⊱Kapitel 14⊰

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Josie öffnet mir freudestrahlend die Tür ihres Elternhauses. Heute ist es soweit – das Footballspiel. Erst gestern haben wir uns eine halbe Ewigkeit darüber unterhalten, ob und wo wir uns vorher treffen wollen. Es erschien uns so am einfachsten.
»Hey Lyn. Lange nicht gesehen«, lacht Jo ironisch auf und fällt mir in die Arme.
Lächelnd erwidere ich ihre Begrüßung und schaukle uns während der kurzen, dafür umso festeren Umarmung hin und her.
»Komm doch rein.« Josie tritt einen Schritt zur Seite, sodass ich neben ihr das Haus betreten kann. Ein wenig umständlich halte ich mich an der Wand fest und schlüpfe aus meinen Chucks.
»Durst?«, fragt Jo breit grinsend.
»Oh ja und wie. Draußen wird man förmlich gegrillt.«
Mir ist erst in diesem Augenblick aufgefallen, wie trocken mein Mund in Wirklichkeit ist.
Für einen Bruchteil der Sekunde hält sie inne, als wolle sie etwas sagen, sich ihren Kommentar dann allerdings doch verkneifen. Stumm folge ich ihr in den offenen Ess- und Wohnbereich des riesigen Hauses. Eines, dass meiner üblichen Gewohnheiten nach fast mit einem Palast verwechselt werden könnte. Direkt hinter der edlen Ledercouch steht der mindestens zwei Körpergrößen lange, marmorierte Esstisch. Während Jo in der Küche verschwindet lehne ich mich lieber an den Tresen des freistehenden Küchenelementes.
»Limo?«
»Gerne.« Nickend stimme ich meiner besten Freundin zu.
Auch wenn Alli immer an erster Stelle stehen wird, kann es nicht schaden jemanden hier zu haben, den man ähnlich gern um sich hat. Zwar dauerte es einen Moment und vor allem Jo war die Verwirrung auf die Stirn geschrieben als ich versucht habe ihr genau das zu erklären, aber letztendlich haben es doch beide richtig verstanden. Sie sind mir eben wichtig. Jede auf ihre ganz eigene Art und Weise. Alli ist wie eine Schwester für mich, die ich nie hatte und Josie eben mehr wie eine beste Freundin. Auch, wenn das in manchen Situationen überhaupt keinen Unterschied macht. Ein wenig widerwillig stemme ich mich vom Rand der kühlen Arbeitsfläche ab und eile Josie zur Hilfe, die gerade eine frische, halbierte Zitrone auspresst.
»Hat sich der Streit mit deiner Mom eigentlich geklärt?«, versucht sie mehr oder weniger beiläufig die Auseinandersetzung mit Victoria anzusprechen.
Ich habe ihr vor ein paar Tagen davon berichtet, die Details allerdings ausgespart. Jo ist fest in dem Glauben, dass ich eine alte Freundin von Vics Seite aus kennenlernen soll und ich schlicht nicht will, da ich sie so oder so nie gekannt hätte. Vielleicht ist das nicht unbedingt die beste Sparversion, aber immer noch besser als die schonungslose Wahrheit. Zumal ich meiner neugierigen Freundin dann hätte alles erklären müssen. Wirklich alles! Und darauf kann ich gut und gerne auch verzichten. Es ist schon brenzlich genug die Freundschaft zu Allison zu thematisieren ohne zu weit auszuholen. Auch die Begegnung mit Aiden an jenem Nachmittag behalte ich lieber für mich. Wer weiß, was sie aus diesen, zugegeben sehr vertraut wirkenden, Augenblicken in ihren Gedanken zusammenschmiedet. Vermutlich nichts, dass mir zum Vorteil werden würde. In ihrem Wissen bin ich also bloß in den Park abgehauen, um den Kopf frei zu bekommen. Eigentlich entspricht das sogar der blanken Realität. Als es bereits dämmerte bin ich folge dessen allein nach Hause zurückgekehrt. Auch unter besten Freunden muss man ja nicht alles teilen. Vor allem nicht, wenn sie die besagte Person kennt. Ich setze zum Sprechen an, doch bevor ich Jo eine Antwort auf ihre Frage liefern kann, tritt Ethan zu uns in die Küche. »Oh, hey Lyn«, begrüßt er mich eine Spur überrascht und schenkt mir ein aufrichtiges Lächeln.
»Hi«, ebenfalls lächelnd hebe ich meine freie Hand.
Erst, als ich ihn richtig anschaue bemerke ich, dass er längst sein rot-gelb gestreiftes Trikot und die passende Sportshorts trägt. Seine Haare hat er ein wenig unordentlich nach hinten gegelt. Auch wenn oder gerade weil er Jo's Zwillingsbruder ist, kann ich nicht von der Hand weisen, dass auch er eine ordentliche Portion Attraktivität abbekommen hat. Nicht, dass es mich großartig interessieren würde, aber in solchen Augenblicken frage ich mich wirklich warum er oder auch andere nicht lägst vergeben sind. Die Tatsache, dass sie es vielleicht gar nicht wollen, will mir in diesem Moment nicht so recht durch den Kopf gehen.
»Du gehst schon?«, hakt Jo ein bisschen enttäuscht das Offensichtliche nach.
»Ja. Ich hole noch schnell Aiden ab und dann treffen wir uns noch mal mit dem Team, um die letzten Einzelheiten durch zu sprechen.«
Selbst die Erwähnung seines Namens lässt mein Herz für einen Schlag stillstehen. Ohne sich darum zu scheren, für wen die Gläser bestimmt sind, schnappt Ethan sich eines der zwei durchsichtigen Gefäße und trinkt mit einem Zug die gesamte Flüssigkeit. Kurz nickt er anerkennend, ehe er das Glas zurückstellt. Jo und ich starren ihn beide ein wenig entsetzt an. Immerhin geht es um unsere mit Liebe zubereitete Limo. Ethan scheint davon nicht beeindruckt.
»Zitronenlimo? Nicht schlecht.« Ziemlich taktlos, wenn man mich fragt, bemerkt nun auch er unsere ernste Miene.
»Idiot«, nuschelt Jo mehr zum Spaß, als dass sie Ethan wirklich beleidigen wollte.
»Ich hab die auch lieb Schwesterchen«, grinst er und drückt Jo zur Bestätigung einen flüchtigen Kuss ins Haar.
»Sei nicht traurig. Die Limo reicht auch so noch für euch beide. Wir sehen uns später.«
Hastig wendet er sich zum Gehen und verlässt dann die offen gehaltene Küche. Jo verzieht das Gesicht zu einer Grimasse und wiederholt stumm die Worte ihres Bruders. Ich versuche gar nicht erst mein Grinsen zurück zu halten. Es hätte ohnehin keinen Sinn. Zum Abschied dreht Ethan sich unerwartet noch einmal um und winkt uns zu, ehe er dieses Mal wirklich das Haus verlässt. Nur ein belustigtes Murren ist aus dem Flur zu hören: »Das habe ich im Übrigen gesehen, Josie!« Nun kann ich mein Lachen endgültig nicht mehr für mich behalten. Auch Jo stimmt mit ein und wir beide tauschen einen vielsagenden Blick.
»Aber jetzt erzähl mal. Wie ist das mit deiner Mom ausgegangen?« Greift sie das vorherige Thema wieder auf, nachdem wir uns von unserem Lachanfall erholt haben.
Das es mich stört, wenn jemand Vic als meine Mom bezeichnet, würde ich natürlich niemals zugeben. Zu groß wären die daraus resultierenden Folgen. Während Josie also ein frisches Glas aus dem Schrank holt und etwas von der Limo einschenkt kreisen meine Erinnerungen zurück an jenen Abend, als ich nach Hause kam und unwillkürlich auch an ihn...

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