Die Woche ist wie im Flug an mir vorbeigezogen. Heute ist bereits Freitag. Der Tag, an dem mich Aiden zu einem weiteren Date entführen würde. Was genau er geplant hat, hat er mir auch dieses mal nicht verraten, aber im Gegensatz zur vergangen Woche bin ich gar nicht mal so sehr aufregt. Natürlich irgendwie nervös und erfreut, aber dennoch ist etwas anders. Aiden und ich sind anders. Dem kleinen Treffen am Montag Mittag unter der Tribüne am Rande des Sportplatzes folgten viele weitere. Wie, als wäre es selbstverständlich zogen unsere Beine uns in jeder Mittagspause an diesen magischen Ort. Jede einzelne verbrachten wir beide gemeinsam. Waren so beschäftigt und vertieft, den anderen nicht aus den Augen zulassen, dass wir ebenso häufig nicht einmal das Schrille läuten der Schulklingel wahrnahmen, dass uns eigentlich daran erinnern sollte, uns auf den Weg zurück in den Unterricht zu machen. Während die Lehrer mir mit immer mehr Unverständnis gegenübertraten, wenn ich mal wieder zehn Minuten zu spät in den Unterricht kam, wurde Jo's Grinsen mit jedem Tag breiter. Es tut gut zu wissen, dass sie nun über Aiden und mich bescheid weiß und es akzeptiert. Eine Sache, über die ich wirklich froh bin. Auch Ethans wissendem Blick, wenn Aiden nach dem Training seinem Arm um meine Schultern schmiegt und mich sicher nach Hause begleitet, ist mir nicht entgangen. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob die beiden je darüber gesprochen haben, aber falls nicht, scheint Ethan es inzwischen sowieso geblickt zu haben. Viel wichtiger ist aber, dass er sich ganz offensichtlich für seinen langjährigen besten Freund freut. Alles andere würde auch nicht unbedingt Sinn machen. Und sofern es doch anders wäre, würde Jo ihre Bruder schon ordentlich die Gedanken waschen. Wenn ich die beiden zusammen sehe muss ich immer an meine Schwester oder meinen Bruder denken den ich nie hatte. Und auch nie haben werde. Ich niemals die gemeine große Schwester sein werde, die ihren kleinem Bruder das Leben schwer macht. Und ich auch nie jemanden haben werde, der mich im Gegenzug genauso nervt. Auch wenn Alli da ziemlich nah drankommt. Nicht, weil sie mich nervt. Nein, ganz im Gegenteil. Weil wir über die Jahre so sehr zusammengewachsen sind, dass es nichts ändern würde. Es spielt keine Rolle, ob wir die selben Gene teilen oder Blutsverwandte sind. Das, was zwischen uns ist würde sich nicht ändern. Nie. Und um so länger ich darüber nachdenke, desto mehr spiele ich mit dem Gedanken Aiden die Wahrheit zu sagen. Weil es nichts ändern würde. Es wären immernoch Aiden und ich. Meine Vergangenheit würde niemals zwischen unseren Gefühlen stehen. Unsere gegenseitige Liebe nicht verändern. Die ganze Sache ist nicht mehr als ein Teil meiner Vergangenheit. Ein Teil, der wohl mein ganzen Leben präsent sein wird. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Aiden verständnisvoll reagieren wird. Ich kenne ihn gut genug, um das mit Sicherheit sagen zu können.
Lächelnd, in dem Wissen, dass dieser Abend ein voller Erfolg werden wird, schlüpfe ich schließlich in meine Sandaletten, die in ihrem Braunton perfekt zu meinem geblümten Sommerkleid passen. Entgegen meiner Gewohnheiten, habe ich meine Haare heute sogar zu einem lockeren französischen Zopf zusammengebunden und ein leichtes Make Up aufgetragen. Wirklich geübt bin ich darin nicht. Abgesehen von dem Nachmittag, an dem Alli und ich ein bisschen herumexperiment haben und am Ende wie Clowns aussahen, habe ich eigentlich nie wirklich Schminke benutzt. Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist das letzte Mal über ein Jahr her. Damals kam Alli auf die wunderbare Idee uns für die Weihnachtsfeier des Heims ein bisschen aufzuhübschen. Das ganze ist gründlich in die Hose gegangen. Ich unterdrücke ein Kichern, als ich in die warme Luft des späten Nachmittages heraustrete. Sofort erblicke ich ihn. Aiden lehnt lässig am Stamm eines Baumes, der zwischen Vorgarten und Straße aus der Erde ragt. Unsere Blicke kreuzen sich. Als er mich wahrnimmt, klettert sein Lächeln ein paar Etagen aufwärts.
Aus irgendeinem Grund fühle ich mich wie das bekannteste Supermodel der USA, als ich den schmalen Plattenweg unseres Hauses entlangschreite und mich Aiden nähere, der sich nun vom Baum abstützt und direkt vor mir stehen bleibt.
»Hey«, seine Worte sind ein halbes Flüstern, während er erst meinen Blick fesselt, bis ich seine Worte erwidere und ihn dann an mir herunter und dann empor wandern lässt.
»Hast du dich etwa für mich so rausgeputzt?«
Grinsend sehe ich an ihm vorbei, schaue hinter mich und schließlich wieder zu ihm. Aiden erwidert mein Grinsen und greift nach meinen Händen.
»Also ich sehe hier sonst niemanden.«
Aiden scheint nur mit Mühe sein Lachen im Zaum halten zu können und zieht mich stattdessen in einen flüchtigen, aber dennoch nicht weniger gefühlsvollen Kuss. Die Zeit scheint einmal mehr still zu stehen. So wie es sich jedes Mal anfühlt, wenn unsere Lippen sich vereinen. Plötzlich bekommt der belanglose Gehweg Flügel, trägt uns in ein anderes Paralleluniversum. Etwas unfreiwillig löse ich mich dann doch von ihm und sehe zu, wie Aiden langsam seine Augen öffnet.
»Du bist echt verrückt. Nein du machst mich verrückt, Lyn Wright.«
Für einen Moment zucke ich zusammen. An meinen neuen Nachnamen habe ich mich noch immer nicht gewöhnt. Auch wenn ich keine Verbindung zu meinem alten habe. Er nur ein Ausdruck eines Zwangs ist, gehörte er irgendwo doch zu mir. Den Bruchteil der Sekunde, den ich gedanklich abgeschwiffen bin, scheint Aiden wie eine Ewigkeit vorgekommen zu sein. Denn sein irritierter Blick spießt mich fast auf.
»Alles okay Lyn?«
Ich weiß, dass ich mit ihm reden wollte. Aber nicht jetzt. Es ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt und vor allem nicht der richtige Ort. Noch immer schaut Aiden misstrauisch drein.
»Wirklich«, beteuer ich.
Auch, wenn er mir nicht zu glauben scheint, nickt er und lässt eine meiner Hände los, sodass wir nun mehr oder weniger nebeneinander stehen.
»Dann lass uns los.«
Mein Lächeln stiehlt sich zurück auf meine Lippen. Hand in Hand schlendern wir den Gehweg entlang. Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir kaum ein Wort miteinander wechseln, doch Aiden scheint mein Unbehagen zu bemerken. Eigentlich ist es völliger Unsinn jetzt darüber nachzudenken, aber irgendwie will ich es einfach endlich loswerden. Vielleicht würde es mir eine Last von den Schultern nehmen.
»Irgendetwas ist doch Lyn? Hat es mit mir zu tun?«
Direkt schießt mein Blick von meinem Sandaletten zu ihm.
»Nein Aiden. Aber ich würde trotzdem später gerne mit dir reden wollen.«
Neugierig und ein wenig überrascht nickt Aiden.
»Okay. Klar. Aber erst nach dem Film.«
»Film?!«, hake ich nach.
Augenblicklich schlägt Aiden sich eine Hand vor den Mund.
»Ups. Neija ich dachte wir gehen ins Kino. Ich weiß. Nicht unbedingt spektakulär, aber trotzdem.«
»Es ist perfekt«, nehme ich ihm direkt seine Sorgen.
»Dann bin ich aber erleichtert.«
Seine Hand rutscht nun auf sein Herz, um seine Erleichterung zum Ausdruck zu bringen. Ich kann nicht anders, als sie mir meiner zu umschließen und Aiden einen Kuss auf die Wange zu drücken, ehe wir langsam weitergehen.
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too close
Teen FictionLyn, ein junges eher in sich gekehrtes Mädchen wird unverhofft adoptiert. Mit dem Umzug in einen fremden Bundesstaat muss sie ihr altes Leben hinter sich lassen. Besonders schwer fällt ihr der Abschied von ihrer besten Freundin. Denn Alli ist die ei...