Ein furchtbar schrilles Geräusch reißt mich aus dieser sorgenlosen Welt. Genervt stöhne ich auf, als es einfach kein Ende nehmen will. Viel zu gerne würde ich noch immer in einem Paralleluniversum schlummern, in dem Vic und Rich niemals zurückkommen werden und Aiden und ich so für immer unsere Ruhe haben.
»Nigr«, nuschle ich in die Bettdecke, als sich mein kuschelig warmes Kissen bewegt. Keinen Augenblick später verstummt das fürchterliche Klingeln. Zufrieden rutsche ich ein Stück näher an die weiche Heizung und ziehe die Decke noch ein Stück höher. So könnte ich den ganzen Tag verbringen. Warm und gut behütet im Land der Träume.
Ich bin schon längst dabei erneut all meine Gedanken abzuschalten, als mich ein plötzlicher Geistesblitz durchfährt. Seit wann sind Heizungen weich? Ehe ich überhaupt die Möglichkeit habe, darüber nachzudenken, bekomme ich die Antwort von ganz allein. Trockene Lippen verteilen einzelne Küsse auf meiner Wange, bis hin zu meinem Schlüsselbein. Genießend wende ich meinen Kopf in die entgegengesetzte Richtung, um noch mehr von den zarten Liebkosungen aufnehmen zu können.
Aiden kichert leise. »Wir müssen aufstehen.«
Ein letztes Mal finden seine Lippen den Weg auf meine Wange. Verschlafen ringe ich mich dazu durch doch meine Lider zu öffnen und blinzle sogleich träge in das halbdunkle Licht. Das Erste das ich zur Sicht bekomme sind Aidens einzigartigen Grübchen. Sein Gesicht schwebt nur wenige Zentimeter über meinem eigenen. Aidens unverletzte Hand hält die Decke, die ich mir eben noch bis zum Haaransatz über den Kopf gezogen habe, zurück. Er muss mich gestern Abend in mein Bett getragen haben, als ich tief und fest geschlafen habe. Anders kann ich mich nicht erklären, wie ich sonst den Weg in mein Zimmer gefunden habe.
»Guten Morgen Süße.«
»Morgen«, murmle ich und versuche dabei meine Arme aus dem Decken- Aiden Gewirr zu befreien, nur um mir den Schlaf aus den Augen reiben zu können.
»Ich will aber nicht aufstehen. Du bist viel zu bequem«, rechtfertige ich mich.
»Am liebsten würde ich auch hier liegen bleiben. Mit dir zusammen im Arm. Den ganzen Tag. Aber das geht nicht. Sonst kommst du noch zu spät zur Schule«, erklärt Aiden und zieht die Decke ein Stück zurück.
Würde mein Freund nicht neben mir liegen, würde ich vermutlich augenblicklich erfrieren. »Schule ist mir egal.«
»Ich muss aber auch los. Der Bus wartet nicht ewig auf mich. Außerdem kommen deine Eltern nachher wieder.«
Seufzend gleiten meine Hände von meinen Augen flach über mein gesamtes Gesicht. »Verdammt. Das hatte ich ganz vergessen.«
Auch wenn ich es nicht sehen kann, weiß ich das Aiden grinst. »Was? Mein Auswärtsspiel oder Richard und Victoria?«
Entschuldigend blicke ich Aiden an, ehe ich mich nun auf meine Ellenbogen stütze und uns beide so unfreiwillig zur Hälfte aufrichte. »Beides. Ehrlichgesagt«, beichte ich ihm.
Aiden schüttelt nur spielerisch den Kopf. »Da habe ich mir aber eine ziemlich vergessliche Freundin ausgesucht.«
»Ey«, beschwere ich mich. »Das ist nicht meine einzige Eigenschaft.«
Plötzlich landen Aidens Hände an meiner Taille und ehe ich mich fragen kann, was er vorhat, spüre ich es längst. Lachend falle ich zurück ins Bett, sodass ich Aiden automatisch mit mir ziehe. Für einen Moment erdrückt mich sein gesamtes Körpergewicht, bis er sich mit den Knien zu meinen Seiten abstützt. Mir stehen schon vor lauter Lachen die Tränen in den Augen, als Aiden es immer noch nicht lassen kann und seine Hände sich nun den Weg zu den verschiedensten Stellen meines Körpers bahnen.
»Ich weiß Lyn. Kitzelig bist du nämlich auch.«
Ich bin schon gewollt ihm eine passende Antwort zu geben, als ich mich vor lauter Lachen schon fast verschlucke und mir den Bauch halte. »Okay sto-pp Ai-den. Ich stehe frei-willig auf«, bringe ich abgehakt hervor.
Grinsend hält er inne. »Sicher?«
»Versprochen«, gebe ich ihm mein Ehrenwort, bevor ich ihn zu mir ziehe, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu hauchen.
Anschließend drücke ich ihn von mir runter, um tatsächlich aufzustehen. Bereitwillig lässt Aiden sich neben mich fallen. Ich bin gerade dabei eine Jeans und ein Shirt aus meinem Schrank zu ziehen, als mich etwas weiches auf dem Rücken trifft. Gespielt empört drehe ich mich um und hebe das beige Zierkissen vom Boden auf. »Hey. Was wird das?«
In dem Versuch eine erste Miene aufzusetzen feure ich das viereckige Kissen zurück. Gekonnt fängt Aiden es auf. »Du bist so süß wenn du versuchst dich aufzuregen.«
In einer fließenden Bewegung legt er mein armes Federkissen zurück aus Bett und steht schließlich selbst auf, um auf mich zu zukommen und seine Arme von hinten um mich zu schlingen. Lächelnd gebe ich mich sicher Berührung hin und lehne mich an seine starke Brust. Erneut finden seine Lippen den Weg zu meinem Hals und hinterlassen abermals dieses angenehme, wohlige Kribbeln. Ich könnte ewig so eng umschlungen hier stehen bleiben, aber Aiden hat Recht. »Wenn wir so weiter machen, dann kommen wir wirklich noch zu spät.«
»Ist mir egal. Unsere Zeit ist viel wichtiger, schöner und wertvoller als dieses dämliche Spiel. Und dein Stundenplan ist auch lahm.«
Überrascht ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. »Ach echt? Eben hast du mich noch halb aus dem Bett geschmissen.«
»Stimmt doch überhaupt nicht. Das würde ich niemals wagen. Oder wollen.«
Ich sage nichts dazu, drehe mich bloß in seinen Armen zu ihm um und streiche sanft über seine Wange. »Lass uns trotzdem los.«
Mein Blick ist so intensiv, dass Aiden schließlich einknickt.
»Also gut. Wer zuerst im Bad ist.« Überraschend lässt er mich von jetzt auf gleich los und ist schon fast an der Tür, als ich ihm lachend folge und ihn tatsächlich noch einhole.
Wenig später stehen wir zwar vollkommen abgehetzt, aber gerade noch pünktlich auf dem Parkplatz unserer Highschool. Nachdem Aiden und ich uns noch eine ganze Weile im Bad geneckt haben, blieb schließlich nur so viel zeit eines dieser Fertigsandwiches aus dem Kühlschrank zu fischen und im Eiltempo den ganzen Weg hierher zu rennen. Auch wenn mir von gestern noch immer Beine und Füße schmerzen, war es das wert.
Aidens ganze Mannschaft, samt Coach stehen schon bereit und warten darauf abgeholt zu werden. In der Ferne erkenne ich meine beste Freundin, die eindringlich auf ihren Bruder einredet. Ethan scheint das allerdings wenig zu interessieren. Er stützt sich nur seelenruhig auf seine Krücken und schaut durch Josie hindurch. Aiden bemerk meinen Blick und erklärt mir die Situation. »Der Coach hat ihn extra für heute freigestellt, damit er wenigstens mitfahren und uns zusehen kann. Sieht so aus, als ob er davon nicht so überzeugt ist.«
Irgendwie kann ich ihn verstehen. Vermutlich würde ich auch nicht mitfahren wollen, nur um auf der Bank zu sitzen und meinem eigenen Team zusehen zu müssen, wo ich selbst nicht spielen kann.
Ich nicke nur und wende mich dann wieder meinem Freund zu. »Ihr schafft das schon.«
Aiden zögert. »Da bin ich mir nicht so sicher. Ethan fällt aus und die Gegner sind dermaßen gut, dass wir so oder so unsere Probleme haben werden.«
Ein wenig bedröppelt sieht er zu Boden, bis ich sein Gesicht mit meinen Händen umfasse und unsere Blicke sich kreuzen. »Ihr schafft das. Davon bin überzeugt. Ich glaube ganz fest an dich, an euch. Ihr zockt sie schon ab und gewinnt, okay? Ich drücke beide Daumen.«
Etwas zuversichtlicher nickt Aiden küsst flüchtig meine Nasenspitze. »Danke Lyn.«
»Nicht der Rede wert«, winke ich ab. Da gibt es nämlich etwas, dass mich viel brennender interessiert. »Hören wir uns später?«
»Es kommt drauf an, wie ich es schaffe. Wann wir zurück sind. Victoria hat doch heute auch Geburtstag oder nicht?«
Entsetzt reiße ich meine Augen auf. »Stimmt das ist ja auch heute. Okay, vielleicht sollten wir das auf morgen verschieben?«
Aiden grinst wissend. Hält sich aber zurück meine Vergesslichkeit zu kommentieren. »Von mir aus. Aber dann machen wir das richtig. Morgen Abend im Park?«
Sofort weiß ich, welchen Ort er meint. Aiden meint die Wiese unter dem Baum, an dem ich ihn lehnen gesehen habe, nachdem ich nach dem Streit mit Vic davongelaufen bin.
»Abgemacht. Ich hoffe nur, dass ich dich nicht wieder die ganze Zeit aufmuntern muss, weil ihr wirklich verloren habt.« Zwinkert verschränke ich meine Arme vor der Brust.
»Das ist jedenfalls ein guter Ansporn um alles für den Gewinn zu geben.«
Aiden zieht mich noch einmal näher an sich, um mir einen letzten Kuss zu geben, bevor er geht. Unsere Lippen noch einmal miteinander zu vereinen. Noch einmal dieses Gefühl in mir auszulösen. Ich genieße diesen Moment so sehr, dieses wohlige Kribbeln, das sich in meinem gesamten Körper ausbreitet, mich bis ins Mark trifft, so sehr, als wäre es wirklich das letzte Mal, dass ich es erleben würde. Als wäre es das allerletzte Mal, dass Aiden und ich diese zarten Berührungen austauschen.
»Ich liebe dich Lyn«, flüstert mein Freund, als wir uns schließlich voneinander lösen.
»Ich dich auch.« Meine Worte sind kaum mehr als ein Hauch seines Flüsterns. Aber es reicht, um bei Aiden anzukommen.
Im Hintergrund ertönt die Schulglocke. Mein Zeichen zu gehen, um mich in den langweiligen Unterricht zu setzten. Auf halbem Weg bleibe ich noch einmal stehen und erwidere Aidens Winken, ehe ich schnellen Schrittes in das Gebäude eile. Wie kann jemand einen innerhlab von so wenigen Tagen so glücklich machen, wie Aiden es tut? Ich habe keine Antwort, ich weiß nur, dass es niemals enden soll. Meine Liebe zu ihm, unsere Gefühle. Sie sollen für immer bleiben.
Während ich also in Gedanken meine Daumen drücke, dass Aidens Mannschaft gewinnt, mache ich mir gelichzeitig Notizen auf meinem Collegeblock, was ich auf die schnelle noch für Vic besorgen könnte. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, wie sehr mich dieser Tag noch herausfordern sollte, wäre das Geschenk wohlmöglich meine kleinste Sorge gewesen und meine glückliche Laune, das minimale Lächeln auf meinem Lippen, wohl schlagartig verschwunden.
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too close
Teen FictionLyn, ein junges eher in sich gekehrtes Mädchen wird unverhofft adoptiert. Mit dem Umzug in einen fremden Bundesstaat muss sie ihr altes Leben hinter sich lassen. Besonders schwer fällt ihr der Abschied von ihrer besten Freundin. Denn Alli ist die ei...