Das blutende Mal

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Triggerwarnung:
Dieses Kapitel enthält Selbstverletzungsszenen, die einige Leser*innen beunruhigend finden könnten. Informationen für Menschen, die dazu neigen sich selbst zu verletzen, sind verfügbar unter telefonseelsorge.de

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Seufzend apparierte ich nach Hause. Ich erschien im Wohnzimmer direkt neben dem offenen modernen Kamin, der allerdings nicht brannte.
Mutter schaute mich erschrocken an. „Draco, du weißt mich erschreckt das immer."
Sie saß in einem weißen Ledersessel und war zugedeckt mit einer dunkelgrünen Wolldecke. Ihr grau-weißes Haar trug sie mittlerweile hochgesteckt und in Ihrem traurigen Gesicht konnte man ihr die letzten Jahre ansehen, in denen wir uns von der Öffentlichkeit zurückgezogen hatten. Seit Astorias Tod vor zehn Monaten lebte Sie wieder bei mir und half mir mit Scorpius, wo es nur ging. Teilweise war ich froh gewesen, damit nicht allein zu sein, aber dennoch brachte sie mich nicht selten zur Weißglut.

Ich nickte nur und zielstrebig lief ich auf eine Kommode aus hellem Holz zu auf der ein silbernes Tablett mit einer Flasche Feuerwhiskey und zwei Gläser standen. Ich schenkte mir etwas ein und vorsichtig trat ich zurück an den Kamin, um dort das Feuer anzuzünden. Ich nutzte hierzu nicht meinen Zauberstab, sondern griff zu Streichhölzern und währenddessen lief eine leise klassische Musik im Hintergrund. Mutter hatte gefallen an einem Plattenspieler gefunden, den wir einem Muggel auf einem Trödelmarkt abgekauft hatten.

Unser Wohnzimmer war sehr hell in Weiß-, und beigetönen gehalten. Die Möbel waren aus einem hellen Holz. Es war so ziemlich das Gegenteil vom Malfoy Manor, indem ich aufgewachsen war. Astoria hatte es geliebt das Haus einzurichten. Es stand ganz abgelegen in Pembrokeshire in der Nähe der Küste. Wenn man aus der riesigen Fensterfront nach draußen schaute, konnte man einen kleinen Pfad hinab zum Meer sehen.
Astoria liebte den Minimalismus und ich hatte immer gedacht, ich wäre ein sehr ordentlicher und eitler Mensch, aber Astoria hatte mir immer bewiesen, dass sie noch schlimmer war, was das anging.
Wir hatten schon seit langer Zeit eine Muggelfrau eingestellt, die sich um unseren Haushalt kümmerte. In meiner Zeit unter Muggeln hatte ich mich kurzzeitig damit abfinden müssen, selbst so etwas wie ein Muggel zu sein weshalb sich meine negativen Gefühle ihnen gegenüber relativiert hatten.

Während ich noch immer dabei war, das Feuer zu entfachen hörte ich meine Mutter hinter mir.
„Wo ist Scorpius?"

„Den habe ich an das Gleis gebracht. Das habe ich dir erzählt. Er ist nun in Hogwarts.", erwiderte ich stumpf.

„Wieso bist du noch hier mein Junge, die Schule hat also wieder begonnen?" fuhr sie fort.

„Mutter, ich gehe nicht mehr zur Schule.", innerlich seufzte ich und als das Feuer brannte stand ich wieder auf und setzte mich mit meinem Whiskey neben Sie auf die helle Couch.

Nach ein paar langen stillen Minuten ergänzte sie:
„Dein Vater wird das nicht gut finden das du die Schule schwänzt."
Mein Griff um das Glas wurde fester und ich spürte, wie Wut in mir aufkam. Ein Grund, wieso ich sie nicht wieder allein wohnen lassen konnte, war der, dass sie seit einiger Zeit immer wieder anfing wesentliche Dinge zu vergessen. Sie hatte mal gute und mal weniger gute Tage. Heute war ein weniger guter und so musste ich ihr schon zum gefühlt tausendsten Mal erklären, wo Scorpius ist und wieso ich nicht mehr nach Hogwarts musste.
„Vater ist nicht hier.", antwortete ich während ich versuchte tief durchzuatmen.
Ich stellte mein Glas auf den Couchtisch vor uns.

„Wo ist er denn?"

Mit einem Schwung stand ich wütend auf und schnellen Schrittes lief ich die Wendeltreppe hoch und ließ meine verwirrte Mutter zurück. Das Haus war mittlerweile so aufgeteilt, dass Mutter unten ihr Schlafgemach hatte. Das Obergeschoss gehörte nur mir und Scorpius.

Ich hielt das nicht aus. Diese Fragerei. Immer wieder dieselben blöden Geschichten. Und dann auch noch Lucius. Den ich mit jeder Faser meines Körpers versuchte zu vergessen, aber Mutter mich ständig an seine Existenz erinnern musste.

Ich trat ins Badezimmer, welches mit schwarzem Marmor auf dem Boden und an den Wänden gefliest war. Ein riesiger Spiegel hing über die zwei weißen Porzellan Waschbecken und eine große freistehende Badewanne befand sich in der Mitte des Raumes.

Zielgerichtet lief ich zu einem der Waschbecken. An meinem Blick sah man nun eindeutig die Wut und Verzweiflung. Ohne groß nachzudenken, griff ich an die obere Schublade des Schranks unter den Waschbecken und holte eine Rasierklinge hinaus.
Zähneknirschend krempelte ich schnell meinen linken Hemdärmel hoch. Zum Vorschein kam ein sehr vernarbter Unterarm.

Das Dunkle Mal, welches sich an dieser Stelle befunden hatte, war kaum noch erkennbar. Man konnte lediglich die kurven der Schlange noch erkennen. Der Rest war zerkratzt. Einige Kratzer waren fast weiß, wie meine Haut. Diese waren schon alt und lange verheilt. Andere Streifen waren noch rosa und wieder andere waren verkrustet. Sie waren noch frisch und waren erst vor kurzem entstanden.

Sofort griff ich zu der Klinge und schnitt mir damit schnell waagerecht in den Arm. Es war mittlerweile ein fast automatischer Vorgang, als hätte ich selbst nicht die Kontrolle über mich, sondern als läge der Imperius Fluch auf mir und jemand würde mich zwingen mich selbst zu verletzen. Die Wunde fing stark an zu bluten. Eine Weile schaute ich zu wie das Blut den Arm hinuntertropfte.

Langsam fiel mein Blick zurück auf mein Spiegelbild, während ich die Klinge wieder im Schrank verstaute. Mein eben noch wütender Gesichtsausdruck war nun kühl und ich spürte, wie sich eine friedliche leere in mir ausbreitete.
Vorsichtig begann ich mich auszuziehen. Es ließ sich nicht vermeiden, dass ich mein Hemd voll blutete, aber wenigstens war dieses schwarz, sodass man das Blut kaum darauf sehen konnte. Beatrice unsere Haushaltshilfe war sowieso nicht die hellste. Sie hatte es noch nie bemerkt.

Noch immer lief das Blut und mittlerweile lief es auch mein Bein hinunter, als ich mich in die große ebenerdige Regendusche stellte. Ich drehte das eiskalte Wasser auf und schnell vermischte sich das dunkle rot mit dem Wasser, während ich meine Augen schloss.

Potter mit der Weasley zu sehen, hatte mich damals schon aufgewühlt, als ihre Familie regelmäßig im Tagespropheten zur Schau gestellt wurde. Ihre perfekte Großfamilie... Ihn heute zu sehen, war trotzdem härter für mich als gedacht.
Nicht nur, dass ich neidisch war. Er hatte eine großartige Familie, wurde von allen Seiten geliebt und konnte sein Leben als ‚Held' genießen, während ich mich immer durchkämpfen musste. Ich schaffte es irgendwie wieder im Ministerium arbeiten zu können, hatte eine tolle Frau geheiratet und einen Sohn bekommen, wie ich es mir immer gewünscht hatte... und als ich gerade wieder in Frieden leben konnte wurde Astoria krank. Gerecht war mein Leben noch nie gewesen.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt