⊱Kapitel 34⊰

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-Aiden-

Erschöpft lehne ich meine glühende Stirn an die kühle Scheibe des Busses, in dem ich mit meiner Mannschaft sitze. So angenehm das erfrischende Gefühl auch ist, nehme ich es wiederum doch kaum wahr. Die Kälte dringt nicht einmal richtig zu meinen Nerven durch. Sie wird bereits auf ihrem Weg der Hitze meiner Haut gleich gemacht. Aus dem Augenwinkel erblicke ich verschwommen unseren Coach, der gerade durch den schmalen Bus stolziert, um sicherzugehen, dass auch alle Spieler wieder mit nach Hause kommen. Einige Teammitglieder, schräg gegenüber meiner eigenen Sitzreihe, machen im selben Moment lautstark auf sich aufmerksam. Lachen, diskutieren und planen die nächste Party. Sie sind das ganze Gegenteil vom Rest des Footballteams. In solchen Augenblicken frage ich mich, wozu sie überhaupt hier sind. Den Sport scheinen sie nicht allzu ernst zu nehmen. Dabei ist jedem anderen in diesem Bus längst die Laune zum Feiern vergangen. Wenn man sie den jemals hatte. Dieses Spiel war das Wichtigste der ganzen Saison. Und wir? Wir haben es versaut. Hochhaus verloren. Mich persönlich stört das eigentlich gar nicht so sehr. Viel mehr fühle ich mit meinen Teamkameraden, die inständig auf ein Stipendium hoffen. Jeder Sieg erhöht dabei natürlich die Chance. Vor allem, wenn wir heute gewonnen hätten. Ich selbst habe daran überhaupt kein Interesse. Würde ein solches Stipendium wohl niemals annehmen. Auch nicht, wenn man es mir auf dem Silbertablett servieren würde. Ich liebe den Sport zwar, aber die Fotografie, die Kunst etwas für die Ewigkeit zu erschaffen, immer wieder anschauen zu können und mit sich zu wachsen, das ist es, was ich noch viel mehr liebe. Football ist da eher eine willkommene Abwechslung. Wenn einem der Kopf vor lauter Ideen schwirrt. Einfach draufloslaufen und alles beiseiteschieben. Mehr ist es für mich allerdings nicht. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater. Er ist der Grund, warum es mir nichts ausmachen würde, wenn wir noch länger hier am selben Fleck stehen, vielleicht einen Spieler verloren haben oder der Motor ausfällt. Wenn ich Dad später erklären muss, dass wir ausgerechnet dieses Spiel vergeigt haben, wird er mir sowas von die Hölle heiß machen. Auf die Standpauke kann ich also gut und gerne verzichten. Für ihn zählen nur die Leistungen. Siege, Erfolge. Und das Stipendium. Eines, dass ich nach wie vor nicht haben will. Statt mich bei meinen Träumen zu unterstützen, feuert er immer wieder gegen mich. Die Fotografie sei schließlich keine Zukunft. Keine Zukunft für seinen Sohn. So habe er mich nicht erzogen. Ich solle etwas aus meinem Leben machen. Erfolg haben. Später einmal in seine Fußstapfen treten. Das all das bloß seine Wünsche sind, spielt dabei absolut keine Rolle. Das hat es noch nie. 

Niedergeschlagen wende ich den Blick vom beschlagenen Fenster ab. Erst jetzt spüre ich das Brennen auf meiner Stirn. Erst in diesem Moment, nehme ich tatsächlich den Temperaturunterschied wahr. Für einen Bruchteil der Sekunde bleibe ich an den Versagern ein paar Reihen vor mir hängen. Sie sind die einzigen im Bus die es überhaupt wagen zu reden und lassen uns alle so an ihren nervtötenden Diskussionen über die heißesten Gestalten unserer Schule teilhaben. Augenverdrehend versuche ich meine Konzentration auf etwas anderes zu lenken, bin gedanklich aber viel zu sehr mit den vorangegangenen Ereignissen beschäftigt. Auf einmal stört das kurze Klingeln meines Handys meine hart erkämpfte Ruhe. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust die Textnachricht zu lesen, kann mich aber schließlich doch nicht zurückhalten. Vielleicht ist es wichtig. Vielleicht ist etwas mit Lyn oder Ethan? Oder Ava? Seufzend krame ich in meiner Sporttasche nach meinem Smartphone. Natürlich ist der Platz neben mir leer, er gehört ja auch schon seit Jahren Ethan. Und der ist im Augenblick natürlich nicht hier. Es hätte auch mindestens ein Wunder geschehen müssen, damit er seinen Hintern heute Morgen doch noch in den Bus geschwungen hätte. 

Eine neue Nachricht von Lyn <3 

Steht auf dem leuchtenden Display. Im Hintergrund strahlt meine Freundin in die Kamera. Es ist eines der Fotos, das ich damals für das Kunstprojekt geschossen habe. Ich kann nicht verhindern, dass sich ein schmales Lächeln auf meine Lippen stiehlt. Sie gehört zu den wenigen Personen, die mich so lieben wie ich bin. Mich nicht zu etwas drängen, sondern mich in dem unterstützen, was ich tue. Auch, wenn es am Ende vielleicht mal der falsche Weg ist. Lyn ist da. Immer. Und dafür liebe ich sie unendlich. 

too closeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt