zu wenig & zu viel Gefühl

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Stumm setzte ich mich links neben Potter auf die Bank und nachdenklich schaute ich auf meine Schuhe, während ich ihn neben mir immer noch schwer atmen hörte.
Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was ihm solche Angst gemacht hat und ob er sowas öfter hatte, aber ich beschloss, dass mich das ganze nichts angeht. Ich hatte ihn nur zufällig aus der Halle rennen sehen, als ich ankam.

Natürlich war ich viel zu spät gekommen, was aber hauptsächlich daran gelegen hatte, dass ich vorher überhaupt nicht kommen wollte. Ich hatte Hagrid sogar eine Absage geschickt, weshalb niemand auf mich warten würde. Doch ich hatte mich kurzfristig umentschieden als Mutter mich fragte, wo Astoria schon wieder hin war und ich ihr erneut erklärte, dass sie nicht mehr lebte.

Gefühlt saßen wir eine Ewigkeit auf der Bank ohne, dass einer von uns etwas sagte. Immer wieder hatte ich zu Potter geschaut und hatte versucht herauszufinden, ob es ihm besser ginge.

Er saß mittlerweile nach vorne gebeugt und stützte seinen Kopf mit seinen Händen. Als ich ihn länger musterte bemerkte ich, dass er zitterte. Er hatte sich noch immer nicht ganz beruhigt, aber wenigstens seine Atmung war wieder langsamer geworden und ich hatte nicht wie eben das Gefühl er würde ohnmächtig werden.
Konzentriert schaute er auf den Boden vor sich, während sein rechtes Bein immer stärker zitterte. Fast war ich versucht meine Hand tröstend auf seinen Oberschenkel zu legen, aber zum Glück hielt ich mich davon ab.

Nach einem weiteren Moment richtete sich der ehemalige Gryffindor auf und schnell erhaschte ich einen, immer noch, voll Angst erfüllten Blick. Er fasste sich an seine Fliege, die offen an seinem Hals herunterhing. Hilflos versuchte er sich die Fliege auszuziehen und seinen Hemdkragen zu öffnen doch hektisch und zittrig, wie er war, gelang es ihm nicht.

„Warte.", meinte ich nur ernst und versuchte möglichst viel Ruhe auszustrahlen, als ich mich mit meinen Händen seinem Hals näherte, um ihm zu helfen. Vorsichtig und sanft öffnete ich sein Hemd ein paar Knöpfe und zog ihm die Fliege aus.
Grüne Augen starrten mich an, während er weiter kontrolliert atmete.

„Danke", presste er endlich etwas hervor, was für ihn in dem Zustand sicherlich ein Kraftakt bedeutete.

Ich schaute von ihm weg, steckte seine Fliege in meinen Mantel und mit einem Gefühl von Sorge, schaute ich über den großen Hinter Hof. Vermutlich gab es keinen direkten Vorfall, dem ihm so eine Angst bereitet hatte.
Es musste der Ort sein und die Tatsache das die Vergangenheit hier spürbar näher wahr.

Ich schaute auf meine Hände, während ich überlegte. In mir tobte ein Kampf, bei dem ich mir sicher war, dass er äußerlich nicht zu sehen war. Ich war traurig und besorgt. Niemals hätte ich gedacht Potter so zu sehen. Er war mutig und stark, sorglos und hatte die perfekte Familie. Zumindest augenscheinlich.
Aber vielleicht war er gar nicht so glücklich, wie ich dachte. Vielleicht trug er genauso eine Maske wie ich, nur dass seine eine falsche Fröhlichkeit zeigte und meine... gar nichts. Vielleicht hatte ihn die Vergangenheit genauso kaputt gemacht wie mich. Aber vielleicht war es auch einfach nur dieser Moment hier, der ihm ein bisschen schwer viel und sonst lebte er das Leben, was ich mir für ihn immer ausgemalt hatte.

Jedenfalls musste er hier erstmal weg, sonst würde er sich nie ganz beruhigen können. Überraschenderweise musste ich sofort an einen Ort denken, der nicht unweit von Hogwarts war, aber hoffentlich keine schlechten Erinnerungen zurückbringen würde.

„Kannst du laufen?"

Der schwarzhaarige schaute mich an, offenbar nicht fähig groß darauf zu antworten, denn er nickte nur knapp.

Langsam stand ich auf und hielt ihm meine Hand hin. Er nahm sie und ein dankbares Lächeln schlich sich kurz um seinen Mund als er sich vorsichtig aufrappelte. Als er vor mir stand hielt ich seine Hand länger als nötig und erst, als ich bemerkte wie verschwitzt diese war ließ ich ihn los.

„Ginny.", prustete Potter heraus und sofort sah ich in seinen Augen die Angst wieder größer werden.

„Wir sind nicht lange weg. Erstmal musst du dich beruhigen. So kannst du sowieso nicht wieder da rein.", leider klangen meine Worte autoritärer, als ich es gewollt hatte, aber als ich ein paar Schritte vom Schloss weg machte folgte mir Potter langsam.

Wir gingen schleichend los und immer wieder blieb ich stehen und schaute zu Potter der versuchte stark auszusehen, aber es ganz offensichtlich grade nicht war. Wir überquerten die überdachte Brücke und gingen einen schmalen Weg entlang, als es plötzlich begann zu schneien.

„Sieh nur.", der Mann neben mir schaute nach oben und ich bemerkte sofort, dass seine Atmung schon besser geworden war, und je weiter wir uns vom Schloss entfernten, desto besser schien es ihm zu gehen.

Ich nickte nur stumm und nach weiteren Schritten kam wieder etwas von ihm.
„Du willst doch nicht...", ließ er den Satz unbeendet, als er bemerkte, wohin wir grade liefen.

„Doch. Genau da wollen wir hin.", versuchte ich ihm ein Lächeln entgegenzubringen.

Nach einer Weile, vielleicht fünfzehn Minuten Fußweg, näherten wir uns dem Ziel. Außer ein paar Sätze hatten der Gryffindor und ich nicht miteinander gesprochen und noch aus ein paar Meter Entfernung sah ich, dass das was sich hier eigentlich befinden sollte, nicht mehr existierte. Wir erreichten einen alten Maschendraht Zaun. Ein paar Meter dahinter eine Klippe. Allerdings stand die heulende Hütte, die sich hier einst befunden hatte, nicht mehr. Nichts deutete daraufhin, dass sie hier mal gestanden hatte. Es war einfach eine riesige leere Fläche vor einer Schlucht.

Die Trümmer der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt