie nach oben gesteckt. Auch jetzt sah sie aus, als würde sie auf die Weihnachtsfeier im Ministerium gehen, statt auf einen Schulball.
Ron hingegen trug ein ähnliches Festgewand wie ich. Schwarz mit einem weißen Hemd. Allerdings ließ er das ganze etwas lockerer aussehen, dadurch dass er weder Krawatte noch Schleife trug und den oberen Hemdknopf geöffnet hatte. Ginny hätte mich umgebracht, wenn ich so mit ihr zum Ball gehen würde, aber zu Ron passte es nun mal.

Da wir spät dran waren zogen wir uns sofort die Mäntel über und als wir vor die Haustür traten stand schon eine elegante Kutsche bereit.
„Theastrale?", murmelte Hermine fragend und musterte die Kutsche, die in ihren Augen wohl von niemandem gezogen wurde.

Ich schaute in die Gesichter der anderen und nickte dann langsam. So interessant diese Wesen waren umso schmerzhaft war ihre Anwesenheit für diejenigen, die sie sehen konnten. Theastrale erinnerten mich noch heute an Cedric Diggory.

Nacheinander stiegen wir in die Kutsche ein, sofort hob sie ab und brachte uns zurück nach Hogwarts, zurück in unsere Vergangenheit.


Als wir in Hogwarts angekommen waren traten wir durch den Haupteingang. Um uns herum lag eine ungewöhnlich bedrückende Stille. Niemand von uns brachte eine Floskel heraus, die man in solchen Momenten normalerweise von sich geben würde, wie ‚Hier hat sich gar nichts verändert' oder ‚Es ist komisch nach all den Jahren wieder hier zu sein.' Es war nicht nötig das auszusprechen, was wir alle dachten.
Trotzdem spürte ich ein tiefes unwohles Gefühl in mir aufsteigen und ich merkte wie ich mich immer weiter verkrampfte als wir auf eine Menschenmasse zugingen, die sich vor der großen Halle aufgereiht hatte.
Der neue Hausmeister von Hogwarts, der nicht weniger unfreundlich aussah, wie Mister Filch damals, sortierte uns in Vierer- Reihen nebeneinander. Die Türen der großen Halle waren noch geschlossen und so hörte man nur die dumpfe Rede von Hagrid hindurch. Auf unserer Seite der Tür, war es noch immer still. Auf den ersten Blick erkannte ich niemanden, der Personen vor mir, aber Zeit dazu zu realisieren welche Menschen mich gerade alles umgeben könnten hatte ich auch nicht als sich mit einem Schwung die große Tür des Saals öffnete und eine fröhliche Streichmusik ertönte.
Schließlich setzten sich die ersten vor uns in Bewegung. Hermine, Ron, Ginny und ich waren die letzten in der Reihe gewesen. Offenbar waren wir gerade noch so pünktlich gekommen, dass wir wie die Helden von Hogwarts einmarschieren mussten.

Ginny harkte sich bei mir ein und so stolzierten wir in die große Halle. Ich wusste, dass mein Gesicht mehr Sorge als Freude ausdrückte, aber in dem Moment konnte ich mich nicht zu einem Grinsen zwingen. Wie ich es hasste so im Mittelpunkt zu stehen.

Die große Halle war genau so geschmückt wie damals. Sie schimmerte in einem goldenen Ton und es sah so aus als würden Sterne von der Decke rieseln. Ein riesiger Weihnachtsbaum stand hinten durch geschmückt mit goldenen Kugeln und wieder gab es viele runde Tische, statt die langen Häusertafeln. Um uns herum standen die Schüler der verschiedenen Häuser. Jedes Schuljahr war eingeladen worden, weshalb ich vermutete, dass ein Ausdehnungszauber die große Halle noch größer erscheinen ließ.
Etwas orientierungslos schaute ich wo die ehemaligen Schüler vor uns hingingen und fast als hätten alle eine Einweisung erhalten außer wir, stellten sie sich links und rechts neben Hagrid auf die Erhöhung vor dem Lehrertisch.

Mich wunderte, dass Hagrid so einen Aufstand veranstaltete, aber ich vermutete, dass er eher von irgendwem dazu gebracht wurde, so ein Fest zu veranstalten. Niemals wäre er sonst auf so eine Idee gekommen.

Vor Hagrid angekommen teilte sich die Vierer-Reihe und Hermine und Ron gingen links ab und Ginny und ich stellten uns rechts auf das Podest. Viele unbekannte Schüleraugen starrten uns an und mit einem Mal setzte die Musik aus und Hagrid begann erneut zu sprechen, während in mir immer mehr Unruhe aufkam. Ich hoffte, dass James und Albus nicht sauer wären, dass wir hier waren, und dass sie nicht deshalb noch mehr geärgert wurden.

Von Hagrids Rede bekam ich nicht besonders viel mit, da ich versteift durch den Raum schaute, um die beiden entdecken zu können, was bei der Anzahl an Schülern die wild durchmischt waren kaum möglich gewesen war. Dann entdeckte ich etwas anderes. Am Rand der Halle stand eine ältere Dame mit einem Notizblock und einer Feder, die neben ihr herschwebte. Die Presse war natürlich auch eingeladen.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt