⊱Kapitel 20⊰

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Nach Josies Anruf und ich niedergeschlagen zurück auf den Sportplatz gegangen. Ethan musste tatsächlich ins Krankenhaus gebracht werden. Leider wusste sie am Telefon noch nichts genaueres. Jedenfalls haben Aiden und ich uns darauf geeinigt uns nach dem Training ein Taxi zu nehmen und gemeinsam in die örtliche Klinik zu fahren. Aiden war sogar kurz davor, das restliche Training sausen zu lassen und direkt aufzubrechen. Zumindest so lange, bis ich ihn davon überzeugt habe, dass das niemanden etwas bringen wird. Schließlich ist das Training für die Mannschaft wichtig und Ethan würde es auch nichts nützen, wenn wir alle in der Lobby des Krankenhauses darauf warten, was denn nun mit seiner Verletzung ist. Am Ende hat Aiden mir glücklicherweise zugestimmt und ist wieder aufs Feld gerannt, während ich mich wieder auf die Tribüne gesetzt habe. Dieses Mal weiter unten und nicht, um an den Gedichten in meinem Notizheft zu arbeiten. Doch es dauerte nur wenige Minuten, um zu merken, dass die Stimmung im Team getrübt ist. Kein Wunder, wenn ein Mannschaftkamerad sich verletzt, ein andere daran Schuld hat und mit einem Mal auch die bisher gut verlaufene Saison auf dem Spiel steht.

Die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst beobachte ich die schlecht gelaunten Spieler und folge dabei vor allem den Bewegungen eines Bestimmten. Aiden scheint es nicht zu bemerken, er hat bislang kein einziges Mal hergeschaut. Und selbst wenn er es doch gesehen haben sollte, weiß er es zu ignorieren. Mir kann es egal sein. Nach unserem missglückten Gespräch im Flur der Highschool, ist die Luft in unserer gemeinsamen Atmosphäre zwar angespannt, gleichzeitig aber so locker wie schon seit Tagen nicht mehr. Genauer gesagt, seit diesem einem gewissen Moment. Allein bei dem Gedanken daran, der mich inzwischen zu verfolgen scheint, muss ich zwanghaft die Röte zurückhalten, die mir geradewegs ins Gesicht schießen will. Innerlich hoffe ich ja, dass es nicht wieder tagelang dauern wird, bis sich die Gelegenheit ergibt, allein mit ihm über alles zu reden. Ich will das Thema endlich geklärt haben. Ich will wissen, woran ich bei Aiden bin. Als der Coach das Team zusammentrommelt und ihnen irgendwelche letzten Anweisungen gibt, bin auch ich dabei so langsam meine Sachen zusammen zu kramen. Im Grunde genommen sind das nur mein Handy und meine Wasserflasche. Letzteres stecke ich zurück in meinen durchlöcherten Rucksack, ehe ich aufstehe, als auch die Mannschaft zurück in die Umkleiden verschwindet, um die rot-gelben Trikots gegen Jeans und Shirt zu tauschen. Auf dem Weg wähle ich bereits die Nummer des Taxiunternehmens, damit wir später nicht allzu lange warten müssen. Leider hänge ich noch immer in der Warteschleife, als ich längst vor den Umkleiden angekommen bin und aus irgendeinem Grund nervöser, als ich es überhaupt sein sollte auf und ab tigere. Wozu haben diese Unternehmen Telefone, wenn sie sie nicht nutzen? Ätzend. Denn so viele Einwohner, dass alle belegt sein könnten, hat Effingham nun auch nicht.

Es vergehen weitere quälend lange Minuten, in denen ich nichts anderes mache, als weiterhin wie eine Irre vor dem Eingang auf und abzulaufen und darauf zu warten, dass sich doch irgendwann ein Mitarbeiter an die Leitung bequemt. Wäre ja auch zu schön, wenn einfach mal etwas so funktioniert, wie es soll. Frustriert lausche ich der Melodie meines Handys, als es tatsächlich jemand gut mit mir zu meinen scheint. Endlich geht jemand ran und ich kann uns beiden ein Taxi bestellen. Die letzte Viertelstunde war irgendwie nervlich aufreibender, als der restliche Tag. Aber was solls. Sich aufregen bringt sowieso nichts. Etwas, das ich selbst gerne verdränge, so wie Allison. In Washington haben wir beide uns ständig über alles Mögliche und jede Kleinigkeit aufgeregt. Ziemlich erfolglos natürlich. Mit dem Rücken lehne ich mich an die nicht mehr ganz so weiße Wand der Umkleiden und warte darauf, dass Aiden sich fertig umgezogen hat. Die ersten Spieler verlassen frisch geduscht, mit nassen Haaren und in normalen Alltagsklamotten das Gebäude. Die meisten beachten mich gar nicht. Zu sehr sind sie darin vertieft, sich mit den anderen zu unterhalten. Der schnelle Stimmungswandel der Jungs lässt mich stutzig werden. Aber vielleicht hat Aiden auch mit ihnen gesprochen. Wundern würde es mich nicht. Wenn ich richtig informiert bin, zählt es eben auch zu den Aufgaben eines Quarterbacks ab und an auch mal über weniger angenehme Themen mit dem Team zu reden oder ihnen Mut zu machen. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken mich einfach ins Team zu schmuggeln, um endlich mit Aiden reden zu können, verwerfe die Idee aber schnell, als sich immer größere Schwachstellen des Plans auftuen. Mädchen haben in dieser Mannschaft nun mal nichts verloren. Außerdem wäre die Chance, dass wir beide ungestört allein reden können, verschwindend gering.
Dieser Gedanke bringt mich so sehr zum Grinsen, dass ich für einen Moment auch meinen Kopf nach hinten gegen die Wand fallen lassen. Gerade so schwungvoll, dass es nicht wehtut. Im selben Moment kommt Aiden mit ein paar anderen Jungen aus der Umkleide, die so viel zu erzählen haben, dass sie ihn fast nicht gehen lassen wollen. Aiden erblickt mich über ihre Köpfe hinweg und zwinkert mir kurz zu, ehe er versucht die Jungs abzuwimmeln. Es braucht ein paar Anläufe, bis er und die Typen vor ihm einander die Hände einschlagen und dann abziehen. Mir stockt der Atem. Erst jetzt kann ich mehr von Aiden, als nur seinen Kopf sehen, sodass ich gar nicht anders kann, als ihn von oben bis unten abzuscannen. Er trägt noch immer oder viel mehr wieder die Sportshorts in weinrot, mit dem Wappen des Teams auf dem Oberschenkel. Nur das Trikot hat er gegen ein schlichtes weißes Shirt getauscht. Seine Haare liegen nass, in luftigen Locken auf seinem Kopf. In der rechten Hand hält er seine Sporttasche, auf der gleichen Seite hängt ihm sein Rucksack locker über der Schulter. Eilig kommt Aiden auf mich zu und schenkt mir dieses unverschämt gutaussehende Lächeln.
»Hey.«
»Hey«, gebe ich kurzangebunden zurück.
»Das Taxi sollte gleich da sein.«
»Okay.« Ist das Einzige was er sagt, während wir uns in Bewegung setzten, um in die Richtung des Parkplatzes zu spazieren.

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